Parlamentskorrespondenz Nr. 214 vom 08.03.2016

NR-Sondersitzung: NEOS von Ergebnissen des Pensionsgipfels enttäuscht

Auch Finanzminister Schelling hält weitere Reformen für notwendig

Wien (PK) – Schon bei der letzten Nationalratssitzung haben die NEOS klargemacht, dass sie das österreichische Pensionssystem für "schrottreif" halten. Auch beim inzwischen abgehaltenen Pensionsgipfel der Regierung hat man ihrer Meinung nach die Chance versäumt, die richtigen Weichen für Reformen zu stellen. Das verdeutlichte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker heute im Nationalrat. Auf Verlangen der NEOS waren die Abgeordneten zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die Zukunft des österreichischen Pensionssystems zu diskutieren. Statt vom "Crashkurs" abzuweichen, fahre man den Karren sogar noch mit erhöhter Geschwindigkeit an die Wand, lautete der zusammenfassende Befund Loackers. Beschlüsse wurden in der Sitzung keine gefasst, übermorgen wird sich der Sozialausschuss des Nationalrats intensiv mit Pensionsfragen befassen.

Besonders enttäuscht ist Loacker von Finanzminister Hans Jörg Schelling, von dem er mehr Reformeifer erwartet hätte. Dieser sei letztendlich aber "in allen Linien eingeknickt", hielt Loacker bei der Begründung der Dringlichen Anfrage fest. So habe sich Schelling schon im Vorfeld des Pensionsgipfels vom Pensionsautomatismus und von der Forderung nach einer vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters verabschiedet. Beim Gipfel selbst seien dann die Kostentreiber im Pensionssystem nicht einmal gestreift worden. Einige der vereinbarten Maßnahmen wie die erhöhte Ausgleichszulage von 1.000 € bei langer Versicherungsdauer und die zum Teil verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten würden vielmehr weitere Ausgabensteigerungen bewirken. Sozialminister Alois Stöger und der Wiener Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm hätten Schelling "ausgetrickst", ist Loacker überzeugt.

Für den Sozialsprecher der NEOS ist es außerdem völlig unverständlich, dass Schelling und Stöger keine konkreten Maßnahmen zur weiteren Harmonisierung der unterschiedlichen Pensionssysteme präsentiert haben. BeamtInnen würden in vielen Bereichen bevorzugt bleiben, die Ungleichheiten würden zum Teil sogar noch verstärkt, etwa bei den Zuverdienstmöglichkeiten.

Dass eine Pensionsreform dringlich ist, steht für Loacker außer Frage. Schließlich würden schon derzeit rund 20 von 75 Budgetmilliarden in den Pensionsbereich fließen. Es handle sich um den am schnellsten wachsenden Budgetposten, machte er geltend. Auch die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds verlangten Reformmaßnahmen. Angesprochen wurden von Loacker auch die überproportional hohen Ruhestandsversetzungen aufgrund von Dienstunfähigkeit bei der Österreichischen Post und der Pensionstransfer der Bank Austria. Schelling habe es verabsäumt, sich hier schützend vor die SteuerzahlerInnen zu stellen.

Finanzminister Schelling: Weitere Reformen sind notwendig

Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich mit den Ergebnissen des Pensionsgipfels nicht wirklich zufrieden. Er habe sich mehr vorgenommen, als letztendlich herausgekommen sei, gestand er zu. Die vereinbarten Maßnahmen sind für ihn in diesem Sinn nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten. Einige man sich nicht auf strukturelle Reformen, werde es in den nächsten 20 Jahren – so wie in der Vergangenheit – erneut sechs Pensionsreformen geben, prophezeite der Finanzminister. Man brauche einfach zu viel Budgetmittel für die Pensionen. Rückwirkende Eingriffe in Pensionen kämen für ihn nicht infrage, versicherte Schelling, das System müsse aber weiterentwickelt werden.

