Parlamentskorrespondenz Nr. 216 vom 08.03.2016

Glyphosat: EU-Match über Zulassung im Nationalrat weitergeführt

Grüne finden keine Mehrheit für Fristsetzungsanträge zur Durchsetzung des Pesitizid-Verbots

Wien (PK) - Mobilmachung gegen Glyphosat: Dafür wollten heute die Grünen bei der Sondersitzung des Nationalrats alle Parteien gewinnen. Bis zu einem gewissen Grad funktionierte dieser Plan. Einen Fristsetzungsantrag zur zügigen Behandlung der Grünen-Forderung auf sofortiges Verbot des Pestizids lehnten die Regierungsfraktionen und die NEOS zwar ab, zumal bislang kein Ersatzprodukt am Markt ist. Von der SPÖ kamen allerdings Signale gegen eine weitere Zulassung des Wirkstoffs, der im Pflanzenschutzmittel Roundup der US-amerikanischen Firma Monsanto genutzt wird. Seitens der ÖVP setzt man auf die wissenschaftliche Expertise der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die keine große Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat sieht. FPÖ und Team Stronach wiederum vermuten hinter den Überlegungen für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung in der Europäischen Union Gewinninteressen. Mehrmals sprachen sich die Abgeordneten für parlamentarische Diskussionen mit ExpertInnen zu dem Thema aus.

Dieser Tage beraten die EU-Mitgliedsstaaten auf Expertenebene im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel, ob die Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union verlängert wird. Eine Entscheidung hätte heute schon fallen sollen, doch die Zahl der Glyphosat-Gegner, allen voran Frankreich, sei gestiegen, erkennt Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, einen ersten Erfolg gegen glyphosathältige Produkte. Man habe in Brüssel die Einigung vertagt.

Verantwortung von Wissenschaft und Politik

Schon seit Jahren berichten FPÖ, Grüne und Team Stronach über eine Häufung der Verdachtsfälle, dass Glyphosat gesundheitsschädliche Auswirkungen hat. Die Substanz solle daher auch im kommunalen und im privaten Bereich nur eingeschränkt zum Einsatz kommen, mahnen die Oppositionsparteien. Letztes Jahr habe die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), die zur WHO gehört, erklärt, dass Glyphosat bei Menschen wahrscheinlich Krebs verursachen kann, erinnern die Grünen. Studien hätten im Rahmen der Embryonalentwicklung die zellschädigende Wirkung von Glyphosat belegt, besonders in Verbindung mit dem Hilfsstoff Tallowamin, der die Aufnahme des Herbizids durch die Zellmembranen erleichtert. In ihrem Antrag fordern die Grünen, aufgrund dieser neuen Erkenntnisse den Einsatz von glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft und im öffentlichen Raum in Österreich neu zu bewerten und zu verbieten. Außerdem soll Bundesminister Andrä Rupprechter sich für ein EU-weites Verbot einsetzen.

Glyphosat sei als gesundheitsschädlicher Rückstand nicht nur im Getreide, sondern auch im Menschen nachweisbar – in Deutschland bei 75% der Bevölkerung, verdeutlichte Wolfgang Pirklhuber im Plenum die Dramatik der Lage und verbat sich "einen Freibrief für die chemische Lobby, uns durch ihre Gifte zu kontaminieren". Die Aussage Rupprechters, er vertraue dem Urteil der Experten - konkret jenen der Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) – wertet der Grünen-Landwirtschaftssprecher als Rücktrittsgrund. Noch dazu, da der Minister jede Weisung an die nationalen Behörden in diesem Zusammenhang verweigere. "Sie haben hier auf der ganzen Ebene ein politisches Versagen zu verantworten", nahm er den Landwirtschaftsminister in die Pflicht und folgerte, der Nationalrat solle nun aus eigenem Antrieb den Einsatz von Glyphosat untersagen. Bei der im Mai geplanten Entscheidung über die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung bis 2031 müsse gelten: "Bei Pestiziden in Europa hat das Vorsorgeprinzip Vorrang".

