Parlamentskorrespondenz Nr. 198 vom 02.03.2016

Wirtschaftsausschuss diskutiert EU-Jahresvorschau

Mahrer - Österreich wird von TTIP profitieren

Wien (PK) – Wachstum und Beschäftigung sowie eine Strategie für einen digitalen Binnenmarkt sind die Ziele, an denen die Europäische Union 2016 ihre Wirtschaftspolitik ausrichten wird. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) zu. Für Österreich steht die Weiterentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts im Vordergrund, führte Staatssekretär Harald Mahrer zur EU-Jahresvorschau 2016 für den Bereich Wirtschaft im heutigen Wirtschaftsausschuss aus (III-237 d.B.). Offen zeigt sich das Wirtschaftsressort auch für die derzeit von der Union verhandelten Freihandelsabkommen, sofern die Verträge auf Fairness und Transparenz basieren und die Standards der Verhandlungspartner respektieren.  

Juncker-Investitionsplan – Österreich meldet 24 Projekte an

Gezielte Investitionen sollen Stabilität und Wachstum bringen. Im Zentrum der europäischen Wirtschaftspolitik steht der Europäische Fonds für strategische Investitionen, der mit einer Ausstattung von 21 Mrd. € in drei Jahren 315 Mrd. € an öffentlichen und privaten Investitionen auslösen soll. Österreich sieht den Juncker-Plan als Signal, das Vertrauen der Unternehmen und Investoren wieder herzustellen, führte Staatssekretär Harald Mahrer aus. Im Sinn des EU-Vorhabens hat Österreich auf nationaler Ebene bereits insgesamt 24 Projekte vorwiegend aus den Bereichen Verkehr, Energie, Forschungsinfrastruktur, Breitband, Hochwasser- und Lawinenschutz mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 35 Mrd. € angemeldet, diese befinden sich derzeit in Prüfung. Insbesondere in Richtung der KMU tritt Österreich für Lockerungen ein.

Kritisch stand Bernhard Themessl (F) den Investitionen in große Infrastrukturprojekte gegenüber, denn Klein- und Mittelunternehmen (KMU) spielen in Österreichs Wirtschaft eine wesentliche Rolle, der Juncker-Plan behandle sie jedoch "stiefmütterlich ". KMU sollten stärker unterstützt und Kreditklemmen beseitigt werden, forderte er. Es handle sich dabei um eine komplexe Thematik stimmte Staatssekretär Harald Mahrer zu, insbesondere unterschiedliche Ausgangslagen in den einzelnen Sektoren erschweren die Verfahren zur Vergabe von Krediten. Das Vorliegen von Kreditklemmen begründete Mahrer mit den für Banken vorgeschriebenen Eigenmittelquoten, die Kreditvergaben behindern. Es gebe bereits alternative Finanzierungsinstrumente, beispielsweise das Crowdfunding, dennoch seien weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen, so Mahrer. Auch Christiane Brunner (G) zeigte sich aufgrund der geplanten Großinvestitionen besorgt und trat gegen die "Einbetonierung fossiler Infrastruktur" ein.

Dienstleistungspass soll grenzüberschreitende Dienstleistungen erleichtern

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der wirtschaftlichen Wandels, sollen die Potentiale des Binnenmarkts besser ausgeschöpft werden. Großes Augenmerk legt Österreich dabei auf den Dienstleistungssektor, unterstrich Mahrer. Diesbezüglich erarbeite die Europäische Kommission Vorschläge für einen Dienstleistungs-Pass, der zu administrativen Erleichterungen führen soll. Die Vertiefung des Binnenmarkts war auch Matthias Köchl (G) ein wichtiges Anliegen, für ihn stehen jedoch die aktuellen Grenzkontrollen im Widerspruch dazu.