Was die beim Pensionsgipfel vereinbarten konkreten Maßnahmen betrifft, wies Schelling unter anderem darauf hin, dass es ein wesentliches Ziel der Bonusregelung für ältere Beschäftigte sei, Frauen über das 60. Lebensjahr hinaus im Erwerbsleben zu halten, nachdem es zu keiner vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters kommen werde. Die neu zusammengesetzte Pensionsreformkommission solle auch das Monitoring im Bereich der Beamtenpensionen übernehmen. Insgesamt musste Schelling 95 Detailfragen beantworten, dabei ging es unter anderem um konkrete Budgetzahlen und Empfehlungen der EU-Kommission.

Keine Mehrheit für Oppositionsanliegen

Die Ausführungen von Finanzminister Schelling veranlassten NEOS-Klubobmann Matthias Strolz dazu, von einer "Wort-Taten-Schere" zu sprechen. Schelling verspreche etwas, was mit seinem Handeln nicht übereinstimme, kritisierte er und warf der Koalition insgesamt vor, die steigenden Pensionsausgaben zu ignorieren und "den Kopf ganz tief in den Sand zu stecken". Strolz selbst hält es unter anderem für notwendig, im Sinne eines "fairen Pensionssystems für alle" an nach wie vor vorhandenen "Luxus- und Sonderpensionen" zu rütteln. Zudem forderte er in Form von Entschließungsanträgen eine Koppelung des Pensionsalters an demographische und wirtschaftliche Faktoren sowie eine frühere Anhebung des Frauenpensionsalters, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Auch weitere Entschließungsanträge der Opposition blieben in der Minderheit.

Kickl: Pensionsgipfel brachte "übliches Flickwerk"

Kritisch mit den Ergebnissen des Pensionsgipfels setzte sich auch FPÖ-Abgeordneter Herbert Kickl auseinander. Statt sich intensiv mit der Frage der Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystems und der Frage der Gerechtigkeit auseinanderzusetzen, sei "das übliche Flickwerk" herausgekommen, hielt er fest er. Überdies hätten weder Schelling noch Stöger ein Wort über "rot-schwarze Luxuspensionen" verloren. Kickl nutzte seine Rede auch für Seitenhiebe auf Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer und auf den ÖVP-Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol. Generell sieht er die Regierungspolitik von den Komponenten "Chaos" und "Lähmung" geprägt.

Glawischnig: Wahre Ungerechtigkeiten lauern in der Steuerpolitik

Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek warf den NEOS vor, außer dem Pensionsautomatismus und der vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters keine Vorschläge für eine Reform des Pensionssystems präsentiert zu haben. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, die Pensionsdebatte nicht nur auf Basis von Budgetdaten zu führen, es gehe auch um finanzielle Sicherheit im Alter, auch für heute junge Menschen. Da helfe es nichts, einzelne Gruppen wie Jung und Alt oder InländerInnen und AusländerInnen gegeneinander auszuspielen. Niemand werde behaupten, dass die derzeitige Durchschnittspensionen zu hoch seien, ist Glawischnig überzeugt, viele Frauen mit Niedrigstpensionen lebten sogar an der Armutsgrenze. Die wahren Ungerechtigkeiten sieht die Grünen-Chefin nicht im Pensionssystem, sondern bei der Vermögens- und Erbschaftssteuer, zudem müsse man bei Niedriglöhnen ansetzen.

Lugar: SPÖ will Pensionssystem durch Zuwanderung retten

Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar äußerte die Vermutung, dass die SPÖ vor allem auf Zuwanderung setzt, um das österreichische Pensionssystem zu sichern. Daraus erklärt sich ihm zufolge auch die ursprüngliche Position der SPÖ in der Flüchtlingskrise. Man könne aber nicht einfach Menschen ins Land holen, ohne darauf zu schauen, wer komme, mahnte er. Der Großteil der Flüchtlinge werde auch noch in zehn Jahren arbeitslos sein und das Sozialsystem belasten. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, durch eine bessere Familienpolitik die Familien zu stärken und damit dafür zu sorgen, dass wieder mehr Kinder in Österreich geboren werden.

Muchitsch: Ergebnisse des Pensionsgipfels sind "in Ordnung"

Hinter die vereinbarten Reformmaßnahmen stellten sich die Koalitionsparteien. So bezeichnete SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch die Ergebnisse des Pensionsgipfels als "in Ordnung", wobei er vor allem die höhere Ausgleichszulage für Frauen mit extrem niedrigen Pensionen trotz langer Erwerbsarbeit begrüßte.

Für Muchitsch ist der von den NEOS vorgeschlagene Pensionsautomatismus außerdem kein Allheilmittel, um Pensionen zu sichern. Überall dort, wo die Politik Handlungsspielräume aus der Hand gegeben habe, habe man nachbessern müssen. Wichtiger ist es seiner Meinung nach sich weiter darauf zu fokussieren, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, hier habe man zuletzt bereits erkennbare Erfolge erzielt. Muchitsch verteidigte das staatliche Pensionssystem auch insgesamt, viele Betriebspensionen seien aufgrund der Finanzkrise massiv gekürzt worden.

Wöginger: Staatliches Pensionssystem darf nicht gefährdet werden

In eine ähnliche Kerbe schlug ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. Der Unterschied zwischen den Vorstellungen der NEOS und der ÖVP sei, dass die ÖVP das umlagenfinanzierte staatliche Pensionssystem weiterentwickeln und nicht gefährden wolle, führte er aus. Dabei hält er es ebenso wie Muchitsch vorrangig für notwendig, bei den Invaliditätspensionen und frühzeitigen Pensionsantritten anzusetzen.

Wöginger wies außerdem darauf hin, dass man beim Pensionsgipfel vereinbart habe, die derzeit aufgeblähte Pensionskommission zu halbieren und dieser künftig auch das Beamten-Monitoring zu übertragen. Ebenso habe man sich auf eine teilweise bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten und eine Ausweitung des Pensionssplittings verständigt. Zum neuen Anreizsystem für längeres Arbeiten merkte Wöginger an, es dürfe zu keinen Verschlechterungen für jene kommen, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten.

NEOS: Ohne Reformen keine sicheren Pensionen

Auch der weitere Debattenverlauf brachte keine Annäherung der Standpunkte. NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn äußerte die Befürchtung, die Pensionen seien ohne Reformen nicht gesichert. Mit Nachdruck forderte er die Abschaffung von "Pensionsprivilegien", wobei er vor allem die Beamten im Visier hatte. Sein Antrag, den Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" auch im öffentlichen Dienst umzusetzen, blieb bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit.  "Die Frauen sind die absoluten Verliererinnen in der Pensionsdebatte", stellte seine Fraktionskollegin Claudia Gamon fest und legte den Fokus auf die Frauenpolitik. Hohe Teilzeitquoten und Erwerbsunterbrechungen würden zu niedrigen Pensionen und in der Folge zu Altersarmut bei den Frauen führen, warnte sie. Die Politik müsse daher Rahmenbedingungen setzen, damit Frauen mehr verdienen und später höhere Pensionen beziehen.

SPÖ und Sozialminister Stöger gegen kapitalabhängiges Pensionssystem

Eine frauenpolitische Komponente brachte auch SPÖ-Abgeordnete Gisela Wurm in die Debatte ein, die vor allem an die nach wie vor bestehende Einkommensschere zwischen Männern und Frauen erinnerte und der Forderung nach einem Mindestlohn Nachdruck verlieh. Beim Pensionsgipfel sei für die Frauen einiges gelungen, stellte sie fest, bekräftigte gleichzeitig aber im Einklang mit Wolfgang Knes das Nein der Sozialdemokratie zu einer sofortigen Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen.

Scharf ging Wolfgang Katzian mit den Vorschlägen der NEOS ins Gericht und sprach dabei von "neoliberalem Gezocke". Nach diesem Modell müsste man bis 75 arbeiten, um eine heutige Regelpension zu erzielen. Für die Beibehaltung des Umlagesystems und gegen Pensionssysteme, die vom Kapitalmarkt abhängig sind, plädierten auch Johann Hell und Katharina Kucharowits. Sie stärken damit Sozialminister Alois Stöger den Rücken, der den Umstand hervorhob, dass das solidarische Pensionssystem seit 60 Jahren Stabilität garantiere. Die Höhe der Pensionen dürfen nicht vom Aktienkurs abhängen, fügte der Ressortchef darüber hinaus an die Adresse der NEOS gerichtet an. 

