Parlamentskorrespondenz Nr. 1279 vom 18.11.2015

Flüchtlingsströme: EU bei Umsetzung seiner Beschlüsse zu langsam

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert über Pläne und Versäumnisse der EU in Flüchtlingskrise

Wien (PK) – Auch die aktuellen Migrationsströme beschäftigten heute den EU-Ausschuss des Bundesrats. Die Ergebnisse der informellen Tagung der Staats- und RegierungschefInnen vom 12. November 2015 boten die Grundlage für die Diskussion.

Um die andauernde Flüchtlingskrise zu bewältigen, streben die EU-Staaten eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Drittländern, einschließlich der Türkei an. Im Mittelpunkt der Beratungen des informellen Treffens standen daher auch die Beziehungen zur Türkei, zumal dieses Land als Schlüssel bei der Eindämmung der Flüchtlingsströme gesehen wird. Außerdem ging es um die Umsetzung der Beschlüsse zur Umsiedlung sowie um die Einrichtung von Registrierungszentren - sogenannten Hotspots - in Griechenland und Italien. Sie sollen der Identifizierung und Registrierung von Antragstellerinnen auf internationalen Schutz und von anderen MigrantInnen dienen und bis Ende November voll funktionsfähig sein. Sowohl bei der Errichtung von Hotspots, als auch bei der Umsiedlung geht relativ wenig voran, wurde seitens des Bundeskanzleramts kritisch vermerkt.

Hotspots und Registrierung helfen nicht, wenn keine Konsequenzen, wie etwa eine verpflichtende Aufteilung der Flüchtlinge, erfolgt, hieß es dazu aus dem Innenministerium. Derzeit werde die Infrastruktur aufgebaut und Experten seien vor Ort. Dennoch stoße man bei einem so riesigen Flüchtlingsansturm auch an Kapazitätsgrenzen. Auch Gerhard Schödinger (V/N) drängte auf ein Gesamtkonzept, das neben Hotspots auch die Sicherung der Außengrenzen und eine verpflichtende und faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU vorsieht. Wie Eduard Köck (V/N) äußerte er Unmut über die mangelnde Solidarität in Europa. Diejenigen Länder, die Netto-Empfänger sind, sollten nun in der Flüchtlingsfrage mehr Solidarität beweisen, forderten beide. "Wenn die EU eine Union sein will, muss man die Außengrenzen schützen und sichern", betonte Monika Mühlwerth (F/W). Wer kein Recht auf Asyl hat, den müsse man wieder abschieben können, und dabei hapere es noch, sagte sie.

Thema der informellen Tagung war zudem der Ausbau der Aufnahmekapazitäten und die erforderliche Abstellung zusätzlicher Experten für FRONTEX und EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen). Österreich beteiligt sich daran mit rund 100 Experten überproportional, wurde seitens des Bundeskanzleramts betont. Als unumgänglich betrachtet man eine wirksame Verstärkung der Kontrolle der Außengrenzen, um den derzeitigen Zustrom in geordnete Bahnen zu lenken und administrierbar zu machen. Die EU will laut Bundeskanzleramt im Dezember ein Grenzschutzpaket vorstellen.

Wie es in der Vorlage des Bundeskanzleramts heißt, ist Österreich zu konstruktiven Verhandlungen mit der Türkei über ein umfassendes Paket bereit, um den Flüchtlingsstrom nach Europa zu entschärfen und die Lebensbedingungen von Schutzsuchenden in der Türkei zu verbessern. Deshalb soll hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Türkei ein umfassendes Paket geschürt werden, darunter eine Unterstützung von 3 Mrd. €. Die EU will aus ihrem Budget 500.000 € zur Verfügung stellen, 1,5 Mrd. € sollen aus den Mitgliedstaaten kommen. Woher die weitere Milliarde kommen soll, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Die Vertreterin des Bundeskanzleramts unterstrich die Bedeutung der Türkei als wichtigen und strategischen Partner in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingsströme und unterstrich die Sensibilität der Verhandlungen. Seitens der EU liege noch kein offizielles Verhandlungspapier vor, sagte sie.

Die von der EU in Aussicht gestellten 500.000 € sind nach Ansicht von Edgar Mayer (V/V) viel zu wenig. Er kann sich auch nicht vorstellen, dass die Mitgliedstaaten, die wie Österreich ohnehin um die Konsolidierung ihren Haushalt ringen, weitere Millionen aufbringen können. Dem hielt Stefan Schennach (S/W) entgegen, im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise habe man Milliarden locker machen können. Er halte einen solchen Treuhandfonds für wichtig. Hätte Europa schon früher Programme, wie etwa das World Food Programme, ausreichend unterstützt, müssten sich nicht so viele Menschen auf den Weg machen, so Schennach. Die Situation für die Flüchtlinge in der Türkei stelle sich menschenrechtlich problematisch dar, sie hätten nicht einmal einen Flüchtlingsstatus. Außerdem müsste man auch das Umfeld stärker berücksichtigen, wie etwa Jordanien und den Libanon.

Was die Verhandlungen mit der Türkei betrifft, so sind sich die Ausschussmitglieder der Sensibilität bewusst. Die Verhandlungen müssten mit Augenmaß geführt werden, sagte Schennach und Mühlwerth sprach von einem äußert schwierigen Verhandlungspartner. Grundsätzlich stellte sie fest, dass Europa seine Aufgaben selbst erledigen sollte, anstatt darauf zu hoffen, dass uns die Türkei "die Flüchtlinge vom Hals hält". (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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