Parlamentskorrespondenz Nr. 215 vom 08.03.2016

Bundesrat: EU-Grenzschutzpaket sollte möglichst rasch umgesetzt werden

Europäisches Reisedokument zur Erleichterung der Rückführung ist EU-Ausschuss zu wenig

Wien (PK) – Die aktuellen Ereignisse im Zuge der Flüchtlings- und Migrationsströme haben die Gefährdung des Schengenraums und damit die offenen Binnengrenzen mehr als deutlich gemacht. Die EU setzt nun mit einigen gesetzlichen Initiativen alles daran, eine effektivere Sicherung der EU-Außengrenzen zu gewährleisten, um damit die Sicherheit des Schengenraums zu erhöhen und Binnengrenzkontrollen wieder obsolet zu machen.

So standen heute im EU-Ausschuss des Bundesrats zwei Vorhaben der EU zur Diskussion, die der besseren Überwachung der Küstengebiete dienen. Eine weitere Initiative zur systematischen Kontrolle der Ein- und Ausreise an den EU-Außengrenzen ist vor allem vor dem Hintergrund der Terroranschläge von Paris, Kopenhagen und Brüssel, aber auch vor der latenten Bedrohung durch so genannte Foreign Fighters zu sehen – man schätzt rund 5.000 Personen, die sich in Drittstaaten Terrorgruppen wie dem IS angeschlossen haben. Schließlich soll auch die Rückführung von Personen, die sich illegal in der EU aufhalten, durch die Ausstellung eines europäischen Reisedokuments erleichtert werden. Ziel all dieser Maßnahmen ist es vor allem, illegale Grenzübertritte zu verhindern, illegale MigrantInnen rascher zurückzuführen, Sekundärmigration zu minimieren und grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Die Ausschussmitglieder halten all die Vorhaben für richtig und notwendig und drängen auf eine rasche Umsetzung.

Systematische Kontrolle der EU-BürgerInnen an den EU-Außengrenzen

So schlägt die Kommission in einem Verordnungsentwurf vor, EU-BürgerInnen bei der Einreise in die und der Ausreise aus der EU systematisch zu kontrollieren. Laut Entwurf soll diese Verpflichtung grundsätzlich für alle Außengrenzen gelten, also Land-, See- und Luftgrenzen. Ausnahmen davon sollen jedoch auf Basis einer Risikoanalyse möglich sein, wenn die Kontrollen eine ungebührende Belastung bei der Abfertigung darstellen würden. Dazu ist eine Änderung des Schengener Grenzkodex erforderlich. Wie die Erläuterungen des Innenministeriums dazu weiter ausführen, ist man bestrebt, ein höchstmögliches Niveau an Datenschutz auch weiterhin zu gewährleisten. Deshalb erfolge eine Registrierung der kontrollierten Person nur bei einem Treffer beim Abgleich mit einer der einschlägigen Datenbanken (insbesondere das Schengener Informationssystem SIS II, Interpol und nationale Datenbanken zu gestohlenen und verlorenen Reisedokumenten). Seitens des Innenressorts rechnet man mit einem Abschluss der Verhandlungen zwischen Rat und Europäischem Parlament mit Ende des Jahres.

Im Ausschuss klang trotz positiver Bewertung des Vorhabens die Sorge an, dass die Kontrollen zu Unannehmlichkeiten führen könnten. Ob die Einreise in die EU wieder zu einem Spießrutenlauf für UnionsbürgerInnen werden könnte, fragte etwa Hans-Jörg Jenewein (F/W). Die Sorge konnte der im Ausschuss anwesende Experte des Innenministeriums nicht ganz entkräften, da Kontrollen durchaus zu Wartezeiten, vor allem auf den Flughäfen, führen könnten. Gibt es keine Treffer, dann erfolgt keine Speicherung der Daten, versicherte er Wolfgang Beer (S/W).

Stefan Schennach (S/W) merkte dazu grundsätzlich an, diese Maßnahmen seien dringend geboten. Man dürfe jedoch nicht übersehen, dass man ein europäisches Asylrecht brauche, was seitens des Innenministeriums bestätigt wurde. Die Regelungen die derzeit in Europa gelten, seien unzureichend, um als gemeinsames System gelten zu können. Viele Bestimmungen seien von einzelnen Mitgliedstaaten nicht umgesetzt worden. Als notwendig erachtet der Experte vor allem eine bessere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU.

Grenz- und Küstenwache soll verbessert werden

Zudem will die EU eine integrierte Europäische Grenz- und Küstenwache, bestehend aus den nationalen Systemen der Mitgliedstaaten und der um neue Kompetenzen und Ressourcen erweiterten bisherigen Agentur FRONTEX  aufbauen. Sie soll künftig Agentur für Grenz- und Küstenwache heißen. Ziel ist es, damit auf überproportionalen Migrationsdruck wie auch auf Defizite im Grenzschutz rasch reagieren zu können, in letzter Konsequenz auch ohne Ersuchen des betroffenen Mitgliedstaates, wie das Innenressort betont.

