Parlamentskorrespondenz Nr. 24 vom 19.01.2016

Hundstorfer erwartet leichten Aufschwung am Arbeitsmarkt

Arbeitsmarktpolitik: Nicht alle im EU-Unterausschuss teilen Optimismus des Sozialministers

Wien (PK) - Den Spitzenplatz in puncto niedrigste Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union hat Österreich laut jüngsten Eurostat-Daten zwar verloren. Dennoch blickt Bundesminister Rudolf Hundstorfer mit "leichtem Optimismus" in das arbeitsmarktpolitische Jahr 2016. Im EU-Unterausschuss des Nationalrats sagte er, die Zahl an offenen Stellen steige, nicht zuletzt dank politischer Maßnahmen wie dem Wohnbaupaket oder der Digitalisierungsinitiative. Keine Freude hatte er mit dem erneuten Appell der FPÖ, den steigenden Arbeitslosenzahlen mit sektoralen Schließungen des heimischen Arbeitsmarkts gegenüber AusländerInnen inklusive EU-BürgerInnen beizukommen: "Das gemeinsame Europa hat seine Spielregeln". Zigtausende österreichische ArbeitnehmerInnen im EU-Ausland und die heimische Exportwirtschaft würden die ersten Leidtragenden einer "Balken-runter"-Aktion sein, so der Noch-Sozialminister, der als SPÖ-Kandidat bei der kommenden Bundespräsidentenwahl antritt und somit zum letzten Mal das Sozialressort im Ausschuss vertrat. Grundlage für die Diskussion der österreichischen Arbeitsmarktsituation bot ein Vorschlag der Europäischen Kommission, wie Langzeitarbeitslose besser in den Arbeitsmarkt reintegriert werden.

EU-Kommission will gemeinsamen Kraftakt gegen Arbeitslosigkeit

Mit einem EU-Rahmenplan die Registrierung von Arbeitslosen bei den öffentlichen Arbeitsmarktverwaltungen der Mitgliedsstaaten verbessern und den Anteil von Langzeitarbeitslosen bei Wiedereingliederungsmaßnahmen erhöhen: Das ist die Absicht des Kommissionsvorschlags für eine Empfehlung des Europäischen Rats. Gewicht gelegt wird dabei auf die individualisierte und kontinuierliche Betreuung der Arbeitssuchenden. Beispielsweise soll es spätestens nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit eine gründliche personenbezogene Bestandsaufnahme für alle gemeldeten Langzeitarbeitslose geben, um deren Bedürfnisse und Potenziale zu ermitteln. In einer sogenannten Wiedereinstiegsvereinbarung seien dann explizite Ziele und von den langzeitarbeitslosen Personen zu erfüllende Pflichten festzuhalten – etwa aktive Arbeitssuche oder Annahme eines geeigneten Stellenangebots. Die Pflichten des Dienstleisters gegenüber der oder dem Arbeitslosen müssten ebenso in der Vereinbarung aufscheinen.

Die Zusammenarbeit von öffentlichen Arbeitsverwaltungen, Sozialämtern und Kommunen möchte die Kommission bei einer zentralen Anlaufstelle gebündelt sehen, um arbeitslosen Personen einfacheren Zugang zu den angebotenen Leistungen zu geben. Durch die verbesserte Koordinierung der verschiedenen Stellen sollen die Verfahren zur Arbeitsplatzbeschaffung effektiver werden. Zur Finanzierung der Maßnahmen kündigt die Kommission an, Mittel aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds bereitzustellen. Konkret genannt wird hierzu der Europäische Sozialfonds (ESF). Bewerten soll die Leistungen der nationalen Arbeitsmarktbehörden der Beschäftigungsausschuss der EU, von dem auch der grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch in diesem Bereich gefördert wird. Der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge sind derzeit EU-weit 73% der Langzeitarbeitslosen bei den öffentlichen Arbeitsverwaltungen registriert, nur etwa 24% erhalten Arbeitslosengeld und an aktivierender Arbeitsmarktpolitik beteiligen sich von ihnen EU-weit 20%.

Außerdem will die EU-Kommission die Arbeitgeberseite enger in den Wiedereingliederungsprozess Langzeitarbeitsloser einbinden. Die dafür notwendigen Impulse könnten aus der Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern kommen, heißt es im Kommissionspapier. Zur vermehrten Motivation von Unternehmen, neue ArbeitnehmerInnen einzustellen, schlug im Ausschuss ÖVP-Mandatarin Beatrix Karl vor, das ihr zufolge hochkomplexe Arbeits- und Sozialrecht zu vereinfachen. So nannte sie Regelungen im Sozialversicherungsrecht, im Arbeitszeitgesetz sowie beim ArbeitnehmerInnenschutz als Bereiche, die zum besseren Verständnis für UnternehmerInnen dringend zu überarbeiten seien.

