Parlamentskorrespondenz Nr. 322 vom 31.03.2016

Mikl-Leitner zur Flüchtlingsfrage: Österreichische Vorgangsweise ist gerechtfertigt

EU-Unterausschuss diskutiert EU-Paket zur Sicherung der Außengrenzen

Wien (PK) – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidigte heute im EU-Unterausschuss des Nationalrats einmal mehr die Vorgangsweise der österreichischen Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage. Wie Josef Cap (S) bekräftigte sie, dass diese gerechtfertigt sei und eine Notmaßnahme darstelle, um eine gemeinsame europäische Lösung voranzutreiben. Die Ministerin hob dabei auch die Leistung Mazedoniens hervor.

Österreich vollziehe das, was zum Großteil die Aufgabe von Deutschland wäre, so Mikl-Leitner. Würde Österreich nicht handeln und Deutschland immer mehr Personen zurückschieben, wäre die Situation für Österreich unhaltbar, appellierte sie an den Realitätssinn. Verhielten sich alle Mitgliedsstaaten wie Österreich, hätte man in Europa viel mehr geschafft, bemerkte die Ministerin kritisch und forderte in diesem Zusammenhang nicht nur mehr Engagement von allen Mitgliedstaaten, sondern auch von Drittstaaten wie etwa Kanada und den USA. "Da ist noch viel Luft nach oben." Zudem machte die Ministerin darauf aufmerksam, dass man nun der Ostbalkanroute und der Mittelmeerroute mehr Aufmerksamkeit schenken müsste. Sie reagierte damit auf den Vorwurf des NEOS-Abgeordneten Rainer Hable, der sich von der Regierung mehr Energie für gemeinsame europäische Lösungen gewünscht hätte, auch wenn er durchaus die Notwendigkeit nationaler Maßnahmen einräumte.

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ, Josef Cap, unterstützte die Aussagen der Ministerin vehement. Auch wenn man selbstverständlich die Probleme an den Wurzeln anpacken und europaweite Lösungen anstreben müsse, sei die Politik gefordert, realistisch und pragmatisch zu handeln und damit auch nationale Elemente im Verein mit der EU zu berücksichtigen. In diesem Sinne befürwortete Cap auch das Abkommen mit der Türkei, denn das habe zu einer drastischen Senkung der Flüchtlingszahlen geführt. Offensichtlich konnte man damit die Schlepperindustrie untergraben. Cap drängte auch auf Maßnahmen, die stabilisierend auf Libyen wirken.

Systematische Kontrollen für EU-BürgerInnen an der Außengrenze und eine neue Europäische Grenz- und Küstenwache

Grundlage für die Diskussion waren zwei Verordnungsentwürfe der EU-Kommission, die auf eine Änderung des Schengener Grenzkodex und eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen hinauslaufen. Ziel ist es, illegale Grenzübertritte zu verhindern, illegal aufhältige Migranten rascher zurückzuführen, Sekundärmigration zu minimieren und grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Mit den der Erhöhung der Sicherheit des Schengenraums sollen Binnengrenzkontrollen obsolet werden. Die Sicherung der EU-Außengrenzen funktionieren seit Jahren nicht, sagte Mikl-Leitner, man sei aber nun bestrebt, einen Mechanismus zu schaffen, der schneller und effektiver ist.

Angesichts der rund 5.000 EU-BürgerInnen, die sich in Drittstaaten Terrororganisationen angeschlossen haben, und der jüngsten Terroranschläge schlägt die Kommission eine systematische Kontrolle auch aller EU-BürgerInnen bei der Einreise in die und Ausreise aus der EU vor. Laut Entwurf soll diese Verpflichtung grundsätzlich für alle Außengrenzen gelten, also Land-, See- und Luftgrenzen. Ausnahmen davon sollen jedoch auf Basis einer Risikoanalyse möglich sein, wenn die Kontrollen eine ungebührende Belastung bei der Abfertigung darstellen würden. Dazu ist eine Änderung des Schengener Grenzkodex erforderlich. Wie die Erläuterungen des Innenministeriums dazu weiter ausführen, ist man bestrebt, ein höchstmögliches Niveau an Datenschutz auch weiterhin zu gewährleisten. Deshalb erfolge eine Registrierung der kontrollierten Person nur im Falle eines Treffers beim Abgleich mit einer der einschlägigen Datenbanken (insbesondere SIS II, Interpol und nationale Datenbanken zu gestohlenen und verlorenen Reisedokumenten).

Außerdem plant man den Aufbau einer integrierten Europäischen Grenz- und Küstenwache, bestehend aus den nationalen Systemen der Mitgliedstaaten und der um neue Kompetenzen und Ressourcen erweiterten bisherigen Agentur FRONTEX (künftig: Agentur für Grenz- und Küstenwache). Sie soll dazu beitragen, dass auf überproportionalen Migrationsdruck wie auch auf Defizite im Grenzschutz rasch reagiert werden kann, in letzter Konsequenz auch ohne Ersuchen des betroffenen Mitgliedstaates, wie das Innenressort betont. Die Agentur soll laut Plan ihre Arbeit bis September aufnehmen.

