Parlamentskorrespondenz Nr. 230 vom 10.03.2016

Bank-Austria-Pensionstransfer: ASVG-Novelle passiert Sozialausschuss

Scharfe Kritik von FPÖ, NEOS und Team Stronach

Wien (PK) – Der Bank Austria könnte die Überleitung von mehr als 3.000 MitarbeiterInnen in die gesetzliche Pensionsversicherung teurer kommen als ursprünglich erwartet. Ein von Sozialminister Alois Stöger vor zwei Tagen präsentierter Gesetzentwurf wurde heute vom Sozialausschuss des Nationalrats gebilligt. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen für die ASVG-Novelle. Damit ist der Weg für eine Beschlussfassung im Plenum des Nationalrats kommende Woche frei. Die Bank Austria wird demnach aller Voraussicht nach rund 728,73 Mio. € an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) überweisen müssen, das letzte Wort hat allerdings die EU-Kommission. Außerdem bezweifeln FPÖ, NEOS und Team Stronach, dass das Gesetz, unter anderem wegen der vorgesehenen Rückwirkung, vor dem Verfassungsgerichtshof hält.

Ein gewisses juristisches Risiko räumten auch die Koalitionsparteien ein. Sozialminister Alois Stöger machte aber geltend, dass man den vorgelegten Gesetzentwurf mit bestem Wissen und Gewissen auf seine Verfassungskonformität abgeklopft habe und mit den neuen Bestimmungen ein wichtiges Signal setze. Auch ohne Gesetzesnovelle gebe es keine Rechtssicherheit, gab ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger zu bedenken. Sein Fraktionskollege Werner Groiß wertete das Gesetz als vernünftigen Versuch, dem Steuerzahler Geld zu sparen.

Überzeugen ließen sich FPÖ, NEOS und das Team Stronach von den Argumenten nicht. Besonders schwere Geschütze fuhr NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker auf. Er stellte sogar den Verdacht "einer Reihe von Korruptionshandlungen" in den Raum. Für Loacker ist es Faktum, dass die Bank Austria massiv vom Pensionstransfer profitiert, auch wenn sie nunmehr mehr als 700 Mio. € zahlen müsse.

Bank Austria muss PVA 22,8% der Bemessungsgrundlage überweisen

Im Konkreten muss die Bank Austria gemäß dem Gesetzentwurf (1027 d.B.) 22,8% des letzten Monatsgehalts der vom Transfer betroffenen MitarbeiterInnen an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) überweisen, und zwar für jeden geleisteten Arbeitsmonat. Wer noch heuer in Pension geht und dies schon vor dem 29. Februar mit der Bank Austria vereinbart hat, kann nicht übergeleitet werden. Für den Bereich der Krankenversicherung sind in zwei Punkten Übergangsregelungen vorgesehen, um nachteilige Auswirkungen des Transfers auf BezieherInnen von Krankengeld bzw. Wochengeld zu vermeiden.

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sollen rückwirkend mit 1. Februar bzw. 1. März 2016 in Kraft treten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Europäische Kommission den Überweisungsbetrag von 22,8% nicht als verbotene staatliche Beihilfe einstuft. Zwar entlastet der Transfer das Bundesbudget in den kommenden Jahren, wie in den finanziellen Erläuterungen vermerkt wird, mittel- und langfristig wird der Mehraufwand für Pensionen die Mehreinnahmen aber aller Voraussicht nach übersteigen. Dabei sind auf der Habenseite nach den Berechnungen des Sozialministeriums neben der Einmalzahlung von 728,73 Mio. € auch jährliche Einnahmen von rund 40 Mio. € aus den laufenden Pensionsbeiträgen der betroffenen Bank-Austria-MitarbeiterInnen zu verbuchen.

Notwendig sind die ergänzenden Bestimmungen im ASVG laut Sozialministerium deshalb, weil jener Paragraph, auf den sich die Bank Austria beruft, nur für Personen gilt, die aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuss ausscheiden. Es brauche daher eine Regelung für jene Fälle, wo die Pensionsversicherungsfreiheit nach dem ASVG in einem aufrechten Dienstverhältnis endet, wie dies bei der Bank Austria der Fall sei. Der neue §311a unterscheidet sich vom §311 vor allem durch die Höhe des Überweisungsbetrags – beim Ausscheiden eines Mitarbeiters aus einem Dienstverhältnis sind lediglich 7% vom letzten Monatsgehalt für jeden Arbeitsmonat fällig, daran ändert sich vorerst nichts. Genau mit diesem Betrag hat die Bank Austria bislang gerechnet.

FPÖ, NEOS und Team Stronach bezweifeln Verfassungskonformität

In der Debatte machte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein geltend, dass die vorliegende Gesetzesnovelle von sämtlichen Verfassungsjuristen als nicht haltbar qualifiziert werde. Sie ist in diesem Sinn überzeugt davon, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen aufheben und die Bank Austria im Endeffekt nur 7% für die Überleitung ihrer MitarbeiterInnen in die gesetzliche Pensionsversicherung zahlen wird. Belakowitsch-Jenewein wies außerdem darauf hin, dass der §311 selbst nicht geändert werde, somit bleibe der Bank Austria die Hintertür von Änderungskündigungen offen. Auch insgesamt zeigte sie sich "entsetzt" über das Vorgehen der Koalitionsparteien.