Ursachensuche für Anstieg der Arbeitslosigkeit in der EU

Obwohl er den von EU-Seite vorgeschlagenen Maßnahmenmix mit Punkten wie überregionalem Erfahrungsaustausch durchaus begrüßte, äußerte sich Sozialminister Hundstorfer doch kritisch zum Ansinnen, erst nach eineinhalb Jahren arbeitslosen Personen mit aktivierenden Maßnahmen unter die Arme zu greifen. Hierzulande setze man schon viel früher an, da sonst eine "Verfestigung" in der Arbeitslosigkeit drohe. Gegen die von der EU vorgeschlagene 18-Monate-Frist bis zur Betreuung Langzeitarbeitsloser sprach sich wie der Minister auch Christine Muttonen (S) aus, die überdies von der EU "Obergrenzen" bei den Arbeitslosenzahlen forderte. Zu den Initiativen, die sich daraus ergeben müssten, gehörten auch finanzielle Spielräume für Investitionen der Mitgliedsstaaten, denn die wachsende Zahl langzeitarbeitsloser Personen in Europa sei nicht nur eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch für den sozialen Frieden sowie die Demokratie an sich.

"Mehr Geld im Kampf gegen Arbeitslosigkeit in die Hand zu nehmen, zahlt sich aus", bekräftigte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch, stieß mit dieser Aussage aber auf harsche Kritik bei den NEOS. Erneutes "Schuldenmachen" wies Gerald Loacker (N) mit Hinweis auf die bereits bestehende hohe Verschuldung im EU-Raum zurück. Generell meinte der NEOS-Sozialsprecher, strukturell bedingte Qualifikationsdefizite, wie unzeitgemäße Aus- bzw. Umbildungsmaßnahmen, trügen weit eher zum Anstieg der Arbeitslosigkeit bei, als Konjunkturprobleme. Für die Grünen ist die nationale Arbeitsmarktpolitik schon längst an ihre Grenzen gestoßen. Birgit Schatz (G) etwa bedauerte ausdrücklich, dass eine gemeinsame Europäische Arbeitsmarktpolitik bis dato fehlt und kritisierte heimische Sozialrechtsbestimmungen wie die vorgeschriebene Anrechnung des Partnereinkommens an die Notstandshilfe. Der Budgetsprecher ihrer Fraktion, Bruno Rossmann, sieht die EU vor allem im Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung gefordert.

FPÖ und Team Stronach: Arbeitsmarktzugang für EU-BürgerInnen beschränken

Im Rückblick auf das Vorjahr räumte Minister Hundstorfer ein, die Situation am heimischen Arbeitsmarkt sei "sehr angespannt" gewesen, aber nicht nur aufgrund des schwachen internationalen Wirtschaftswachstums. Durch Änderungen im Pensionsrecht steige das Pensionsantrittsalter, eine höhere Beteiligung von Frauen im Erwerbsleben sei zu verzeichnen und natürlich bedeute das Leben im gemeinsamen Europa auch einen Anstieg bei EU-BürgerInnen am Arbeitsmarkt, mit deutschen ArbeitnehmerInnen als größter Gruppe, betonte er in Richtung FPÖ. Johannes Hübner (F) nannte unbeeindruckt die "massive Zuwanderung" aus anderen EU-Ländern gemeinsam mit der Flüchtlingsintegration in den heimischen Arbeitsmarkt als Hauptursache für den Mangel an Arbeitsplätzen. "Wieso weigern sich offizielle Stellen, die wahren Gründe für die Arbeitslosigkeit auf den Tisch zu legen?", beantwortete der FPÖ-Außenpolitiksprecher seine rhetorische Frage selbst mit einem Antrag auf Stellungnahme, mitgetragen von seinen FraktionskollegInnen Reinhard Eugen Bösch, Barbara Rosenkranz und Wendelin Mölzer. Die Freiheitlichen verlangen von der Bundesregierung, auf Europäischer Ebene eine nationalstaatliche Schließung von sensiblen Bereichen des Arbeitsmarkts gegenüber BürgerInnen anderer EU-Staaten zu veranlassen. Bald werde Österreich eine halbe Million an Arbeitslosen haben, erklärte Rosenkranz die geforderten Beschränkungen beim Arbeitsmarktzugang. Es gebe eben viel mehr Arbeitssuchende als Arbeitsplätze, exportorientierte Unternehmen würden, entgegen Hundstorfers Aussage, keineswegs darunter leiden. Dem FPÖ-Antrag stimmte neben den freiheitlichen MandatarInnen jedoch nur Waltraud Dietrich (T) zu, der vor allem die Zuwanderung schlecht ausgebildeter MigrantInnen zu denken gibt.