Der Vorstoß der Kommission wurde im Ausschuss sehr unterschiedlich gesehen. Während sich SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach dazu positiv äußerten, wurden die Vorhaben von der FPÖ gänzlich abgelehnt. Die Grünen sahen darin in erster Linie Maßnahmen zur Abwehr von Flüchtlingen.

Grüne vermissen ausreichenden Grundrechtsschutz

Mit diesem Vorschlag werde eine neue und umfassende Sicherheitsbehörde mit weitgehenden Kompetenzen geschaffen, die auch Staaten Anweisungen geben kann, ohne aber über eine ausreichende menschenrechtliche Kontrolle zu verfügen, begründete Alev Korun (G) den kritischen Standpunkt ihrer Partei. Der Behörde nur einen Grundrechtsbeauftragten zu geben, sei ein "schlechter Scherz", so Korun, den Vorschlag könne man keinesfalls guten Gewissens zustimmen. Sie vermutet, dass es bei der Abschottung der EU-Außengrenzen hauptsächlich um die Abwehr von Schutzsuchenden gehe. Dem widersprach die Ministerin, indem sie darauf hinwies, dass FRONTEX das Thema Menschenrechte sehr ernst nehme und derzeit eine eigene Grundrechtsstrategie und einen Verhaltenskodex ausarbeite.

FPÖ für Sicherung der nationalen Grenzen

Die Ablehnung der Vorschläge durch die FPÖ erfolgte aus einem gänzlich anderen Grund. FRONTEX habe bisher versagt und eher Massenschlepperei begangen, kritisierte Johannes Hübner massiv die Kompetenzerweiterung. Von einer Sicherung der Grenze könne nicht einmal in Ansätzen die Rede sein, FRONTEX strebe nicht die Schließung der Grenzen an, sondern konzentriere sich auf das Erfassen von Flüchtlingen. Die FPÖ sehe daher FRONTEX als eine massive Bedrohung für die EU-Außengrenzen, sagte Hübner, der sich mit Nachdruck dafür aussprach, das Einwanderungs- und Grenzmanagement bei den Nationalstaaten zu belassen.

Ein diesbezüglicher Antrag auf Stellungnahme wurde jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt. ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl betrachtete die Stoßrichtung des Antrags als einen Widerspruch in sich, denn die Sicherung der Außengrenzen zugunsten nationaler Kontrolle aufzugeben, wäre seiner Meinung nach für Österreich der wesentlich schlechtere Weg.

Unterstützung erhielt Hübner demgegenüber von seiner Klubkollegin Barbara Rosenkranz, die starke Zweifel erhob, dass die systematischen Kontrollen zu schaffen seien. Sie lehnte auch dezidiert alle Bestrebungen ab, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen, denn die Entscheidung darüber, wem Asyl gewährt wird, unterliege der Souveränität der Nationalstaaten, betonte sie. Außerdem würde die Genfer Konvention von den einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich ausgelegt. Asyl sei ein Schutz auf Zeit und stelle ein individuelles Recht dar, so Rosenkranz.

SPÖ, ÖVP, NEOS und TEAM Stronach befürworten EU-Vorhaben

Seitens der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP kam volle Unterstützung für die Vorhaben. Ein rein nationaler Weg würde zur Auflösung des Schengenraums führen, argumentierte Georg Vetter (V), eine effiziente Lösung könne nur eine Behörde leisten, wie sie der Vorschlag der EU ins Auge fasst. Auch Jürgen Schabhüttl (S) sprach von "sehr sinnvollen Plänen".

Ebenfalls positiv fielen die Reaktionen von NEOS und Team Stronach aus. Rainer Hable (N) befürwortete die neuen Instrumentarien für ein umfassendes Grenzmanagement und unterstützte jene Bestimmung, wonach die neue Behörde auch selbst Maßnahmen setzen kann. Er hofft, dass die niederländische Präsidentschaft das Paket bis Ende Juni zum Abschluss bringen kann. "Die Maßnahmen sind richtig", merkte auch Waltraud Dietrich (T) an, schön langsam habe man erkannt, dass man endlich Schritte setzen müsse, um die Außengrenzen tatsächlich zu sichern. Auf keinen Fall darf Dietrich zufolge FRONTEX als Schlepperorganisation verwendet werden.

Nur österreichische BeamtInnen können auf innerstaatliche Daten zugreifen

Da es bei den Vorhaben auch um einen verbesserten Datenaustausch geht, sprachen die Abgeordneten die Sensibilität dieser Frage an. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner stellte gegenüber Peter Pilz (G), Franz Leonhard Eßl (V) und Jürgen Schabhüttl (S) klar, dass auf nationale Datenbanken nur österreichische BeamtInnen zugreifen können. Pilz hatte im Vorfeld die Frage aufgeworfen, ob aufgrund des Textentwurfs an den Außengrenzen auch ausländische Polizeibehörden in nationale Systeme Einsicht nehmen können. Für alle BeamtInnen seien etwa die Daten von SIS II und INTERPOL zugänglich, die Nationalstaaten speisen aber dort die wichtigsten Daten ein, so die Ministerin. Sie sagte aber den Abgeordneten zu, diesen heiklen Punkt im Rat im Sinne einer unmissverständlichen Formulierung anzusprechen. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan