Parlamentskorrespondenz Nr. 389 vom 20.04.2016

Oppositionsanträge im Familienausschuss führen zu Grundsatzdebatten

Keine Einigkeit zu Auslandsüberweisung von Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld und Beratungsangeboten für Schwangere

Wien (PK) – Im zweiten Teil seiner Sitzung widmete sich der Familienausschuss einer breiten Palette von Anliegen der Opposition, die teilweise Anlass zu Grundsatzdebatten gaben. So traten sehr unterschiedliche Sichtweisen zur Forderung der FPÖ, Familienbeihilfe für Kinder im Ausland an die jeweiligen Lebenshaltungskosten anzupassen, zutage. Während SPÖ, Grüne und NEOS dies mit EU-Prinzipien grundsätzlich nicht für vereinbar hielten, ist für ÖVP und Team Stronach eine EU-konforme Lösung denkbar. Ein ähnliches Bild ergab sich in der Debatte zum Antrag des Team Stronach nach einem flächendeckenden Netz von Beratungsstellen zur anonymen Beratung von ungewollt Schwangeren nach dem Vorbild Deutschlands. SPÖ, Grüne und NEOS verhielten sich ablehnend dazu, ÖVP und FPÖ sahen hingegen Verbesserungsbedarf. Die diesbezüglichen Anträge, wie auch sämtliche anderen Oppositionsanträge, wurden mit Mehrheit der Koalitionsparteien vertagt.

Die FPÖ setzte sich zudem für familienorientierte Rehabilitationseinrichtungen nach deutschem Vorbild ein. Sie meint auch, dass es eine nicht zweckgemäße Verwendung von Geldern des Familienlastenausgleichsfonds gebe, die abzustellen sei.

Eine ganze Reihe von Anträgen liegen dem Ausschuss zum Kinderbetreuungsgeld vor. Sowohl NEOS als auch Grüne wollen beim einkommensabhängigen Kindergeld ansetzen, um eine bessere soziale Absicherung und bessere Arbeitsmarktchancen vor allem für Mütter zu erreichen. Die NEOS fordern dazu die Anpassung der Bezugsdauer an die zulässige Karenzzeit. Des Weiteren setzen sie auf die Einrichtung einer finanziell attraktiveren Variante des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes. Die Grünen wiederum wollen die Ausdehnung der Rahmenfrist von sechs Monaten, für die BezieherInnen von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld ihre Erwerbstätigkeit belegen müssen, auf zwei Jahre. Sowohl NEOS als auch Grüne drängen auf bürokratische Erleichterungen bei der Bekanntgabe eines Änderungswunsches zur gewählten Bezugsvariante des Kinderbetreuungsgeldes. Die Grünen setzen sich auch für eine Gleichbehandlung von AlleinerzieherInnen bei der sogenannten "Verhinderungsverlängerung" des Kindergeldbezugs ein.

Umstrittene Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland an die jeweiligen Lebenshaltungskosten

Die freiheitliche Mandatarin Anneliese Kitzmüller weist abermals auf den ihrer Meinung nach kritikwürdigen Umstand hin, dass derzeit für alle Kinder, die im EU- bzw. EWR-Raum leben und deren Eltern in Österreich arbeiten, die österreichische Familienbeihilfe ausbezahlt werden muss (1224/A(E)). Aus ihrer Sicht sollte diese Sozialleistung aber an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern angepasst werden. Dies wäre nicht nur sozial gerechtfertigt, sondern würde auch zu enormen Einsparungen führen, argumentiert Kitzmüller. Überlegungen dazu gebe es auch seitens von ÖVP-Ministern und der EU-Kommission. Auch Verfassungs- und Europarechtsexperten seien der Ansicht, dass bei einer entsprechenden Ausgestaltung der Regelung eine diskriminierungsfreie und somit rechtskonforme Lösung möglich sei, hob die Abgeordnete hervor.