Speziell auf die aktuellen Flüchtlingsbewegungen eingehend, unterstrich wiederum Josef Cap (S), die menschenrechtliche Entscheidung, Asylsuchende aufzunehmen, sei nicht mit der Arbeitsmarktpolitik zu vermischen. Zur Eindämmung der Flüchtlingsströme müssten vielmehr die Ursachen für Wanderbewegungen, wie klimatische und wirtschaftlich bedingte Probleme behoben werden. Hundstorfer erwartet etwa 30.000 Jobsuchende unter den Flüchtlingen, die letztes Jahr nach Österreich gekommen sind – einer Herausforderung, die zu bewältigen sei. Von den 90.000 AsylwerberInnen würde nämlich die Hälfte keinen Asylstatus erhalten und des Landes verwiesen, der Rest seien Minderjährige. Bei den Migrationsbewegungen innerhalb der EU verspricht sich Hundstorfer eine Entspannung der Lage durch ein gesamteuropäisches Wirtschaftswachstum. Josef Muchitsch erinnerte schließlich, auch wenn einige Branchen wie die Bauwirtschaft nach dem EU-Beitritt Österreichs zusätzliche Konkurrenz erhalten hätten, habe sich die Mitgliedschaft in der Union für die exportabhängige Republik insgesamt gelohnt.

EU-weit durchschnittlich 50% der Arbeitslosen über ein Jahr ohne Job

Die Erklärung für den Kommissionsvorschlag zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit fußt auf Daten aus den vergangenen Jahren. Demnach hat sich trotz der wirtschaftlichen Erholung und der Anzeichen für eine Verbesserung auf dem EU-Arbeitsmarkt die Zahl der Langzeitarbeitslosen in der EU zwischen 2008 und 2014 verdoppelt, von 2,6% auf 5,1% oder 12,1 Mio. Menschen. Das ist der EU-Kommission zufolge etwa die Hälfte aller Arbeitslosen, wobei der Anteil jener, die innerhalb des zweiten Jahres der Arbeitslosigkeit wieder einen Job finden, im Unionsraum stark schwankt - von 11% in Griechenland bis zu 46% in Dänemark beziehungsweise 44% in Österreich. Hierzulande stellt sich die Datenlage laut Sozialministerium überhaupt weniger dramatisch dar. Der Anteil von Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet sind, sei im Zeitraum 2008 bis 2014 von 1% auf 1,5% gestiegen.

Der alarmierten Bemerkung von Franz Leonhard Eßl (V), 2015 habe sich die Langzeitarbeitslosenquote in Österreich verdreifacht, hielt Sozialminister Hundstorfer entgegen, trotzdem befinde sich das Land im EU-Vergleich mit der viertniedrigsten Zahl weiterhin an der Spitze. Als Grund für die Erhöhung bezeichnete der Minister die vom Nationalrat eingeforderte Umstellung bei den Schulungsaktivitäten. Die Qualität der Ausbildungen ist für Hundstorfer grundsätzlich ausschlaggebend dafür, wie lange jemand in der Arbeitslosigkeit verbleibt, habe doch der Großteil langzeitarbeitsloser Personen lediglich einen Pflichtschulabschluss. Die Zweifel von Angelika Winzig (V), ob die derzeitigen Zusatzleistungen für geringbeschäftigte Arbeitslose tatsächlich ausreichend finanziellen Anreiz für einen Wiedereinstig in den Arbeitsmarkt bieten, ließ der Bundesminister ebenfalls nicht unkommentiert stehen. 800 bis 900 € an Arbeitslosegeld würden nur 26 Tage lang ausbezahlt, bevor die geringere Notstandshilfe einsetze, und Missbrauch werde natürlich sanktioniert. Die durchschnittliche Bezugsdauer von Bedarfsorientierter Mindestsicherung bezifferte Hundstorfer mit 9,2 Monaten. Zum Verdacht von Team Stronach-Abgeordneter Dietrich, häufig werde Langzeitarbeitslosigkeit vererbt, sodass Jugendliche nie am regulären Arbeitsmarkt Fuß fassen könnten, meinte Hundstorfer, die Zahl derer, die tatsächlich den Berufseinstieg scheuen, sei verschwindend. (Schluss EU-Unterausschuss) rei