Parlamentskorrespondenz Nr. 1242 vom 16.11.2015

Neu im Petitionsausschuss

Zahlreiche Bürgerinitiativen: Von Asylaufnahmezentrum bis Psychopharmaka bei Kindern

Wien (PK) – Zahlreiche Anliegen aus der Bevölkerung sind wieder in Form von Bürgerinitiativen an den Nationalrat herangetragen worden.

Bürgerinitiative für klare Herkunftsbezeichnung von lokalen Lebensmitteln

Im Sinne einer Förderung von regionalen Lebensmitteln und Produkten setzt sich eine Bürgerinitiative für eine klarere Herkunftsbezeichnung ein (80/BI). Eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz habe ergeben, dass eine Ankurbelung des Absatzes um nur 10 % etwa 10.000 heimische Arbeitsplätze schaffen würde. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen (Zunahme des BIP um eine Mrd. €) führen die UnterstützerInnen auch die Lebensmittelsicherheit, die hohen Produktionsstandards sowie die gute Qualität (kein Hormonfleisch und keine GVOs) von österreichischen Produkten ins Treffen. Außerdem trage die Unterstützung der regionalen Lebensmittelerzeugung zum Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe und somit der Landschaftspflege bei. Aufgrund der kürzeren Transportwege ergeben sich auch positive Effekte im Hinblick auf den Klima- und den Umweltschutz.

Ausreichendes Pflegegeld ist Voraussetzung für selbstbestimmtes Leben

Die langfristige Absicherung der Pflegefinanzierung sowie die jährliche und automatische Valorisierung des Pflegegeldes stellen die zentralen Forderungen einer weiteren Bürgerinitiative dar (81/BI). Aufgrund der demographischen Entwicklung müsse im Bereich der Pflege ausreichend Vorsorge getroffen werden, heißt es in der Begründung. Ab dem Jahr 2060 werde ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Ungefähr 85 % der Menschen wollen in den eigenen vier Wänden alt werden, was aber aufgrund der veränderten Familienstrukturen nicht mehr gewährleistet ist, gibt der Erstunterzeichner Klaus Voget (Präsident der Dachorganisation der Behindertenverbände) zu bedenken. Aus diesem Grund wurde auch das Pflegegeld geschaffen, das jedoch seit seiner Einführung im Jahr 1993 Inflationsverluste in der Höhe von 30 % hinnehmen musste. Jede Kürzung oder Verschlechterung schränke aber das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ein. Das Pflegegeld müsse daher jährlich angehoben werden, um zumindest seinen ursprünglichen Wert wieder zu erreichen.

Parlamentarische Enquete zur Frage der weiteren Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM

Österreich bekennt sich per Verfassung zu einem Verbot jedweder Nutzung der Atomkraft, ist aber dennoch Mitglied bei der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM, heißt es in einer Bürgerinitiative (82/BI ). Allein die aktuelle Entwicklung um die Genehmigung von Subventionsgeldern für das britische AKW-Projekt Hinkley Point C durch die Europäische Kommission habe deutlich aufgezeigt, zu welcher paradoxen Situation dies führen könne. Österreich klage nun gegen eine Entscheidung der Europäischen Kommission, die aber auf Grundlage von primärrechtlichen Bestimmungen in einem Gründungsvertrag der Europäischen Union getroffen wurde. Es sollte daher im Rahmen einer parlamentarischen Enquete erörtert werden, mit welcher schlüssigen Begründung eine weitere Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM noch zu rechtfertigen ist.

Initiative für die Einrichtung von bezirksübergreifenden Schlichtungsstellen

Die Einrichtung von bezirksübergreifenden Schlichtungsstellen in ganz Österreich, an die sich die Bevölkerung in Wohn- und Mietrechtsangelegenheiten wenden kann, wünschen sich zahlreiche BürgerInnen (83/BI ). Derzeit gibt es solche Stellen, die form- und kostenlose Beratung anbieten, nur in elf größeren Städten (z.B. Wien, Graz und Klagenfurt). Menschen, die dort nicht wohnhaft sind, müssen sich nämlich an Bezirksgerichte wenden und bereits für die Antragstellung 78 € bezahlen, geben die EinbringerInnen zu bedenken.

Asyl-Erstaufnahmezentrum: Warum wurde Ossiach ausgewählt?

