Parlamentskorrespondenz Nr. 1418 vom 10.12.2015

Nationalratsfinale: Anträge zu Ministeranklage und Hypo-U-Ausschuss

Aufhebung der Immunität von NEOS-Klubobmann Strolz

Wien (PK) – Erste Lesungen und die Aufhebung der Immunität von NEOS-Klubobmann Matthias Strolz bildeten die Schlusspunkte der heutigen Nationalratssitzung. Dabei wurde es noch einmal emotional, als die Opposition mit Vehemenz kritisierte, dass etwa die Heta im Untersuchungsausschuss keine Akten vorlegen muss. Die Opposition bezeichnete diesen Zustand als absurd. Auch die Debatte, die Ministeranklage zu einem Minderheitsrecht zu machen, gab Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen, wobei es zahlreiche Zwischenrufe gab und teilweise auch laut wurde, sodass Nationalratspräsidentin Doris Bures eingreifen und von den Abgeordneten eine dem Hohen Haus angepasste Wortwahl einfordern musste.

NEOS: Auch staatsnahe Unternehmen sollen U-Ausschuss Akten vorlegen

Als Konsequenz um Probleme mit der Aktenbeschaffung im Hypo-Untersuchungsausschuss verlangt Abgeordneter Rainer Hable seitens der NEOS in einem Antrag, alle staatsnahen Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, dazu zu verpflichten, parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Akten vorzulegen. Hable nannte die derzeitige Situation als einen "Schlag ins Gesicht des Parlaments", wenn der Untersuchungsausschuss von der Skandalbank Heta keine oder nur geschwärzte Akten bekommt.

   

Kai Jan Krainer von der SPÖ und Johannes Schmuckenschlager von der ÖVP zeigten zwar Verständnis für das Anliegen. Krainer meinte jedoch, dass man das Ende des Hypo-Untersuchungsausschusses abwarten sollte, um genau prüfen zu können, was an der neuen Verfahrensordnung verbessert werden kann. Schmuckenschlager übte in diesem Zusammenhang auch scharfe Kritik an der Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss, die gemeint hatte, der Untersuchungsausschuss sei nicht notwendig und die Abgeordneten sollten ihren Bericht und jenen des Rechnungshofs studieren.

Der Standpunkt der Koalition rief heftige Reaktionen seitens des Grün-Abgeordneten Werner Kogler und des FPÖ-Abgeordneten Gernot Darmann hervor. Darmann bezeichnete die Argumentation von Krainer und Schmuckenschlager als äußerst fragwürdig, zumal es Aufgabe der Abgeordneten ist, die Regierung zu kontrollieren. Darmann sprach sich auch dafür aus, jene Unternehmen zur Aktenvorlage zu verpflichten, in denen der Staat mit weniger als 50% beteiligt ist. In diesem Sinne möchte er auch das Interpellationsrecht ausdehnen. Der Antrag der NEOS sei "grundeinfach, grundvernünftig und grundrichtig", fasste Kogler seine Haltung zusammen. Die Forderung sei sofort umzusetzen. Worauf will man eigentlich warten, fragte er in Richtung Koalition. Die Initiative der NEOS wurde schließlich dem Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats zugewiesen.

FPÖ: Ministeranklage soll Minderheitsrecht werden

Der Verfassungsausschuss wird sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Ministeranklage zu einem Minderheitsrecht werden soll. Die FPÖ hat beantragt, dass die Zustimmung eines Viertels der Abgeordneten – 46 MandatarInnen – für eine Ministeranklage ausreichen soll. Klubobmann Heinz-Christian Strache sieht es als ein Manko, dass Minister derzeit nur dann wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) angeklagt werden können, wenn der Nationalrat es mit Mehrheit beschließt. Die Ministeranklage sei totes Recht und endlich mit Leben zu erfüllen, bekräftigte Gernot Darmann (F) die Forderung seiner Fraktion. Er erinnerte auch daran, dass der Präsident des Verfassungsgerichtshofs die geltende Gesetzeslage als demokratiepolitisches Problem erkannt habe. Sein Klubkollege Günther Kumpitsch sieht in der aktuellen Gesetzeslage das rechtsstaatliche Prinzip verletzt.

