Parlamentskorrespondenz Nr. 1370 vom 02.12.2015

Heftige Kritik an Wohnungsverkäufen des Integrationsfonds

Rechnungshofausschuss befasst sich mit Insiderhandel beim ÖIF

Wien (PK) - Der 1960 gegründete Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) zieht sich seit einem Strategiewechsel im Jahr 2005 unter der damals zuständigen Innenministerin Liese Prokop schrittweise aus seinem ursprünglichen Zweck, der Bereitstellung von Wohnraum für Flüchtlinge zurück und unterstützt seit 2011 MigrantInnen schwerpunktmäßig durch Beratung, Sprachkurse sowie bei der Arbeitssuche und fördert den interkulturellen Dialog. 2014 wanderte die Ressortzuständigkeit für den Fonds vom Innen- zum Außenministerium. Heute besitzt der Fonds keine Wohnungen mehr.

Für Aufregung im Rechnungshofausschuss sorgten die Missstände, die der Rechnungshof in seinem Prüfbericht über den Verkauf der Immobilien des Fonds in den Jahren 2006 bis 2011 (III-179 d.B.) feststellte. Rechnungshofpräsident Josef Moser legte den Abgeordneten ausführlich dar, wie Eigentumswohnungen des Fonds ohne Genehmigung des Ressorts, ohne breite Interessentensuche, ohne ausreichende Bieterverfahren, ohne Prüfung von Schätzgutachten und ohne Vergleichsangebote bei der Ermittlung des Verkehrswerts von Wohnungen veräußert wurden – vielfach an Personen, die dem Fond nahestanden. "Das Erlöspotenzial wurde nicht ausgeschöpft", lautete die Kritik des RH-Präsidenten und der Abgeordneten, die übereinstimmend feststellten, dass der Republik und den SteuerzahlerInnen finanzieller Schaden in Millionenhöhe zugefügt wurde.

Die Fragwürdigkeit der Immobiliengeschäfte des Fonds kam augenscheinlich in der enormen Differenz zwischen den Verkaufspreisen und den Hypothekarkrediten zum Ausdruck, die Banken den neuen Eigentümern der Wohnungen einräumten. Weitere Kritikpunkte der RH-Prüfer galten dem überdimensionierten "Haus der Bildung und beruflichen Integration", wo eine Mietvorauszahlung von 4,5 Mio. € sowie der vereinbarte Kündigungsverzicht für 15 Jahre negativ zu beurteilen sei.

Der Rechnungshof empfahl dem Fonds, bei Beratungsleistungen die Finanzprokuratur statt externe Berater in Anspruch nehmen. Kurstrainer, die Grund zu Beanstandungen geben, sollten einmal jährlich evaluiert werden. Günstige Kursangebote anderer Anbieter sollten genutzt und frei werdende Ressourcen für Integration-Prüfungen eingesetzt werden. Die Anzahl der Schulungsräume sollte reduziert, die Auslastung verbleibender Schulungsräume verbessert und nicht benötigte Räume weitervermietet werden.

Besorgte Abgeordnete verlangen Konsequenzen und Vorkehrungen    

In der Debatte erbaten die Abgeordneten Claudia Gamon (N), Martina Schenk (T), Wolfgang Zanger (F), Hermann Gahr (V), Alev Korun (G) und Elmar Mayer (S) im Detail Auskunft über die Missstände und über Vorkehrungen des Fonds, die solche Vorkommnisse  in der Zukunft ausschließen. Dabei beurteilte Hermann Gahr (V) die zahlreichen Veränderungen, die der Fonds seit 2012 vornahm, positiv und lobte die neue Geschäftsführung für die Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen. Andreas Ottenschläger (V) registrierte viele Fehler und meinte, man habe die Wohnungen viel zu rasch verkauft. Ottenschläger gab aber auch zu bedenken, dass die Immobilienpreise in den Jahren 2008/09 stark stiegen. Sein Rat lautete, die Kompetenz der BIG zu nutzen und das Immobilienmanagement zu professionalisieren. Auch Gabriela Moser (G), die dem Rechnungshof für seinen hervorragenden Bericht dankte, sagte: "Wir brauchen ein professionelleres Immobilienmanagement".