Mit einem umfangreichen Fragenkatalog wenden sich EinwohnerInnen von Ossiach, in dem ein Asyl-Erstaufnahmezentrum errichtet werden soll, an den Nationalrat (84/BI). Neben den voraussichtlichen Kosten interessieren sich die BürgerInnen vor allem dafür, warum in einer 740 Einwohner großen Tourismusgemeinde über 120 Asylwerber in einem baufälligen Gebäude untergebracht werden sollen, obwohl andere intakte Objekte angeboten wurden. Überdies hätte man die private Unterbringungsmöglichkeit in Klagenfurt weiter prüfen können. Hinterfragt wird in der Initiative auch, in welchem Verhältnis der Liegenschaftsbesitzer mit der Innenministerin steht. Verärgert zeigen sich die BürgerInnen darüber, dass die Gemeinde Ossiach in der Causa Erstaufnahmezentrum vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.

Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare soll aufgehoben werde

Anders als im Großteil der westlichen Welt dürfen in Österreich zwei Männer oder zwei Frauen immer noch nicht heiraten (85/BI und 13/BI), zeigt eine Bürgerinitiative auf. Während  verschiedengeschlechtliche Paare am Standesamt eine Zivilehe schließen können, gibt es für gleichgeschlechtliche Paare nur die Möglichkeit eines Partnerschaftsvertrags (die eingetragene Partnerschaft), der aufgrund der zahlreichen Unterschiede nur als Institut zweiter Klasse angesehen werden könne. Eine solche Unterscheidung sei im 21. Jahrhundert eine unerträgliche Diskriminierung, weshalb die sofortige Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare auch in Österreich gefordert wird. Dies werde laut Umfragen auch von drei Vierteln der ÖsterreicherInnen unterstützt.

Humanitäre Hilfe und menschliches Vorgehen der EU in der Flüchtlingsfrage dringend erforderlich

Für einen humanitären und menschlichen Zugang in der Flüchtlingsfrage treten zahlreiche Personen im Rahmen einer Bürgerinitiative ein (87/BI). Die österreichische Regierung wird aufgefordert, sich in den entsprechenden EU-Organen für folgende Maßnahmen einzusetzen: eine massive Aufstockung der Mittel für UNHCR zur Unterstützung der Menschen in den Krisenregionen im Nahen Osten, das Schaffen legaler Fluchtmöglichkeiten (z.B. durch Resettlement-Programme, EU-Botschaftsverfahren, erweiterte Familienzusammenführungsmöglichkeiten und Arbeitsvisa- bzw. Stipendienprogramme) sowie ein solidarisches Vorgehen bei der Verteilung der Asylwerberlnnen in der EU bei gleichzeitiger Abschaffung des Dublin-Systems. Außerdem sollten Aufnahmezentren in den überlasteten EU-Grenzstaaten unter der Ägide der Union zur Umsetzung einer fairen Verteilung errichtet werden.

Bürgerinitiative zeigt Sozialdumping bei privaten Busunternehmen auf

Auf Probleme mit Sozialdumping bei privaten Busunternehmen macht die Gewerkschaft "vida" aufmerksam, die eine parlamentarische Bürgerinitiative gestartet hat (88/BI und 14/BI): Die Verkehrsverbünde schließen in der Regel sogenannte Bruttoverträge mit den Busunternehmen ab. Die Unternehmen werden pro gefahrenem Kilometer bezahlt und müssen diese Leistung möglichst billig erbringen. Der Bereich, wo gespart werden kann, sind also nur die Gehälter bzw. Löhne und Sozialleistungen für die Beschäftigten, heißt es in der Begründung. Um diese Fehlentwicklung zu stoppen, müsse im Bundesvergabegesetz sichergestellt werden, dass bei Ausschreibungen von Busleistungen das Bestbieterprinzip angewendet wird. Zusätzlich soll der dazu vom Verkehrsministerium veröffentlichte Leitfaden zu Qualitäts- und Sozialstandards verpflichtend zur Anwendung kommen. Wichtig wäre es auch, dass bei einem Betreiberwechsel die bisher auf diesem Streckenlos Beschäftigten zu ihren aktuellen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen vom neuen Unternehmen übernommen werden.

