Parlamentskorrespondenz Nr. 150 vom 24.02.2016

Sicherheitspolitischer Schlagabtausch im Nationalrat zur Bildungsdebatte

Antrag der FPÖ zu Selbstverteidigungskursen im Turnunterricht abgelehnt

Wien (PK) – Auf wenig Sympathie stieß in der heutigen Sitzung des Nationalrats der Vorschlag der FPÖ, kostenlose Selbstverteidigungskurse im schulischen Turnunterricht anzubieten. Unterstützt wurde die Initiative nur vom Team Stronach. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz wirft in dem gegenständlichen Antrag der Regierung vor, sie schütze die Bevölkerung nicht vor sexuellen Übergriffen durch Personen aus anderen Kulturkreisen. Deshalb sei es notwendig, gerade Kindern als besonders gefährdeter Gruppe altersadäquat zu lehren, sich zur Wehr zu setzen. Im Unterrichtsausschuss war den Freiheitlichen vor allem seitens der SPÖ und der Grünen "anlassbezogene Hetze" und "Feindbildpflege" vorgeworfen worden. Deshalb legte Petra Steger (F) die Forderung im Plenum als unselbständigen Antrag ohne die kritisierten Passagen noch einmal vor. Aber auch dieser Vorstoß blieb in der Minderheit.

SPÖ, ÖVP und Grüne werfen FPÖ Hetze vor

Die Redner der SPÖ, der ÖVP und der Grünen wiederholten in der Debatte die Anschuldigung, der FPÖ-Antrag sei ausländerfeindlich motiviert und richte sich nur Asylwerber und Menschen mit Migrationshintergrund. Markus Vogl (S) und Asdin El Habbassi (V) beschuldigten die Freiheitlichen, sie schürten Ängste. Man könne das Gewaltproblem nicht an einer Bevölkerungsgruppe festmachen, sondern Gewalt passiere zum Großteil in der Familie und im Bekanntenkreis, sagte Vogl. Jeder Übergriff müsse hart geahndet werden, so Habbassi. Angelika Winzig (V) bezeichnete den freiheitlichen Antrag als "Ausländer-Bashing", Harald Walser von den Grünen wiederum sprach in diesem Zusammenhang von rein rassistischen Motiven der freiheitlichen Fraktion.

FPÖ: Freiheitliche wollen Bevölkerung schützen

Mit Vehemenz wehrte sich Petra Steger (F) gegen den Rassismus-Vorwurf anderer Fraktionen. Damit setze man sich über Ängste und Sorgen der Menschen hinweg, warf sie vor allem SPÖ und Grünen vor, Probleme würden geleugnet und schön geredet. Die FPÖ wolle die Bevölkerung nicht manipulieren, sondern schützen. In Zeiten steigender Gewalt sei es daher wichtig, Kindern beizubringen, wie man mit solchen schwierigen Situationen umgeht. Das Angebot von Selbstverteidigungskursen im Turnunterricht stellt den Freiheitlichen zufolge eine einfache und zielführende Sofortmaßnahme dar, die allen zur Verfügung stehe. Es sei nicht einzusehen, dass Eltern zu teuren privaten Selbstverteidigungskursen greifen müssen, eine solche Schulung dürfe nicht davon abhängen, ob man sich das leisten könne oder nicht, betonte Steger.

Grüne: Gewaltproblem ist umfassender zu begegnen

Sigrid Maurer und Harald Walser (beide G) unterstrichen, dass 80% der Täter im Familien- und Bekanntenkreis zu finden seien. Mit diesem Problem müsse man sich sachlich auseinandersetzen und entsprechend reagieren, forderte Walser. Maurer legte in diesem Sinne einen Entschließungsantrag ihrer Klubkollegin Aygül Berivan Aslan vor, in dem die Grünen darauf hinweisen, dass Gewalt und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder ein gesellschaftliches Problem darstelle, das in den westlichen Gesellschaftssystemen immanent und nicht erst durch die vermehrte Zuwanderung von MigrantInnen und Flüchtlingen zu einem Problem in Österreich geworden sei. Es bedürfe daher eines Maßnahmenpakets, um Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen. Die Grünen fordern daher die Bundesregierung auf, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu fördern und die finanziellen Ressourcen der Gewaltschutzeinrichtungen zu erhöhen. Außerdem sollen die Möglichkeiten zur gerichtsverwertbaren Beweissicherung für Opfer verbessert und das Recht auf Gewaltschutz von Asylwerberinnen gemäß Istanbul-Konvention umfassend sichergestellt werden. Der Antrag wurde von den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP mehrheitlich abgelehnt, die Opposition stand voll dahinter.

