Parlamentskorrespondenz Nr. 1298 vom 19.11.2015

Bildungsreform regt Debatte über Schulfinanzierung an

Aktuelle Reformpläne Hauptthema der Budgetdebatte mit Heinisch-Hosek

Wien (PK) – Zwei Tage nach Bekanntgabe der Eckpunkte zur Bildungsreform stellte sich heute Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek im Rahmen der Budgetausschusssitzung Fragen der Abgeordneten zur Finanzierung des Schulwesens. Reformpläne wie das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, die Installierung von Bildungsdirektionen anstelle der Landesschulräte und die Ausweitung der Schulautonomie beherrschten dementsprechend die Debatte, deren Grundlage eigentlich der Budgetplan des Bildungsressorts für 2016 bildete. Es sei nun am Parlament, die Reform gesetzlich zu realisieren, hielt die Ministerin vorweg fest. Grundsätzlich geht sie davon aus, dass durch die Vereinfachungen in der Verwaltung und die neuen Freiräume in der Schulorganisation künftig mehr Mittel den Schulen zur Verfügung stehen.

Bis dahin sei allerdings "realistischerweise" anzunehmen, so Heinisch-Hosek, dass sich die chronische Unterdotierung des Bildungswesens fortsetzt, wenn nicht vom Finanzminister im kommenden Finanzrahmen bis 2020 Abhilfe geleistet werde. Hauptverantwortlich für das - seit Jahren bestehende - strukturelle Defizit im Budget des Bundesministeriums seien vor allem die Personalkosten. Dazu komme die Unübersichtlichkeit bei den Ausgaben für LandeslehrerInnen, da jedes Bundesland eigene Kostenberechnungen für sein Lehrpersonal habe, was im Rahmen der Bildungsreform behoben werden sollte. Während die Regierungsfraktionen die Reforminitiativen als Schritte zur Schule der Zukunft begrüßen, zweifeln vor allem FPÖ und Team Stronach am Erfolg des Projekts. Grüne und NEOS machen ebenfalls noch viel Diskussionsbedarf aus. In vielerlei Hinsicht sind Ressourcenfragen Kern der Vorbehalte.

Insgesamt stehen dem Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) laut Bundesvoranschlag 2016 mit 8,10 Mrd.€ um 106,4 Mio.€ mehr zur Verfügung als heuer. Die zusätzlichen Mittel dienen vor allem der Abgeltung gestundeter Schulmieten, wird in den Budgetunterlagen erklärt. 2014 vereinbarte das Bildungsressort mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), 88 Mio. € für Mieten von Bundesschulen erst 2016 zu bezahlen.

Für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung zweigt das Ministerium 2016 vom Gesamtbudget 10,15 Mio. € ab. Direkte Verbindung zwischen den beiden Ressortbereichen bildet die PädagogInnenbildung neu, durch die Lehrenden verstärkt Gender- und Diversity-Kompetenz vermittelt werden soll. Die Kooperation der Pädagogischen Hochschulen mit den Universitäten als Basis der neuen LehrerInnenausbildung wird laut Heinisch-Hosek durch das Wissenschaftsministerium finanziert.

Finanzierungsfragen entscheidend für Neuerungen im Schulwesen

Schon aufgrund der Erwartungshaltung der Abgeordneten nutzte Bundesministerin Heinisch-Hosek die Ausschusssitzung, um die wichtigsten Ergebnisse der Bildungsreform-Kommission zu erläutern. Kindern einen guten Einstieg in das Bildungssystem zu ermöglichen, sei das erste Ziel, beschrieb sie Details der Neuausrichtung in der Elementarpädagogik sowie des sanften Übergangs in die Volksschule im Rahmen einer Schuleingangsphase. Wichtig ist der Ministerin dabei die Informationsweitergabe zwischen Kindergarten und Volksschule, sodass jedes Kind im Unterricht mitgenommen wird, wobei der Fokus auf den Grundtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen liege. Obwohl diesen Plänen nicht abgeneigt, gab Abgeordneter Gerald Hauser (F) zu bedenken, das zweite Gratiskindergartenjahr müsse auch finanziert werden. In Hinblick auf die Kostenproblematik hinterfragte der Freiheitliche überdies die bestehende Praxis der Pflichtschulerhaltung, die den Gemeinden obliegt, sowie die Einführung von Breitbandinternet an den Schulen, wie sie im Ministerratsvorschlag zur Bildungsreform angedacht wird.