Die meisten neuen Jobs gebe es in Österreich auf dem Sektor der Informations- und Kommunikationstechnik, wies Mahrer auf den hohen potentiellen Nutzen der Verwirklichung des digitalen Binnenmarktes (Digital Single Market – DSM) hin. Ein sicherer Rechtsrahmen stellt dafür jedoch eine notwendige Voraussetzung dar. Im Zuge der Better-Regulation-Strategie tritt Österreich für Entlastungen der Unternehmen bei der Administration ein. Österreich habe bereits die Initiative ergriffen und ein Wettbewerbstool entwickelt, dieses wird das Wirtschaftsministerium den Abgeordneten in den nächsten Wochen präsentieren.

Die aktuelle geopolitische Situation begünstige die Nachbarschaftspolitik mit der Türkei nicht, musste Staatssekretär Harald Mahrer Abgeordnetem Christoph Hagen (T) beipflichten, der sich gegen Beitrittsverhandlungen aussprach.

Industrieabwanderung wegen hoher CO2-Kosten vermeiden

Neben der Vertiefung des Binnenmarkts wird 2016 die Energieunion breiten Raum einnehmen. Staatssekretär Mahrer hob diesbezüglich diedeutsch-österreichische Strompreiszone als Best-Practice-Beispiel für einen gelebten Energiebinnenmarkt hervor. Die österreichische Bundesregierung setzt sich bei der Erreichung der 2030-Ziele ausdrücklich dafür ein, dass alle EU-Staaten einen angemessenen Beitrag erbringen. Das Emissionshandelssystem nach 2020 soll jedenfalls so gestaltet werden, dass eine drohende Abwanderung der Industrie aufgrund erhöhter CO2-Kosten vermieden wird, hielt Mahrer fest. Positiv steht Österreich auch dem Umstieg auf erneuerbare Energie entgegen. Eindringlich warnte Josef Schellhorn (N) vor einer Teilung der gemeinsamen Preiszone mit Deutschland und appellierte für eine klare Positionierung Österreichs. Grundsätzlich sah Christiane Brunner (G) die Umsetzung einer Energieunion als "höchst sinnvoll" an, konnte aber der jetzigen Ausgestaltung aufgrund des geringen Anteils an erneuerbarer Energie wenig abgewinnen.

Stahlindustrie – Kritik an Chinas Handelspraktiken

Zur Sprache brachte der Staatssekretär auch die chinesische Überproduktion an Stahl. Zu diesem Thema werde es unter der niederländischen Ratspräsidentschaft eine Sonderministerrats-Sitzung geben. Mahrer informierte die Abgeordneten darüber, dass auf europäischer Ebene Einigkeit bezüglich kurzer Antidumping-Verfahren bestehe. Er setze sich dafür ein, dass die Europäische Kommission Schutzmaßnahmen trifft. Handlungsbedarf ortete auch Wolfgang Katzian (S), der für die Anwendung eines höheren Zolls eintrat und schwierige Entwicklungen in anderen Sektoren befürchtet. Seitens der Grünen schloss sich Birgit Schatz den Forderungen der SPÖ an, sprach jedoch auch Sektoren mit hohem Frauenanteil, beispielsweise die Bekleidungsindustrie, große Bedeutung zu.

EU hält TTIP-Abschluss im Frühjahr 2017 für möglich

Die Schlussverhandlungen über das Transatlantische Handelsabkommen TTIP könnten, Mahrer zufolge, im Herbst 2016 beginnen, im Frühling 2017 könnte es zu einem Abschluss kommen. In weiten Bereichen soll der Vertragstext bis im Sommer fertiggestellt werden. Es liegen jedoch eine Vielzahl an Partikularinteressen vor, weshalb Mahrer mit "heißen Debatten" rechnet. Fest steht für das Wirtschaftsministerium ebenso wie für Angelika Winzig (V), dass Österreich von TTIP profitieren wird. Das Endergebnis der Verhandlungen werde jedenfalls vom österreichischen Parlament, das die österreichische Bevölkerung repräsentiere, zu bewerten sein, hielt Staatssekretär Harald Mahrer Abgeordnetem Christoph Hagen (T) entgegen, der zuvor eine diesbezügliche Volksbefragung forderte. Auch Axel Kassegger (F) hatte gegenüber TTIP eine "sehr kritische Meinung" und bekundete Sorge vor Wettbewerbsnachteilen für Österreich.