Aus Sicht von Abgeordneter Cornelia Ecker (S) gilt es, in dieser Frage die weiteren Entwicklungen auf EU-Ebene abzuwarten. Claudia Gamon (N) und Harald Walser (G) lehnten den Antrag rundweg ab. Sie sahen ein zentrales Grundprinzip der EU, die Personenfreizügigkeit, sowie das Ziel der Sozialunion in Frage gestellt. Angela Lueger (S) und Ulrike Königsberger-Ludwig hielten fest, der Anspruch auf die Familienbeihilfe ergebe sich aus der Tatsache, dass die Eltern in Österreich arbeiten, es könne hier keine Ungleichbehandlung von ArbeitnehmerInnen geben, zumal Österreich auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sei. Das wiederum wollte ÖVP-Abgeordneter Asdin El Habbassi nicht so sehen, aus seiner Sicht geht es nicht darum, jemandem Leistungen vorzuenthalten, sondern darum, diese realistisch zu gestalten, was eine Anpassung der Leistungen an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsland des Kindes bedeuten würde. Auch Leopold Steinbichler (T) stimmte diesem Gedankengang zu.

Team Stronach urgiert flächendeckendes Beratungsnetz für ungewollt Schwangere

Eine lebhafte Debatte löste ein Antrag des Team Stronach mit der Forderung nach einem flächendeckenden Netz von Beratungsstellen zur anonymen Beratung von ungewollt Schwangeren nach deutschem Vorbild aus (366/A(E)). Mit dieser Maßnahme, die unter Einbeziehung der Länder erfolgen soll, sowie mit weiteren Schritten, wie etwa subventionierten "Leihomas", Babysitter-Zuschüssen und besonderen Unterstützungsmaßnahmen von arbeitslosen Jungvätern und Jungmüttern durch das AMS, soll die Zahl der Abtreibungen in Österreich verringert und die Geburtenrate gesteigert werden. Für eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft sei das von besonderer Bedeutung, sagte Team-Stronach-Abgeordneter Steinbichler. Marcus Franz (V), der den Antrag ursprünglich eingebracht hatte, reagierte auf die heftige Kritik seitens der SPÖ, der Grünen und der NEOS mit der Feststellung, es gehe keinesfalls darum, die Fristenlösung in Frage zu stellen. Als Arzt könne er sicherlich nicht verantworten, zu den Zuständen vor 1975 zurückzukehren. Gleichzeitig müsse man sich aber fragen, woraus die unverhältnismäßig hohe Zahl von Abtreibungen in Österreich resultiere und wie sie gesenkt werden könne. In diesem Sinne sprach sich auch Carmen Schimanek (F) aus.

Grundsätzliche Ablehnung kam von den Abgeordneten Claudia Gamon (N), Aygül Berivan Aslan (G) und den SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits, Angela Lueger und Ulrike Königsberger-Ludwig. Sie meinten übereinstimmend, dass der Antrag grundsätzlich in eine völlig falsche Richtung gehe. Kucharowits und Königsberger-Ludwig vermuteten, dass damit eine Debatte initiiert werden solle, in deren weiteren Verlauf das Recht der Frauen auf freie Entscheidung in Frage gestellt werden soll. Wenn es tatsächlich um die Zahl der Abtreibungen gehe, so gebe es andere Möglichkeiten, anzusetzen, so der allgemeine Tenor der Kritikerinnen. Vor allem müsse der Fokus stärker auf Prävention, also besserer Zugang zu Verhütungsmitteln und Sexualerziehung, gelegt werden. Königsberger-Ludwig stellte in diesem Zusammenhang die Sinnhaftigkeit einer statistischen Erfassung von Abtreibungen infrage. Elisabeth Pfurtscheller (V) meinte, es gebe sehr wohl Bedarf an einer solchen Statistik, eine Meinung, die auch ihr Fraktionskollege Nikolaus Prinz vertrat. Pfurtscheller appellierte an die SPÖ, ihre Positionen zu überdenken und gemeinsam über Verbesserungen der Beratung nachzudenken. Man werde sicherlich in einigen Punkten zu gemeinsamen Lösungen finden können, meinte sie. Zur Frage der Beratungseinrichtungen teilte Familienministerin Sophie Karmasin die von Seite der SPÖ vorgebrachte Ansicht, dass es bereits gute funktionierende Familienberatungseinrichtungen gebe, die auch die Aufgaben einer objektiven Schwangerschaftsberatung wahrnehmen.

