Parlamentskorrespondenz Nr. 80 vom 02.02.2016

Migrations- und Sicherheitsfragen im Fokus der EU

Vorschau des Innenministeriums auf geplante EU-Maßnahmen des Jahres 2016

Wien (PK) – Sicherheit und Migration bleiben auch 2016 beherrschende Themen der EU, was durch die zahlreichen geplanten Maßnahmen in diesen Bereichen unterstrich wird. Aufgelistet werden dieser in der Jahresvorschau über das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2016, vorgelegt vom Innenministerium (III-232 d.B. und III-574-BR/2016 d.B. ).

Zu den neuen Initiativen der Kommission gehören legislative und nichtlegislative Maßnahmen, um die europäische Sicherheitsagenda umzusetzen, zu der eine Mitteilung im Mai 2015 vorgelegt wurde. Die Richtlinienvorschläge, etwa zur Terrorismusbekämpfung und zu Feuerwaffen, werden auf Expertenebene behandelt. Zur Bewältigung der anhaltenden Flüchtlingskrise und des Migrationsdrucks an den Außengrenzen arbeitet die Kommission weiter an der Migrationsagenda, die im Vorjahr vorgestellt wurde.

Für den gemeinsamen niederländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitz haben diese drei Staaten am 11 Dezember 2015 für den Zeitraum vom Jänner 2016 bis Juni 2017 ein gemeinsames Achtzehnmonatsprogramm vorgelegt. Zu den legislativen Maßnahmen der Migrationsagenda gehören die Überprüfung der "Blue-Card" Richtlinie, die Evaluierung und gegebenenfalls Änderung der Dublin-Verordnung sowie Beratungen über einen EU-Umsiedlungsmechanismus. Im Rahmen der "Europäischen Sicherheitsagenda" liegen die Schwerpunkte auf der Umsetzung der EU-Strategie der inneren Sicherheit 2015-2020 sowie auf einer erneuerten EU-Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Europäische Agentur für Grenz- und Küstenschutz soll Frontex ablösen

Am 15. Dezember 2015 hat die Kommission ein Maßnahmenpaket zum Management der EU-Außengrenzen und zum Schutz des Schengen-Raums vorgelegt. Österreich begrüßt die vorgelegten Vorschläge und wird sich an den Verhandlungen aktiv einbringen, um einen möglichst zeitnahen Abschluss zu garantieren und zur effektiven Steuerung eines besseren Außengrenzmanagements beizutragen.

Das Paket umfasst einerseits einen Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes, um ein starkes und gemeinsames Management der Außengrenzen der Europäischen Union zu gewährleisten. Der europäische Grenz- und Küstenschutz soll sich aus einer (aus der Agentur Frontex hervorgehenden) Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenschutz und den für das Grenzmanagement zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammensetzen, die das laufende Management der Außengrenzen durchführen. Ein überarbeiteter Richtlinienvorschlag seitens der Kommission ist für März 2016 vorgesehen.

Andererseits wurde von der Kommission zur Erhöhung der Sicherheit im Schengen-Raum eine Änderung des Schengener Grenzkodex vorgeschlagen, um systematische Kontrollen von EU-Bürgerinnen und Bürgern an den Land-, See- und Luftaußengrenzen einzuführen. Diese Kontrollen sollen mit Hilfe von Datenbanken wie dem Schengener Informationssystem, der Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente und einschlägigen nationalen Systemen erfolgen. Neben dem Maßnahmenpaket gab die Kommission eine Empfehlung zur Annahme des Praxishandbuchs für die Anwendung und Verwaltung des Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR-Handbuch) sowie ihren achten Halbjahresbericht zum Funktionieren des Schengen-Raums heraus.

EU-Ratsvorsitz: Priorität für intelligentes Grenzmanagement...

Mehrere Legislativmaßnahmen sind im Paket zum intelligenten Grenzmanagement zusammengefasst. Zum Grenzmanagement gehören auch die geplante Verstärkung des Mandats von Frontex. In weiterer Folge geht es um die Einrichtung eines europäischen Grenz- und Küstenschutzsystems sowie um Maßnahmen zur Effizienz des Schengen-Raums, um ein Einreise- und Ausreisesystem und ein Registrierungsprogramm für Reisende. Das geplante technische Großsystem zum "Intelligenten Grenzmanagement" soll den Grenzschutz der Europäischen Union ins 21. Jahrhundert führen und werde daher die Arbeit der kommenden Präsidentschaften im Bereich Grenzen dominieren, heißt es dazu im Bericht des Innenminsteriums.

"Intelligente" Grenzen bedeutet die Einführung eines EES (Entry-Exit System)sowie eines RTP (Registered Traveller Programme). Das soll zum einen die irreguläre Migration stärker unterbinden, gleichzeitig soll vereinfachtes Reisen für bona fide-Reisende ermöglicht werden. Bis zuletzt waren der Großteil irregulärerer Migranten in der EU nicht Personen, die die Grenzen irregulär überschritten haben, sondern sogenannte "Overstayer". Dabei handelt es sich um Personen, die rechtmäßig in die EU einreisen, dann aber über ihren Aufenthaltstitel hinaus auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten bleiben. Diese Personen sollen künftig mittels EES besser ermittelt werden können, da ihre Daten beim Grenzübertritt zentral gespeichert werden.

Auf Grund der inhaltlichen Differenzen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission zum Paket wurde 2015 die Durchführung eines Pilotprojektes vereinbart. Auf Grundlage der Ergebnisse des Pilotprojektes sowie der Diskussionen des Rates zu Einzelfragen des Vorschlags, wie etwa des Zugangs der Strafverfolgungsbehörden zum Schengener Informationssystem (SIS) oder organisatorischer Aspekte des RTP, wird die Kommission überarbeitete bzw. neue Legislativvorschläge präsentieren. Damit sei voraussichtlich im März 2016 zu rechnen, teilt die Innenministerin mit.

Wie der Jahresvorschau zu entnehmen ist, unterstützt Österreich diese Entwicklungen grundsätzlich, bleibt aber aufgrund der Erfahrungen mit anderen IT-Großsystemen (z.B. Schengener Informationssystem der zweiten Generation, Visainformationssystem) in Hinblick auf technische Realisierbarkeit und hoher Kosten vorsichtig skeptisch. Den überarbeiteten bzw. neuen Legislativvorschlägen werde daher mit Interesse entgegengesehen, heißt es im Bericht.

... sowie gemeinsames Asylsystem

Auch die Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems, einschließlich der Verordnung über den internationalen Schutz unbegleiteter Minderjähriger stellt eine zentrale Herausforderung dieses Jahres dar. Eine der Prioritäten des derzeitigen Vorsitzes, der die Evaluierung bzw. Neugestaltung des Dublin Systems vorantreiben will, ist die Überarbeitung von Art. 8 der Dublin-Verordnung zum Schutz von unbegleiteten Minderjährigen. Die Verhandlungen dazu konnten bis dato nicht abgeschlossen werden. Die Beratungen über eine gemeinsame EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten und eine entsprechende Änderung der Asylverfahren-Richtlinie stellen ein weiteres prioritäres Anliegen des Vorsitzes dar.

Die Rechtsakte zum "Gemeinsamen Europäischen Asylsystem" sind mittlerweile in Kraft getreten und die tatsächliche Umsetzung wird von der Kommission überwacht und evaluiert. Österreich erachte die vollständige Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten als zentrale Voraussetzung, um Sekundärmigration zwischen den Staaten zu vermeiden und eine faire Aufteilung der Verantwortung zwischen allen sicherzustellen, hält die Jahresvorschau fest. Hierbei sei auch die Kommission als Hüterin der Verträge gefordert, um einerseits in allen Mitgliedstaaten würdige Aufnahmebedingungen und faire Asylverfahren zu garantieren, andererseits die lückenlose Registrierung von AntragstellerInnen sicherzustellen.

Zu den Projekten, die der Rat vorantreiben wird, gehören unter anderem Visaerleichterungs- und Liberalisierungsabkommen mit einer Reihe von Staaten Ost- und Südosteuropas und der Schwarzmeerregion, die Frage der Erweiterung des Schengen-Raums um Bulgarien, Rumänien und Kroatien und die Richtlinie über Fluggastdatensätze. (Schluss) sox