Hubschrauberstützpunkt in Vomp in Tirol soll erhalten bleiben  

Gehe es nach den Vorstellungen von Verteidigungsminister Gerald Klug, dann sollen in Zukunft alle 66 Hubschrauber des Bundesheeres ausschließlich im Osten Österreichs stationiert werden (89/BI ).  Salzburg, Tirol und Vorarlberg würden so zur hubschrauberfreien Zone. Dieser Kahlschlag in Westösterreich stehe dem Schutzauftrag des Bundesheeres klar entgegen, argumentieren besorgte BügerInnen, ein schnelles Eingreifen im Notfall könne durch die größere Entfernung nicht mehr gewährleistet werden. Außerdem sollten die Piloten auch im Hochgebirge trainieren können, um sich mit den speziellen Gegebenheiten im alpinen Raum vertraut zu machen. Die Kosten für die Stationierung eines Hubschraubers in Tirol seien überschaubar; der Stützpunkt Vomp sollte unbedingt erhalten bleiben.

Umsetzung der freien Schulwahl durch entsprechende Förderung aller Lehranstalten

Die extrem niedrige Förderung von Schulen in freier Trägerschaft in Österreich erschwere die gesetzlich garantierte freie Schulwahl bzw. verunmögliche diese für Eltern mit niedrigem Einkommen (90/BI und 15/BI). Dadurch werde aber die Umsetzung des Artikels 14 (3) der Europäischen Charta der Grundrechte (Recht auf Bildung) verhindert, nämlich die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen. Durch eine Novellierung des Privatschulgesetzes soll daher sichergestellt werden, dass Schulen in freier Trägerschaft mit Öffentlichkeitsrecht einen Rechtsanspruch auf Abdeckung ihrer Kosten in Höhe der durchschnittlichen Kosten anderer Schulen haben sowie eine volle Autonomie bei der Umsetzung ihrer jeweiligen pädagogischen Inhalte im Rahmen ihrer genehmigten Lehrpläne und Statuten genießen können.

Einfacherer Zugang zu leerstehenden Immobilien 

In Europa stehen aktuell mehr Wohnungen leer, als es Wohnungslose gibt, erfährt man aus einer Bürgerinitiative (91/BI). Auch für die Nutzung von leerstehenden Geschäftslokalen und anderen Leerständen gebe es genügend InteressentInnen. In beiden Fällen scheitern Nutzungen oftmalig an fehlenden Zugangsmöglichkeiten und überzogenen Mieterwartungen. Ebenso würden ganz bewusst bestimmte Gruppen, die von den EigentümerInnen oft nicht erwünscht sind (z.B. Personen mit (sichtbar) migrantischem Hintergrund) ausgeschlossen. Zugänge würden aber auch bewusst durch Spekulation verhindert. Leerstand ist in diesen Fällen gewollt, um durch Aufwertung und Verkauf von Wohnraum Gewinne zu erzielen, zeigen die UnterstützerInnen kritisch auf. Diesen Entwicklungen könne nur durch die Schaffung von gesetzlichen Rahmenbedingungen entgegengewirkt werden, die u.a. einen einfacheren Zugang zu Leerstand, ein grundsätzliches Recht auf Wohnraum, den Stopp sämtlicher Privatisierungen von öffentlichen Gütern und Besitztümern, die Verhinderung von Spekulation und die Einführung einer Steuer auf Leerstand umfassen.

Bürgerinitiative warnt vor Überverschreibung von Psychopharmaka bei Kindern

Seit Jahren werde bei einer ständig steigenden Zahl von Kindern ADHS diagnostiziert, wobei die "Diagnosen" aber oft nur auf einer allgemeinen Symptombeschreibung fußen und keine eindeutigen Ursachen zuzuordnen sind, argumentieren die EinbringerInnen einer Bürgerinitiative (92/BI). Den Kindern werden dann oft Amphetamin-ähnliche Mittel und andere Psychopharmaka verschrieben, um die Probleme überschaubar zu halten oder um Verhaltenskontrolle auszuüben. Der Nationalrat wird von den EinbringerInnen nun ersucht, gesetzliche Maßnahmen zu beschließen, um österreichweit das Recht von Kindern und Jugendlichen auf bestmögliche körperliche und seelische Gesundheit und um Schutz vor Überverschreibung von Stimulanzien und anderen psychotropen Drogen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang wird auch an eine entsprechende Empfehlung der UN-Kommission für die Rechte der Kinder aus dem Jahr 2012 erinnert, wonach den betroffenen Familien ein Zugang zu einer breiten Palette von psychologischen, pädagogischen und sozialen Maßnahmen bzw. Behandlungen zur Verfügung gestellt werden soll. (Schluss) sue