Grundsätzlich stimmte Heinisch-Hosek zu, besonders auf Gemeindeebene sei die Schulfinanzierung ein brennendes Thema, sie meinte aber, die Bildungsreform biete auch hier Lösungsansätze. Konkret bezog sie sich auf das Autonomiepaket, bei dem für Schulstandorte mehr organisatorische, pädagogische und finanzielle Gestaltungsfreiheit geplant ist. Dadurch bestünde die Möglichkeit für BürgermeisterInnen, Schulverbünde zu errichten, bei denen auch Bundesschulen dabei sind. Mit einem gemeinsamen Budget ließen sich dann Infrastrukturmaßnahmen leichter umsetzen, ist Heinisch-Hosek überzeugt. Überdies arbeite die Regierung an einem Gesetzesvorschlag für eine Bildungsstiftung, über die auch Private sich an schulischen Investitionen beteiligen können. Zur Kindergartenfinanzierung informierte die Ministerin, Finanzminister Hans Jörg Schelling wolle bei den Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern die nötigen Mittel bereitstellen, wobei grundsätzlich erste Ansprechpartnerin Familienministerin Sophie Karmasin sei.

Klarheit über Geldflüsse in der Lehrerverwaltung soll Einsparungen bringen

FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz führte im Zusammenhang mit der Bildungsreform kritisch ins Treffen, dass die anvisierte Bildungsdirektion für die Verwaltung sämtlicher Lehrkräfte rechtlich nicht abgesichert ist. Eine gemeinsame Bund-Länder-Behörde sehe die österreichische Verfassung schlicht nicht vor. Problematisch wertete Rosenkranz dabei auch die Rolle der Landeshauptleute, da diese auf den Vorsitz in der Bildungsdirektion inklusive Weisungsrecht verzichten müssten. Die Bildungsministerin indes hat einen anderen Zugang: auf Grundlage landesgesetzlicher Bestimmungen könne ein Landeshauptmann die Präsidentschaft der Behörde übernehmen. Er müsse damit in die Präsidentschaft, für die eine Befristung von fünf Jahren vorgesehen sei, hineinoptieren. Recht gab sie Rosenkranz, dass die Bildungsdirektion als Mischbehörde zur gemeinsamen Verwaltung erst einer verfassungsrechtlichen Beschreibung bedürfe, verdeutlichte jedoch zugleich an mehreren Beispielen die Bedeutung des neuen Systems der LehrerInnenverwaltung. Nicht nur würden sämtliche PädagogInnen, sondern auch die gesamte Schulaufsicht dort administriert. Durch die einheitliche Berechnung der Gehälter von Landes- und BundeslehrerInnen am Bundesrechenzentrum werde folglich die Mittelverteilung klarer. Die Transparenz der Stellenpläne, also das Wissen über die Lehrstundenverteilung in den Ländern, sei wiederum essentiell für die Umsetzung der Schulautonomie. Überdies erwartet die Bildungsministerin sich aus diesen Einblicken, speziell was den Überzug von Planstellen durch die Bundesländer betrifft, beträchtliche Einsparungen, wie sie sich auch aus dem Wegfall der Gremien in den Landesschulräten ergäben.

Aus der Analyse des parlamentarischen Budgetdiensts zum Bildungsbudget geht hervor, Ausgaben für die Landeslehrer sind 2016 mit 3,37 Mrd.€ um rund 160 Mio.€ geringer veranschlagt als im Vorjahr (2015: 3,53 Mrd. €), obwohl der Voranschlag 2015 aus derzeitiger Sicht nicht ausreichen wird, weswegen vom Finanzminister heuer 350 Mio.€ für Lehrergehälter zur Verfügung gestellt werden.

Schulautonomie stellt PädagogInnen vor neue Aufgaben

In Verbindung mit der geplanten Erweiterung der Schulautonomie, kam Heinisch-Hosek auf Nachfrage von Brigitte Jank (V) auf diesen Teil der Bildungsreform zurück, sei jedenfalls die Arbeitsplatzsituation der Lehrkräfte an den Schulen zu verbessern. Nur dann könne gewährleistet werden, dass Lehrerinnen und Lehrer sich zu Kernarbeitszeiten am Schulstandort aufhalten. Den Punkt wolle man ebenso in die Arbeiten mit dem Finanzministerium für den Schulentwicklungsplan für die nächsten zehn Jahre aufnehmen, wie andere Vorkehrungen zur autonomen Schulorganisation. Janks Sorge, dass die SchulleiterInnen für geänderte Aufgaben im Rahmen der Schulautonomie nicht ausreichend qualifiziert sind, etwa was das Management von Schulverbünden betrifft, konnte Heinisch-Hosek durchaus nachvollziehen. Zwar würden bereits jetzt entsprechende Weiterbildungsangebote an der Leadership Academy von DirektorInnen gut angenommen, doch erfordere die Neugestaltung des Schulwesens ein Personalentwicklungsprogramm für SchulleiterInnen, damit diese mit der nötigen wirtschaftlichen Kompetenz ausgestattet sind.

Keinesfalls wolle sie an einzelnen Prozentangaben festmachen, welche Arten schulautonomen Gestaltens genehmigt würden, versicherte sie NEOS-Mandatarin Claudia Gamon. In Hinblick auf Gestaltungsschwerpunkte in den Lehrplänen sei das Prinzip, dass die Inhalte den Bildungsstandards bzw. den Grundlagen für die Zentralmatura Rechnung tragen müssen.