Wann dieser Teil des Grenzschutzpakets abgeschlossen wird, hänge von der Kompromissbereitschaft einzelner Mitgliedsstaaten ab, betonte der Vertreter des Innenressorts, jedenfalls agiere hier die niederländische Präsidentschaft außerordentlich engagiert und dränge darauf, auch hier einen baldigen Abschluss zu erreichen.

Auch die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) soll in Hinkunft dazu beitragen, die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Die bisherige Aufgabe der Agentur besteht darin, der Kommission und den Mitgliedstaaten technische Hilfe und Unterstützung bei der Entwicklung, Anwendung und Bewertung der EU-Rechtsvorschriften im Seeverkehrsbereich zur Verfügung zu stellen. Sie betreibt zudem das Europäische Datenzentrum für die Fernidentifikation und –verfolgung von Schiffen sowie das gemeinschaftliche Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr (Safe Sea Net). Dieser Aufgabenbereich wird nun erweitert. So sieht der Verordnungsentwurf vor, Verkehrsdaten möglichst zeitnah zu ermitteln - etwa durch die Bereitstellung von Drohnen - und Maßnahmen zur Verbesserung des Datenaustauschs mit anderen EU-Agenturen in den Bereichen Grenzschutz und Fischerei zu setzen. Damit soll eine generelle Optimierung der Verkehrsüberwachung, eine Verbesserung des Schutzes der EU-Außengrenzen sowie eine bessere Kontrolle der Migrationsströme erzielt werden. Dazu liegt bereits ein akkordiertes Ergebnis der Ratsarbeitsgruppe vor. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) nannte dies eine gute Sache.

Europäisches Reisedokument soll Rückführung illegaler MigrantInnen erleichtern

Die EU hat derzeit große Schwierigkeiten, Personen, die einen negativen Asylbescheid haben oder illegal eingereist sind, in ihre Heimatländer wieder zurückzuführen. Dies liegt auch daran, dass die betreffenden Länder ihre StaatsbürgerInnen nicht mehr zurücknehmen und die EU mit diesen Staaten auch keine entsprechenden Abkommen geschlossen hat. Beispielsweise konnten im Jahr 2014 weniger als 40% aller zur Rückkehr verpflichteten Personen zurückgeführt werden, betont die Kommission. Ein weiteres großes Hindernis stellen fehlende gültige Reisedokumente dar, die vom Bestimmungsland der zur Rückkehr verpflichteten Person ausgestellt wurden. Das von den Mitgliedstaaten derzeit ausgestellte Ersatzdokument wird aufgrund unzureichender Sicherheitsmerkmale und -standards nur in geringem Maße von Drittstaaten akzeptiert.

Die EU will nun durch Verordnung ein spezielles europäisches Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, gegen die eine zur Rückkehr verpflichtende Entscheidung ergangen ist, schaffen. Es soll ein einheitliches Format und verbesserte technische Spezifikationen und Sicherheitsmerkmale aufweisen. Die Verwendung dieses Reisedokuments sollte durch EU-Abkommen und bilaterale Rückübernahmeabkommen oder andere Abkommen gefördert werden, heißt es in der Begründung des Gesetzesvorschlags.

In der Diskussion kamen Zweifel auf, ob ein solches europäisches Reisedokument tatsächlich zur Erleichterung von Rückführungen beitragen könne. Springender Punkt sei die Kooperationsbereitschaft der Staaten, beziehungsweise entsprechende bilaterale Abkommen, legte Edgar Mayer (V/V) den Finger auf den wunden Punkt des Vorschlags. Auch Stefan Schennach (S/W), glaubt nicht an einen raschen Erfolg, denn das angestrebte Ziel sei nur gemeinsam mit anderen Staaten zu erreichen. Ähnlich die Bedenken von Hans-Jörg Jenewein (F/W), der meinte, ein eigenes Reisedokument löse das eigentliche Problem nicht. Abkommen mit den betreffenden Heimatstaaten von sich illegal in der EU aufhaltenden Personen abzuschließen, sei Aufgabe der Nationalstaaten, das zeige Spanien ganz deutlich vor. Jenewein griff die Frage aber auch weitgehender auf und trat dafür ein, vor allem in den afrikanischen Staaten mehr Investitionen aus Europa zu tätigen. Das würde zu einer größeren Kooperationsbereitschaft führen, zeigt er sich überzeugt, und auch den einzelnen Menschen mehr Chancen bieten.

Leise Kritik an der EU-Kommission klang dann auch seitens des Innenministeriums an, indem man der Kommission in dieser Frage Säumigkeit vorwarf. Die Staaten seien unterschiedlich kooperativ, sagte der Experte. In Bezug auf Marokko, das sich weigert, seine StaatsbürgerInnen zurückzunehmen, liege das Verhandlungsmandat bei der Kommission. Dadurch seien den einzelnen Mitgliedstaaten die Hände gebunden, selbst Abkommen zu verhandeln. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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