FPÖ für familienorientierte Rehabilitation nach deutschem Vorbild

Die Freiheitlichen zeigen sich besorgt über Versorgungslücken im Bereich der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen in Österreich (1279/A(E)). Da es bei einigen schweren Erkrankungen, von denen auch Kinder betroffen sein können, unumgänglich ist, dass PatientInnen eine Reha-Klinik aufsuchen, sollte auf deren besondere Situation besser Rücksicht genommen werden, fordert Abgeordnete Carmen Schimanek (F). Aus der familiären Belastungssituation entstehe auch eine Rehabilitationsbedürftigkeit der Eltern und gegebenenfalls der Geschwister. In Deutschland wurden bereits mehrere Rehabilitationskliniken eingerichtet, die sich auf Familien und Jugendliche spezialisiert haben. Die Freiheitlichen wünschen sich daher ein Gesetz, mit dem auch in Österreich entsprechende Rahmenbedingungen für die familienorientierte Rehabilitation nach deutschem Vorbild geschaffen werden. Ein Antrag sei bereits in der vorhergehenden Gesetzgebungsperiode abgelehnt und ein neuerlicher diesbezüglicher Vorstoß vom Gesundheitsausschuss im Oktober 2014 wieder vertagt worden, sagte Schimanek. Nun sei es an der Zeit, endlich zu einer Umsetzung zu kommen. Hermann Lipitsch (S) verwies darauf, dass ein konkretes Projekt bereits weit gediehen sei, daher sei eine Vertagung des Antrags gerechtfertigt. Julian Schmid (G) und Leopold Steinbichler (T) meinten hingegen, aufgrund der Verzögerungen der Umsetzung wäre es gut, der Forderung durch Zustimmung zum Antrag nochmals Nachdruck zu verleihen.

FPÖ sieht Zweckentfremdung von FLAF-Mitteln

FPÖ-Abgeordnete Kitzmüller weist außerdem darauf hin, dass es bereits über einen längeren Zeitraum hinweg Usus geworden sei, jährlich rund 1,2 Mrd. € aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) für Leistungen zu entnehmen, die aus ihrer Sicht nur bedingt oder in keiner Weise mehr mit dem Konzept des Ausgleichs für unterhaltsbezogene finanzielle Lasten verbunden sind. Das seien unter anderem Zahlungen für die Schüler- bzw. Studenten-Unfallversicherung, Pensionsbeiträge für Wahl- und Pflegekinder und für Kindererziehungszeiten. Sie fordert, durch Verhandlungen mit den jeweils zuständigen Ressorts spätestens ab dem Budget 2016 sicherzustellen, dass die Mittel des FLAF wieder zur Gänze für familienrelevante Leistungen zur Verfügung stehen (797/A(E)). Harald Walser (G) hielt ihr entgegen, dass die Fehlentwicklungen beim FLAF eine grundsätzliche Neustrukturierung notwendig mache. Nur mit Verschiebung von Mitteln sei es nicht getan. Norbert Sieber (V) sah in den genannten Beispielen keine Zweckentfremdung der Mittel und verwies auf eine Arbeitsgruppe, die eingerichtet ist, um die Verwendung der FLAF-Mittel zu überprüfen.

NEOS und Grüne wollen einkommensabhängiges Kindergeld reformieren

Ein eigener Debattenblock war Fragen des Kinderbetreuungsgelds gewidmet. Hierzu verwies Bundesministerin Sophie Karmasin, wie schon in der Aussprache, auf laufende Verhandlungen der Koalitionsparteien über eine Reform des Kinderbetreuungsgeld-Kontos. Zusätzliche Varianten zu den schon bestehenden Formen des Kinderbetreuungsgeldes zu schaffen, wozu einige Anträge führen würden, sehe sie nicht als zielführend an, stellte sie fest. Auch seien einige der Forderungen, etwa nach rascher und klarer Information beim Wechsel der gewählten Variante, schon umgesetzt.

