Parlamentskorrespondenz Nr. 1400 vom 09.12.2015

BIFIE-Reform soll Schulbildungsforschung stärken

Nationalrat: Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung wird auf neue Beine gestellt

Wien (PK) – Mit breiter Mehrheit stimmten heute im Nationalrat SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS der Reform des Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) zu. Das Institut wird verkleinert, für die Abwicklung der Zentralmatura wird ab 2017 das Bildungsministerium zuständig sein. Daher wird auch der Standort Wien, der für die Reifeprüfung bislang verantwortlich zeichnet, aufgelöst. Der Institutssitz in Salzburg wird als Hauptstandort bestehen bleiben, ebenso die Zweigstellen in Klagenfurt und Graz, bis der Aufsichtsrats einen gegenteiligen Beschluss fasst. Allerdings werden Neuanstellungen und Nachbesetzungen dort untersagt. Die betroffenen 65 MitarbeiterInnen wird das Bildungsministerium übernehmen. Das BIFIE soll sich in erster Linie auf Bildungsforschung und Bildungsstandards konzentrieren sowie diverse Testverfahren an Schulen – wie etwa PISA, PIRKL oder TIMMS – durchführen. In diesem Sinne wird auch der Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen mehr Stellenwert eingeräumt, ebenso soll die Zusammenarbeit mit den Bundesländern im Bereich der Kindergärten und Horte forciert werden. Die Forschungsergebnisse des Instituts werden künftig veröffentlicht. Abgeschafft wird die Doppelspitze des Instituts, die neue Leitung des BIFIE soll mit 1. Jänner 2017 neu bestellt werden, ebenso der Aufsichtsrat mit seinen kaufmännisch-wirtschaftlichen Agenden und der wissenschaftliche Beirat.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek betonte, das BIFIE sei nach dem Jahr 2014 "auf Herz und Nieren" auch von internationalen ExpertInnen geprüft worden. Man habe einen Lenkungsausschuss eingesetzt und sei dessen Empfehlungen sowie den Vorgaben des Rechnungshofs gefolgt. Die Finanzierung werde ebenfalls auf neue Beine gestellt, informierte sie. Diese erfolgt nur mehr bedarfsorientiert, eine Basisfinanzierung gibt es nicht mehr.

SPÖ und ÖVP: Gesetz bringt für das BIFIE Unabhängigkeit und Konzentration auf Forschung

Die RednerInnen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS begrüßten unisono das Gesetz als einen Schritt in die richtige Richtung, der mehr Unabhängigkeit bringe und den Fokus wieder auf die zentralen Forschungsaufgaben des BIFIE lenke. In diesem Sinne äußerten sich Elisabeth Grossmann, Markus Vogl, Marianne Gusenbauer-Jäger, Erwin Preiner, Daniela Holzinger-Vogtenhuber (alle S), Brigitte Jank, Karlheinz Töchterle und Franz-Joseph Huainigg (alle V). Die Reform bringe klare Strukturen und erteile an das Management einen klaren Auftrag, meinte etwa Markus Vogl. Marianne Gusenbauer-Jäger befand, das Gesetz ebne dem Institut den Weg, schlanker, transparenter und professioneller zu werden.

Die Konzentration auf die Bildungsforschung ist vor allem für Daniela Holzinger-Vogtenhuber und Karlheinz Töchterle eine wichtige und notwendige Maßnahme, da es hier noch markante Schwächen gebe. Töchterle ortete insbesondere Lücken in der Volksschulforschung und drängte auf eine enge Kooperation des BIFIE mit der erziehungswissenschaftlichen Forschung. Er appellierte an die Ministerin, die Unabhängigkeit des Instituts zu gewährleisten, zumal es eine Stelle des Bundesministeriums bleibt. Für Holzinger-Vogtenhuber bedeutet vor allem die Veröffentlichungspflicht von Forschungsergebnissen einen Qualitätssprung, denn bisher habe sich das Institut nur wenig in die Karten schauen lassen. Erwin Preiner hielt vor allem die freiwillige Lernstandsfeststellung für einen wesentlichen Aspekt, um über die Stärken und Schwächen Bescheid zu wissen und dann entsprechende Fördermaßnahmen setzen zu können.

Grüne drängen auf Verwendung der BIFIE-Daten für die Forschung

Der positiven Beurteilung des Gesetzes schlossen sich auch die Grünen und die NEOS an. "Parteipolitik raus, Sachverstand rein!", beschrieb der grüne Bildungssprecher Harald Walser die Richtung des Gesetzes und meinte damit die Abschaffung der Doppelspitze und die internationale Ausschreibung für den Direktorenposten. Ebenso erhofft sich Matthias Strolz (N) durch das internationale Bewerbungsverfahren für die Führungsposition ein Aus der Parteipolitik zu Gunsten der Kompetenz.