Inklusion in Modellregionen für Gemeinsame Schule

Grundsätzliche Kritik an der laut Reformplan in Modellregionen erprobten Gemeinsamen Schule übte Robert Lugar (T). Der Team-Stronach-Bildungssprecher findet, das Konzept funktioniere nicht, wie schon jetzt an den Volksschulen zu sehen sei. An seiner Haltung änderten auch das Argument Heinisch-Hoseks nichts, Eltern und Kindern werde unnötiger Stress in der vierten Volksschulklasse erspart, wenn der Übertritt in die neue Schulform automatisch erfolgt. Ebenso wenig beeindruckt zeigte sich Lugar über die wissenschaftliche Begleitung, die die Bildungsministerin für die Modellregionen zur gemeinsamen Schule der sechs bis 14-Jährigen in den nächsten zehn Jahren vorhat. Gegenüber ÖVP-Abgeordnetem Franz-Joseph Huainigg erklärte Bundesministerin Heinisch-Hosek, in diesem neuen pädagogischen Konzept sollten alle Schularten umfasst sein, auch Sonderschulen. Sie wolle ungeachtet dessen sicherstellen, dass SchülerInnen mit Behinderung in diesen gemeinsamen Bildungsraum Eingang finden. Helene Jarmer (G) erfuhr, Assistenzleistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung seien im nächstjährigen Schulbudget mit1,6 Mio. € dotiert.

Budgetzuwachs soll nicht nur Schulmieten abdecken

Abgesehen von Mehrausgaben im Bereich räumlicher Infrastruktur nennt das Bildungsressort als wichtigen Budgetposten den Ausbau Neuer Mittelschulen sowie der schulischen Tagesbetreuung. Ganztagsangebote an Schulen sollen mit zusätzlichen 160 Mio. € an Pflichtschulen und Bundesschulen (1. bis 9. Schulstufe) vorangetrieben werden, sowohl hinsichtlich der Betreuungsplätze und -dauer als auch in Bezug auf die Qualität. SPÖ-Mandatarin Daniela Holzinger-Vogtenhuber gegenüber zeigte sich Heinisch-Hosek zuversichtlich, das Ziel, bis 2018/19 200.000 Betreuungsplätze anzubieten, erreichen zu können.

Als weitere bildungspolitische Schwerpunkte führt das BMBF die Modularisierung der Oberstufe an sowie den Bereich lebenslanges Lernen, der die Berufsreifeprüfung, das Nachholen von Bildungsabschlüssen und Lehrgänge zum Erwerb von Basisbildung bzw. Grundkompetenzen umfasst. Zur Erwachsenenbildung führte Heinisch-Hosek auf Nachfrage Elisabeth Grossmanns (S) näher aus, glücklicherweise sei es gelungen, die Initiative zu verlängern, wiewohl eine unbegrenzte Laufzeit wünschenswert wäre, da an die 20.000 Personen pro Jahr damit erreicht würden. Mit bereits 11.000 jungen Menschen ist die Lehre mit Matura ein Erfolgsmodell, bestätigte sie Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (S).

Oberstes Ziel der heimischen Bildungspolitik ist laut Wirkungsanalyse zum aktuellen Budgetplan, das Bildungsniveau aller Schülerinnen und Schüler zu steigern. Eine neue "Lehr- und Lernkultur" ist hier die Maxime, gerade im Bereich der Neuen Mittelschule, aber auch an den Gymnasien (AHS) und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS), wo ab 2017 die Oberstufe neu flächendeckend geplant ist. In der Sekundarstufe I (5. bis 8. Schulstufe) soll es mehr Berufsorientierung und Bildungsberatung geben, sowie Pflichtmodule der politischen Bildung. Forciert wird auch der Einsatz von digitalen Unterrichtsmaterialien als Ergänzung der Schulbücher.

Integrationsgelder werden noch verteilt

Die Regierungsverhandlungen über die Verteilung der 75 Mio. € aus dem Integrationstopf laufen noch, das machte Bildungsministerin Heinisch-Hosek heute erneut klar, nachdem bereits gestern Außenminister Sebastian Kurz darüber berichtet hatte (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1284). Ihr Ressort brauche rund 29 Mio.€ daraus und habe bereits mehrere entsprechende Projekte – von der Sprachförderung bis zu interkulturellen mobilen Teams – vorgestellt. Angestoßen hatten das Thema Grünen-Bildungssprecher Harald Walser und seine Parteikollegin Alev Korun, die speziell für über 15-jährige Flüchtlinge Betreuungsmaßnahmen einmahnte. Jugendliche außerhalb des Pflichtschulalters versorge man in Übergangskursen mit Zielrichtung berufsbildende mittlere oder höhere Schule bzw. in der Erwachsenenbildung, sagte Heinisch-Hosek. (Fortsetzung Budgetausschuss) rei


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