Die Grünen wollten zudem der FPÖ die Sorge um die Frauen nicht abnehmen und erinnerten daran, dass sich die FPÖ immer wieder gegen den Ausbau der Frauenhäuser ausgesprochen hat und vehement gegen den sogenannten "Po-Grapsch-Paragraphen" eingetreten ist.

FPÖ und Team Stronach: Staat muss Sicherheit der Bürgerinnen gewährleisten

Walter Rosenkranz (F) räumte ein, dass auch die Familie ein Ort der Übergriffe sei, es gehe aber nicht nur um Frauen, sondern um jedes Opfer jedes Geschlechts, wie er unterstrich. Sein Klubkollege Wendelin Mölzer warf zudem ein, dass die "Völkerwanderung" das Gewaltproblem verschärfe, keineswegs aber mache die FPÖ nur eine Personengruppe für die Gewalt verantwortlich, verteidigte er die Position seiner Partei. Die freiheitliche Initiative sei auch darin begründet, dass die Staatsgewalt nicht mehr in der Lage sei, die Sicherheit zu gewährleisten.

Dieses Argument strich auch Robert Luger vom Team Stronach heraus, um seine Unterstützung des FPÖ-Antrags zu begründen. Das Recht auf Unversehrtheit sei ein Menschenrecht, betonte er, und es stelle sich die Frage, wofür man Steuer zahle, wenn der Staat dieses Menschenrecht nicht mehr schützen könne. Es könne nicht sein, dass die Verantwortung dafür den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern überlassen bleibt. Er halte daher die Forderung nach Selbstverteidigungskursen in der Schule für sinnvoll. Im Grunde genommen, sei es aber Aufgabe des Staates, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.

Für die freiheitliche Initiative sprachen sich auch die fraktionslosen Abgeordneten Gerhard Schmid und Rupert Doppler aus. Die Übergriffe auf Kinder, Jugendliche und Frauen hätten mit der zügellosen Zuwanderung zugenommen, sagte Doppler, und dagegen müsse man etwas unternehmen. Selbstverteidigungskurse seien ein Beitrag zum Selbstschutz meinte Schmid, er würde diese aber in erster Linie Mädchen und Frauen anbieten.

Nicht alles an die Schulen delegieren

Die Ablehnung des FPÖ-Antrags begründeten SPÖ, ÖVP und Grüne auch mit dem Hinweis, dass die Schulen bereits jetzt im Rahmen ihrer Autonomie Selbstverteidigungskurse anbieten und auch viele Turnvereine ein kostengünstiges Training zur Verfügung stellen. Man könne auch nicht alles den Schulen umhängen, ergänzten Angelika Winzig und Asdin El Habbassi (beide V).

Heinisch-Hosek warnt vor Polarisierung

Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek warnte vor Polarisierung und Schwarz-Weiß-Malerei. Viele engagierte PädagogInnen und Vereine würden solche Selbstverteidigungskurse im Rahmen der Bewegungs- und Sporteinheiten anbieten, informierte sie. Was den Kampf gegen Gewalt an Frauen betrifft – über 90% der Gewaltopfer sind weiblich - so werde viel unternommen, bemerkte Heinisch-Hosek. Dennoch steigen die Opferzahlen, aber nicht erst jetzt, wie sie hinzufügte. Die Ministerin erinnerte in diesem Zusammenhang an das Gewaltschutzgesetz, das bald 20 Jahre alt ist, an die Ausweitung der Straftatbestände hinsichtlich unerwünschter Berührungen, an die große Kampagne "GewaltFREI LEBEN" und an die Frauen-Helpline gegen Gewalt. Auch an den Kindergärten und Schulen gebe es zahlreiche Konfliktlösungsprojekte, so Heinisch-Hosek. (Fortsetzung Nationalrat) jan