Alev Korun (G) bedauerte den Verkauf von Wohnungen, die für Flüchtlinge angeschafft und unter ihrem Wert an Personen verkauft wurden, die dem Fonds nahestanden und diese Wohnungen teurer weiterverkauften als sie sie vom Fonds erwarben. Korun kritisierte auch die mangelnde Evaluierung der Schulungstrainer, die eine Beurteilung des Erfolgs der angebotenen Kurse nicht zulasse und bemängelte darüber hinaus den suboptimalen Einsatz externer Prüfer bei Integrationsprüfungen.

Sebastian Kurz erklärt Strategiewechsel und Veränderungen beim ÖIF

Außenminister Sebastian Kurz berichtete demgegenüber von der Evaluierung jedes einzelnen Sprachkurses des Integrationsfonds sowie darüber, dass die Auslastung der Schulungsräume mittlerweile auf 97% verdoppelt wurde. Es sei nicht falsch gewesen, den Fonds aus der Wohnungsvermittlung zurückzuziehen, weil es notwendig gewesen sei, Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abzugrenzen. Den diesbezüglichen Strategiewechsel habe Innenministerin Liese Prokop bereits vor 10 Jahren vorgenommen. Seither habe sich viel verändert, sagte der Außenminister und schilderte den Abgeordneten das aktuelle Engagement des Fonds bei der Vermittlung von Grundwerten in Werteschulungen für MigrantInnen, den Einsatz ehrenamtlicher IntegrationsbotschafterInnen in Schulen, wo erfolgreiche UnternehmerInnen und KünstlerInnen mit Migrationshintergrund Positivbespiele gelingender Integration bieten, legte Kurz dar.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrats des ÖIF, Herbert Anderl, erinnerte als Auskunftsperson daran, dass der Wertzuwachs der verkauften Wohnungen zumindest teilweise auf Wertsteigerungen in den Jahren nach 2008 zurückzuführen sei. Dem Vorwurf, das Erlöspotenzial beim Verkauf der Wohnungen nicht ausgeschöpft zu haben, entgegnete Anderl mit dem Hinweis auf den jeweils hohen Sanierungsbedarf der Wohnungen. Die Empfehlungen des "ausgezeichneten" Rechnungshofberichts seien bei der Satzungsänderung des Fonds berücksichtigt worden, teilte Anderl den Ausschussmitgliedern mit. Derzeit verfüge der Fonds über keine Wohnungen mehr, der Strategiewechsel und der Rückzug aus der Wohnungsvermittlung sei allgemein auf Zustimmung gestoßen. Von den 14 RH-Empfehlungen wurden 12 bereits umgesetzt, eine befinde sich in Umsetzung, fügte ÖIF-Geschäftsführer Franz Wolf hinzu.

Insiderhandel, Unvereinbarkeiten, Falschinformationen der Aufsicht   

In seinen Antworten auf Detailfragen der Abgeordneten informierte Rechnungshofpräsident Josef Moser über die aus Sicht der SteuerzahlerInnen problematische Vorgangsweise beim Verkauf der Wohnungen des ÖIF. 270 Eigentumswohnungen seien in der Zeit von August 2006 bis August 2011 verkauft worden, wobei er Verfahrensmängel, den Verzicht auf eine Interessentensuche und Veräußerungen an Käufer mit Naheverhältnis zum ÖIF - etwa an den Schätzgutachter des ÖIF und an Angestellte des Fonds – anführte. Die Abgeordneten erfuhren von unklaren Preisabschlägen, von Hypothekarbelastungen der Wohnungen bis zum 3,9-fachen des Verkaufspreises, nicht nachvollziehbaren Gutachten, mangelhaften Bieterverfahren, kurzfristigen Entscheidungsfindungen, Unvereinbarkeiten bei den Personen, die die Verkäufe durchführten. Schließlich erinnerte Rechnungshofpräsident Josef Moser daran, dass bei den Wohnungsverkäufen immer dieselben Akteure aus demselben Personenkreis tätig waren, das Kuratorium und der Aufsichtsrat falsche Informationen erhielten und Verkaufsentscheidungen ungewöhnlich rasch und in manchen Fällen per Umlaufbeschluss getroffen wurden. 

Außenminister Sebastian Kurz informierte über personelle Konsequenzen und organisatorische Vorkehrungen, die sicherstellten, dass solche Vorkommnisse in Zukunft ausgeschlossen werden können. Kurz informierte auch über die Zusammenarbeit mit der BIG bei Immobilienveräußerungen, setzte auf die Kooperation mit dem Rechnungshof und informierte über ein in der Sache laufendes Strafverfahren. (Schluss Rechnungshofausschuss) fru