Dem konnten weder Peter Wittmann (S) noch Beatrix Karl (V) etwas abgewinnen. Wittmann bezeichnete den FPÖ-Vorstoß als puren Populismus. So habe sich etwa ein Antrag der FPÖ auf Ministeranklage auf eine Verwaltungsübertretung bezogen, und das sei absurd und nicht ernst zu nehmen, meinte der SPÖ-Verfassungssprecher. Auch Karl sieht keine Notwendigkeit, hier eine verfassungsrechtliche Änderung vorzunehmen. Sie befürchtete eine mögliche Verpolitisierung der Justiz und wies darauf hin, dass die Meinung des Verfassungsgerichtshofpräsidenten keineswegs der gängigen Meinung von VerfassungsjuristInnen entspreche.  

   

Die Argumente Wittmanns und Karls hätten der Diskussion keinen guten Dienst erwiesen, konterte Daniela Musiol seitens der Grünen, auch wenn sie einräumte, dass die bisherigen FPÖ-Anträge zur Ministeranklage wenig ernst zu nehmen waren. Hier gehe es aber darum, dass das Kontrollrecht in die Hände der Opposition gelegt wird, stellte Musiol klar und nannte dies eine demokratiepolitische Logik. Unterstützt wurde der freiheitliche Vorstoß auch von den NEOS, wobei Nikolaus Scherak meinte, über die Zahl der Unterstützungsunterschriften könne man noch diskutieren. In der Vergangenheit hätte es nur Ministeranklagen gegen Landeshauptleute gegeben, wenn diese nicht den Regierungsparteien angehört haben.   

Strolz wird ausgeliefert

Schließlich stimmten SPÖ, ÖVP, Grüne, NEOS und Team Stronach mehrheitlich zu, die Immunität von NEOS-Klubobmann Matthias Strolz nach einer Empfehlung des Immunitätsausschusses aufzuheben. Hintergrund ist eine Massen-SMS der Wiener NEOS am Tag der Wiener Gemeinderatswahl, die zur Teilnahme an der Wahl aufgefordert hat. Die Fernmeldebehörde hat ein Verwaltungsstrafverfahren wegen unerwünschter Massen-SMS eingeleitet. Da die Wiener Landespartei über keine Rechtspersönlichkeit verfügt und Strolz die Partei nach außen vertritt, hat das Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und das Burgenland beim Nationalrat die Aufhebung der Immunität des Bundesparteichefs beantragt. Die Mehrheit des Plenums befand, dass die inkriminierte Handlung nichts mit der Abgeordnetentätigkeit von Matthias Strolz zu tun hat.

Dieter Brosz bezeichnete die Auslieferung als eine Fortsetzung der bisherigen Immunitätspraxis und zeigte kein Verständnis dafür, dass die NEOS ursprünglich gegen die Aufhebung der Immunität gewesen sind. Brosz zufolge liegt hier ein klarer Fall für die Auslieferung vor, da es um eine Landtagswahl geht. Wollte man jede politische Aktion unter die Immunität stellen, dann käme das einer ungerechtfertigten Ausweitung gleich, so Brosz. Der Fall sei von Anfang an nicht so klar gewesen, entgegnete Nikolaus Scherak (N), denn mit den NEOS sei erstmals der Fall eingetreten, dass eine Gesamtpartei Rechtspersönlichkeit besitzt.

Bures: Ein schwieriges Jahr

Am Ende dieser letzten Sitzung vor Weihnachten, dankte Nationalratspräsidentin Doris Bures allen für die Arbeit in diesem Jahr. Der Nationalrat habe 113 Gesetzesbeschlüsse gefasst, darunter wichtige Reformen. Das Jahr sei ein sehr schwieriges gewesen, sagte Bures, der Nationalrat habe nach den Terroranschlägen auf Charlie Hebdo mit einer Sondersitzung begonnen und keiner habe ahnen können, welch schreckliche Terroranschläge noch folgen sollten. Erst kürzlich habe man in einer Gedenkveranstaltung der Terroropfer von Paris gedacht. IS-Terror und Krieg in Syrien bewegen alle, so Bures, und stellen die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen. (Schluss Nationalrat) jan