Die NEOS vertreten die Ansicht, dass eine gerechtere Aufteilung der ökonomischen Auswirkungen von Elternschaft zwischen den Geschlechtern mittels Änderungen der Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld erreicht werden kann. Da eine Karenz nach österreichischem Recht höchstens bis zum zweiten Geburtstag des Kindes in Anspruch genommen werden darf, soll auch die Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds mit 24 Monaten befristet sein, befinden die NEOS (1517/A(E)). Derzeit haben Eltern bis zu 30 Monate Anspruch auf Kindergeld, dürfen in dieser Zeit allerding nicht über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus verdienen. Claudia Gamon (N) erwartet, dass eine Harmonisierung von Kinderbetreuungsgeldbezugszeit und Karenzzeit eine raschere Wiedereingliederung von Elternteilen und speziell von Müttern in den Arbeitsprozess bewirkt und letztlich der Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsmarkt dient.

Zusätzlich zur bestehenden Form des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds schlagen die NEOS auch eine Variante vor, die ihrer Meinung nach für den besserverdienenden Elternteil mehr ökonomische Anreize schafft, längere Teile der Elternkarenz zu übernehmen. Konkret will Jugendsprecherin Claudia Gamon, dass in dieser neuen einkommensabhängigen Bezugsform die Ersatzrate von 80 auf 48 Prozent gesenkt, dafür aber die Bezugsdauer von 12 auf maximal 24 Monate angehoben wird (1518/A(E)). Das Modell wäre ihr zufolge finanziell weitaus attraktiver als die pauschalen Bezugsformen, die für über 12-monatige Betreuungszeiten verfügbar sind.

Nach Ansicht der Grünen ist die Rahmenfrist von sechs Monaten, für die BezieherInnen von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld ihre Erwerbstätigkeit belegen müssen, zu kurz bemessen. Julian Schmid unterstützte die Forderung der Familiensprecherin der Grünen, Judith Schwentner, nach Ausweitung des Zeitraums, innerhalb dessen das Erwerbseinkommen für ein halbes Jahr nachzuweisen ist. Dieser sollte auf zwei Jahre vor der Geburt des Kindes (1561/A(E)) ausgedehnt werden. Damit wäre es leichter möglich, nach Vorfällen wie Kündigung oder Insolvenz bzw. nach Zeiten von Präsenz- und Zivildienst, Bildungskarenz, Familienhospizkarenz und Krankengeldbezug das höher dotierte Bezugsmodell zu wählen, sagte er. Damit entspreche man auch besser der Lebenssituation junger Eltern von heute.

Grüne: Gleichstellung von AlleinerzieherInnen

Schmid argumentierte auch für Schwentners Forderung nach finanzieller Gleichstellung von alleinerziehenden Elternteilen mit Paaren beim Bezug des Kinderbetreuungsgelds (1332/A(E)). Seit dem 1.1.2010 gebe es zwar die Möglichkeit für AlleinerzieherInnen, zwei Extra-Monate zu erhalten ("Verhinderungs-Verlängerung"), die Regelung sei aber zu eng gefasst, sagte Schmid. Aus diesem Grund sollten AlleinerzieherInnen automatisch, und zwar unabhängig von ihrer Einkommenssituation oder außergewöhnlichen Lebensumständen (z.B. Tod des Partners), zusätzliche Kinderbetreuungsgeld-Monate zugestanden werden.

NEOS und Grüne für klarere Information beim Wechsel von Kinderbetreuungsgeldvarianten

Bei der Bekanntgabe eines Änderungswunsches bezüglich der gewählten Bezugsvariante des Kinderbetreuungsgelds ist laut Gesetz eine Frist von 14 Kalendertagen einzuhalten, was in der Praxis aber oft schwierig sei, urteilen sowohl NEOS als auch Grüne. Um Probleme künftig zu vermeiden, soll laut NEOS durch eine Änderung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes festgelegt werden, dass seitens des zuständigen Krankenversicherungsträgers ein Bestätigungsschreiben binnen 14 Tagen ab Antragstellung zu ergehen hat. Im Falle einer elektronischen Antragstellung soll umgehend eine Bestätigung an die zwingend bekannt zu gebende Email-Adresse übermittelt werden, heißt es im Antrag der NEOS (942/A). In dieselbe Richtung zielt auch der Antrag der Grünen, sagte Abgeordneter Julian Schmid (G). Im Kinderbetreuungsgeldgesetz sollte den Eltern daher eine Frist ab Erhalt der Bestätigung über das Einlangen des Antrags eingeräumt werden (676/A). (Schluss Familienausschuss). sox