Kritik äußerten Walser und die Grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer nur hinsichtlich der begrenzten Verwendung von Daten. Es könne nicht sein, dass das BIFIE bestimmt, wer mit den erhobenen Daten arbeiten darf und wer nicht. Maurer wies darauf hin, dass es ja auch die Möglichkeit einer Datenschutzvereinbarung gibt, und versuchte so, die Bedenken hinsichtlich sensibler Daten auszuräumen. Sie spannte damit auch einen Bogen zu den Lücken in der Schulforschung und unterstrich in diesem Sinne die Notwendigkeit, die entsprechenden Daten den Forscherinnen und Forschern zur Verfügung zu stellen. Die Grünen lehnten daher in Zweiter Lesung die gesetzlichen Bestimmungen zur Datenweitergabe ab, stimmten dem Gesetz aber in Dritter Lesung zu, weil es in die richtige Richtung weise.

Die Grünen wurden darin vollinhaltlich von den NEOS unterstützt. Auch Brigitte Jank von der ÖVP zeigte sich offen für die Forderungen der Grünen, da die Daten durchaus beitragen könnten, gezielte Maßnahmen zur Qualitätssteigerung zu setzen, auch wenn dies vielleicht für manche Schulen schmerzlich sein könnte, bemerkte sie.

NEOS wollen Innovation in der Schule durch Bürokratieabbau fördern

NEOS-Bildungssprecher Matthias Strolz übte grundsätzlich Kritik an der, wie er sagte, ausgeprägten Misstrauens- und Weisungskultur im österreichischen Schulsystem. Diese Form der Überregulierung missachte die Tatsache, dass Lehrerinnen und Lehrer über eine ausgeprägte Expertise verfügen, sagte er und brachte in diesem Sinne einen Entschließungsantrag zur "Förderung von Innovation im System Schule durch Abbau der bürokratischen Überregulierung und Stärkung der Selbstorganisationskräfte" ein. Dieser zielt darauf ab, dass die Politik lediglich einen klaren Handlungsrahmen für die in pädagogischer, finanzieller und personeller Hinsicht autonom agierenden Schule erstellen soll. Darüber hinaus seien lediglich Zielvorgaben zu definieren und deren Erreichung zu begleiten und zu kontrollieren. Der Entschließungsantrag erhielt jedoch mit den Stimmen von NEOS und Grünen nicht die notwendige Mehrheit.

FPÖ: Reform kommt zu spät und ist unzureichend

Völlige Ablehnung des Gesetzesvorschlags kam von der FPÖ und vom Team Stronach. Walter Rosenkranz (F) kritisierte seitens seiner Fraktion, die Reform komme viel zu spät. Man habe sich zu lange Zeit gelassen, für die Begutachtung dann aber nur zwei Wochen vorgesehen, und in Kraft treten soll das Ganze erst im Jahr 2017. Die Bildungsforschungsagenden könnten Rosenkranz zufolge durchaus auch die Universitäten übernehmen.

Nicht einverstanden zeigte sich Rosenkranz mit der Übernahme der 65 MitarbeiterInnen in das Ministerium, die bislang im BIFIE für die Zentralmatura zuständig waren. Die Ministerin rechtfertigte dies mit dem Hinweis darauf, dass die Matura 2016 noch vom BIFIE durchgeführt werde und das Ministerium die Expertise für einen reibungslosen Übergang brauche. Nach den 2 Jahren werde man sehen, ob man die MitarbeiterInnen noch in diesem Ausmaß brauche, man dürfe jedoch nichts überstürzen, so die Ministerin. In diesem Sinne wurde sie nicht nur von ihrer eigenen Fraktion (Markus Vogl) sondern auch von Harald Walser seitens der Grünen unterstützt, der die Sensibilität der Zentralmatura unterstrich.

Team Stronach will Privatschulen für alle

Für völlig unnötig hält das Team Stronach die Weiterführung des BIFIE. Aus der Reform sei nichts geworden, wertete Robert Lugar die Gesetzesvorlage und kritisierte, dass in der Zwischenzeit ohnehin die Länder diktierten, was für die Schule gut ist.

Lugar hob dann zu einem Rundumschlag auf das öffentliche Schulwesen an, das seiner Meinung nach im Gegensatz zu den Privatschulen nicht funktioniere und damit zu einem Zwei-Klassen-Bildungssystem beitrage. Er plädierte daher, Privatschulen für alle zu errichten und für deren Besuch Bildungsschecks auszustellen.

Huainigg: Schulbildung auch für pflegebedürftige behinderte SchülerInnen

In der Debatte richteten Erwin Preiner (S) und Franz-Joseph Huainigg (V) zwei Wünsche an die Ministerin. Preiner machte sich für einen schnellen Breitbandausbau im Interesse der digitalen Kompetenz von SchülerInnen stark, Huainigg thematisierte das Problem  pflegebedürftig behinderter Kinder. Sie hätten ebenso ein Recht auf Schulbildung, sagte er, das sei eine Frage der Menschenwürde. Deshalb ist es für ihn notwendig, dass Pflegepersonal auch in der Schule Pflegetätigkeiten durchführen kann. (Fortsetzung Nationalrat) jan


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