ÖVP für Anpassung des Systems an den demographischen Wandel

Das österreichische Pensionssystem sei gut, müsse aber an den demographischen Wandel angepasst werden, mahnte ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer. Sie sah in den Ergebnissen des Pensionsgipfels zahlreiche positive Maßnahmen für Frauen und strich vor allem die Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten oder etwa die Ausdehnung des Pensionssplittings heraus. Frauen, die bei den Kindern bleiben, dürfen im Alter nicht benachteiligt werden unterstrich Martina Diesner-Wais, der auch der fraktionslose Abgeordnete Marcus Franz beipflichtete. Gegen ein Ausspielen von Jung und Alt wandte sich Asdin El Habbassi. Der ÖVP-Jugendsprecher schloss allerdings die Warnung an, ohne Reformen würde die junge Generation in Zukunft keine sicheren Pensionen mehr beziehen. Als Schritt in die richtige Richtung wertete Angelika Winzig den Pensionsgipfel. Es liege aber noch ein langer Weg vor der Politik, ohne eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit werde man das Ziel nicht erreichen, gab sie zu bedenken.

FPÖ fordert Aus für "Luxuspensionen" und Sonderpensionsrechte

Seitens der Freiheitlichen forderten Werner Neubauer und Bernhard Themessl ein "Aus" für Luxuspensionen und Sonderpensionsrechte und waren damit einer Meinung mit dem fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler. Neubauer machte sich zudem ebenso wie Gerhard Schmied (o.F.) für eine Harmonisierung der Pensionssysteme stark. Die Frauenpolitik griff Carmen Schimanek mit der Bemerkung auf, die Frauen hätten vom Pensionsgipfel nicht viel. Sie forderte in einem Entschließungsantrag die volle Anrechnung von vier Jahren Kindererziehungszeit für jedes Kind, blieb bei der Abstimmung mit ihrer Initiative aber in der Minderheit. Empört reagierte Dagmar Belakowitsch-Jenewein auf das geplante Gesetz im Zusammenhang mit der Überleitung der Bank Austria-MitarbeiterInnen in das ASVG-System. Sie warf dabei Sozialminister Stöger vor, mit der Rückwirkung bewusst eine Aufhebung durch den  Verfassungsgerichtshof in Kauf genommen zu haben.

Grüne gegen Förderung der privaten Pensionsvorsorge

"Ganz schlecht ist das Pensionssystem nicht, es gehört aber vieles verbessert", lautete der Befund von Grünen-Sozialsprecherin Judith Schwentner. Eine klare Absage erteilte sie dem von den NEOS propagierten Modell, das ihrer Meinung nach in Richtung Pensionskürzung geht. Diesen Eindruck bestätigte auch Bruno Rossmann, der den NEOS Verunsicherung der Menschen vorwarf. Kapitalgedeckte Systeme nach schwedischem Vorbild seien jedenfalls fragiler als das Umlageverfahren. Schwentner forderte in einem Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung keine Mehrheit fand, eine Grundpension in der Höhe der Ausgleichszulage sowie einen gesetzlichen Mindestlohn von 9,80 € pro Stunde. Julian Schmid verlangte zudem die Abschaffung sämtlicher Luxuspensionen sowie die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten. Gestrichen sollte seiner Meinung nach auch die Förderung der Privatpensionen werden, ein Anliegen, das Schmid mit SPÖ-Jugendsprecherin Katharina Kucharowits teilte.

Team Stronach drängt auf enkelgerechtes Pensionssystem

Für die Harmonisierung der Pensionssysteme trat auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach ein, die in diesem Zusammenhang heftige Kritik an der neuen Zuverdienstregelung übte. Weiterer Punkt im Forderungskatalog ihrer Fraktion ist die Abschaffung der Luxuspensionen. Es sei beschämend, wie niedrig die Pensionen gerade bei Menschen ausfallen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, brachte Leopold Steinbichler vor diesem Hintergrund seine Empörung auf den Punkt. Er rief überdies die Politik auf, für ein enkelgerechtes Pensionssystem zu sorgen. (Fortsetzung Nationalrat) gs/hof