Skurril fand Ruperta Lichtenecker (G) die mit dem eingerichteten Aktenraum verbundenen Verschwiegenheitsvorschriften, die jeder Transparenz entgegenstünden. Auch für Fraktionskollegin Birgit Schatz mangelte es an Transparenz. Aufgrund des komplexen englischsprachigen Vertragswerks erkannte Axel Kassegger (F) ungleiche Chancen bei der Vertragserstellung. Staatssekretär Mahrer räumte Verbesserungspotentiale ein, begrüßte jedoch die Möglichkeit Einblick in die Vertragstexte zu nehmen. Auf Bitte von Hannes Weninger (S) versprach Mahrer Vergleiche zu anderen Mitgliedstaaten einzuholen. Christiane Brunner (G) nannte die Verhandlungen über den Klimaschutz als positives Beispiel für transparente Vertragsverhandlungen. Gerhard Deimek (F) forderte aufgrund des einseitigen Vertrags klare Worte der Europäischen Kommission gegenüber den USA. Zentrales Anliegen von Josef Schellhorn (N) war die Durchführung von transparenten Verhandlungen mit klaren Regelungen.

Die Grünen begrüßen grundsätzlich den Vorstoß zur Einrichtung eines Investitionsgerichtshofs, das Kernproblem, die Sonderklagsrechte für Konzerne, werde dadurch aber nicht bekämpft, hob Lichtenecker hervor.

Das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) befindet sich im Endstadium. Es handle sich dabei um ein gemischtes Abkommen, informierte der Staatssekretär und hob hervor, dass das Parlament bei fertigem Vertragstext darüber abzuwägen hätte. In Richtung Angelika Winzig (V) führte er aus, dass dieser noch vor dem Sommer vorliegen könnte, es gebe jedoch noch strittige Punkte.

Russland-Sanktionen führen nicht zu gewünschtem Effekt

Die zukünftige Vorgangsweise der EU sei an die weitere Entwicklung in der Region geknüpft und werde laufend neu bewertet, stellte Staatssekretär Harald Mahrer klar und erinnerte an die Minsker Vereinbarung vom Februar 2015, deren Kernforderungen u.a. einen Waffenstillstand, den Abzug aller schweren Waffen oder etwa die vollständige Kontrolle über die Staatsgrenzen seitens der Ukraine beinhalten. Österreich setzt auf Diplomatie und befürwortet die Anerkennung allfälliger Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung. Demnach kann sich Mahrer ein Schritt für Schritt-Absehen von den Sanktionen vorstellen, sofern Russland im Gegenzug die Minsker-Kriterien erfüllt. Die gesetzten Sanktionen führen nicht zu dem gewünschten Effekt, so Mahrer, weshalb auf EU-Ebene Alternativen überlegt werden müssen. Österreich werde seinen Beitrag zur Lösung der Situation leisten, betonte der Staatssekretär. Tanja Windbüchler-Souschill (G) sprach sich klar für die Russland-Sanktionen aus, befürwortete aber einen Dialog zwischen der EU, Russland und der Ukraine.

Demgegenüber trat Wolfgang Katzian von der SPÖ gegen die Sanktionen ein. Vielmehr sei die Ursache zu bekämpfen, denn österreichische Betriebe leiden unter den vorliegenden Sanktionen, deren Sinn ihm verschlossen bleibt. Seitens des Team Stronach trat Christoph Hagen für die Aufhebung der Sanktionen ein.

In einer weiteren Verhandlungsrunde sprach sich Christiane Brunner (G) für die Umsetzung des Pariser Abkommens aus und trat für einen engagierten Klimaschutz ein. Der Wirtschaftsausschuss verabschiedete den Bericht mehrheitlich in Richtung Plenum. (Schluss) gro


Themen