Umweltsprecherin Christiane Brunner (G) bekräftigte, die Initiative der Grünen ziele nicht auf "Panikmache" ab, sondern diene dazu, das giftige Unkrautbekämpfungsmittel im Sinne des Prinzips Gesundheit vor Gewinnmaximierung zu verbieten. Österreich habe sich auf EU-Ebene bei der Abstimmung über die Vertagung der Zulassungsberatungen enthalten, empörte sie sich. Dabei zeigten viele österreichische Gemeinden bereits mehr Mut und hätten den Einsatz von Glyphosat untersagt. Keineswegs wolle sie die Meinung der Wissenschaft kleinreden, betonte Brunner, und sprach sie sich für häufigere Expertenhearings im Parlament aus. Allerdings dürfe die Verantwortung für politische Entscheidungen nicht an Expertinnen und Experten abgeschoben werden.

Die EU stehe wohl für die Verwendung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels ein, vermutet Josef A. Riemer (F). In der "Glyphosat-Taskforce" aus Experten sieht er ein von den Herstellerfirmen beauftragtes Gremium mit dem Ziel, ein "Milliardengeschäft" zu sichern. Immerhin werde Glyphosat von Parkanlagen bis zur Landwirtschaft überall eingesetzt, mit ungeklärten Auswirkungen auf das Grundwasser. Die heimische Politik ruft Riemer dazu auf, als Gegenmaßnahme alternative Pflanzenschutzmittel zu fördern, ungeachtet der EU-Aktivitäten. "Ein gewaltig ernstes Thema" nannte auch Leopold Steinbichler (T) die Zulassung des Pestizids, spannte allerdings den Bogen zum weltweiten Vertrieb von Palmöl, das ebenfalls von Giftstoffen durchsetzt sei. Die Haftungsfrage bei Schäden durch Pestizide wie Glyphosat ist für Steinbichler ebenfalls noch zu klären. Als "Anwälte für gesunde Lebensmittel" rief der Team Stronach-Politiker die Abgeordneten zu bereichsübergreifenden Enqueten über das Thema auf.

Einer Neubewertung von Glyphosat stimmte Michael Pock (N) zu, er konnte aber das zugleich von den Grünen verlangte Totalverbot nicht nachvollziehen. Immerhin gebe es unterschiedliche Studien und in der konventionellen Landwirtschaft derzeit keine Ersatzprodukte. Pocks Ansatz in dieser Frage ist daher, sie bei einem Expertenhearing im Detail durchzudiskutieren. Auch die Biodiversität sei dabei zu beachten. Bedenken gegen Glyphosat nehme die SPÖ ernst, unterstrich deren Landwirtschaftssprecher Erwin Preiner. Anstoß nahm er an einer möglichen Verlängerung der Nutzungsbefugnis um 15 Jahre, tatsächlich hält er maximal eine einjährige Verlängerung für tragbar. Die Zeitspanne bis Mai solle jedenfalls nachhaltig genützt werden: Fachleute von WHO und EFSA sollten gemeinsam mit NGOs bis zum anvisierten EU-Beschluss eine neuerliche Analyse vornehmen. Genauso sei es am Landwirtschaftsministerium, sich erneut damit zu befassen, um den KonsumentInnen Sicherheit zu geben. Letztendlich, hielt Preiner jedoch fest, wäre die beste Lösung, Glyphosat in der gesamten EU nicht weiter zu verwenden.

Der Zulassungsprozess auf EU-Ebene sei streng geregelt und beruhe auf umfassender Fachexpertise, gab hingegen Johann Höfinger (V) zu bedenken. Er wandte sich daher gegen eine emotional geführte Debatte, die auf eine politischen Entscheidung beeinflusst von "Umwelt-Lobby-Gruppen" abziele. Schon 2002 habe man bei der Erstzulassung von Glyphosat eine eingehende Bewertungen vorgenommen, nun würden weitere Erkenntnisse aufgrund wissenschaftlicher Daten einfließen. "Bitte verunsichern wir die Menschen nicht", appellierte der ÖVP-Umweltsprecher. Die Mehrheit im Nationalrat stimmte folglich gegen die Frist bis 15. März, die von den Grünen zur Behandlung ihres Antrags im Landwirtschaftsausschuss verlangt worden war. Gleichermaßen wurden entsprechende Fristsetzungsanträge an den Gesundheitsausschuss und an den Konsumentenschutzausschuss abgelehnt. (Schluss Nationalrat) rei