Noch härter ging NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker mit den Koalitionsparteien ins Gericht. "Die Abgeordneten werden am Schmäh gehalten", meinte er und stellte den Verdacht "einer Reihe von Korruptionshandlungen" in den Raum. Für ihn ist klar, dass in dieser Causa nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, das, was laufe, sei höchst mysteriös und falle dem Steuerzahler zur Last.

Loacker sieht überhaupt keine Notwendigkeit für die vorliegende Gesetzesnovelle. Es sei völlig unverständlich, dass das Sozialministerium bzw. das Parlament auf eine Betriebsvereinbarung eines Unternehmen reagiere. Seiner Meinung nach wäre die korrekte Vorgangsweise, dass die Gebietskrankenkassen die am 1. März erfolgte Anmeldung von mehr als 3.000 MitarbeiterInnen der Bank Austria per Bescheid ablehnen. Stattdessen würde der Akt im Hinblick auf die geplante rückwirkende Gesetzesänderung dort einfach liegen gelassen. "So stelle ich mir den Rechtsstaat nicht vor."

Als Profiteur der ganzen Aktion sieht Loacker die UniCredit. Diese habe Pensionsrückstellungen im Ausmaß von 1,9 Mrd. € aufgelöst. Selbst wenn man nun von einem Überweisungsbetrag von 730 Mio. € ausgehe und die Abschlagszahlungen an die MitarbeiterInnen in der Höhe von 360 Mio. € hinzurechne, bleibe ein Profit von 800 Mio. € über, rechnete er vor. Ein Rätsel bleibt für Loacker auch, warum der Betriebsrat dem ganzen Deal zugestimmt hat.

Verfassungswidrig könnte das Gesetz laut Loacker und Belakowitsch-Jenewein auch deshalb sein, weil die Bank Austria bei der seinerzeitigen Übernahme von MitarbeiterInnen aus anderen Unternehmen nur eine 7%ige Abschlagszahlung für übernommene Pensionsansprüche erhalten hat.

Seitens des Team Stronach sieht Abgeordnete Waltraud Dietrich noch viele Frage offen. Ohne eine intensive Diskussion mit Verfassungsexpertinnen hält sie eine Gesetzesbeschluss nicht für möglich. Scharfe Kritik übte Dietrich an der Bank Austria, sie geht auf Grund von Gesprächen mit einem Manager des Unternehmens davon aus, dass das Retailgeschäft der Bank trotz gegenteiliger Zusagen geschlossen wird.

SPÖ, ÖVP und Grüne: Gesetzesnovelle erspart SteuerzahlerInnen Geld

Verteidigt wurde die Gesetzesnovelle unter anderem von den ÖVP-Abgeordneten August Wöginger und Werner Groiß. So hielt Wöginger verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen, dass auch in der bestehenden Situation keine Rechtssicherheit gegeben sei. Groiß sieht im Gesetz "einen vernünftigen Versuch, dem Steuerzahler Geld zu sparen". Die Betriebsvereinbarung kann seiner Meinung nach unabhängig von der vorliegenden Novelle bekämpft werden. Ist man damit nicht erfolgreich, biete der vorliegende Entwurf immerhin ein Sicherheitsnetz.

Was die Kritik von Abgeordneter Belakowitsch-Jenewein an der Beibehaltung des 7%igen Überweisungsbetrags im §311 ASVG betrifft, stellte SPÖ-Sozialsprecher und Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch weitere politische Verhandlungen in Aussicht. Für eine Änderung dieses Paragraphien ist ihm zufolge aber ein Konsens mit den Ländern nötig, wobei Grün-Abgeordnete Judith Schwentner meinte, dass man sich vor dem Auslösen des Konsultationsmechanismus nicht fürchten solle.

Die vorliegende Gesetzesnovelle wurde von den Grünen ausdrücklich unterstützt, auch wenn sich Schwentner weitergehende Maßnahmen gewünscht hätte, wie sie sagte.

Für Sozialminister Alois Stöger stellt die vorliegende Gesetzesnovelle sicher, dass sich die Bank Austria nicht auf Kosten der Allgemeinheit sanieren könne. Dass das Gesetz möglicherweise vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten wird, sei ein stets bestehendes Risiko, sagte Stöger, man habe die Bestimmungen aber nach bestem Wissen und Gewissen verfassungskonform formuliert. Den Vorwurf von Korruptionshandlungen wies er ganz klar zurück.

Der Sozialausschusses wird sich heute auch noch mit zwei FPÖ-Anträgen zum Pensionstransfer der Bank Austria beschäftigen. Neben der Änderung des §311 ASVG geht es Abgeordneter Belakowitsch-Jenewein darum, mehr Licht in den "Pensionsdeal" zu bringen. In diesem Sinn fordert sie einen detaillierten Bericht von Sozialminister Stöger über etwaige Absprachen zwischen der Bank Austria und dem Sozialressort bzw. der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vor dem öffentlichen Bekanntwerden des Vorhabens ein. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs