Parlamentskorrespondenz Nr. 421 vom 28.04.2016

Nationalrat gewährt Staatsanwaltschaft vereinfachten Blick ins Kontenregister

Opferschutz bildet roten Faden in Novelle zur Strafprozessordnung

Wien (PK) – StaatsanwältInnen wird künftig der Blick ins Kontenregister schneller ermöglicht, wenn sie dies in einem Strafverfahren für notwendig halten. Mit breiter Mehrheit nahm der Nationalrat heute entsprechende Änderungen der Strafprozessordnung an, sodass die Auskunft aus der Datenbank mit Kontostammdaten nunmehr als Ermittlungsmaßnahme gilt. Zielsetzung der Novelle ist darüber hinaus auch der Opferschutz, dies vor allem durch Stärkung der Rechte auf Information und Ausbau der Verfahrensrechte. Mit einem mehrheitlich angenommenen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage wird überdies sichergestellt, dass Kopien von Videos mit Befragungen der Sexualopfer unzulässig sind; künftig dürfen diese Aussagen nur noch protokolliert dem Akt angefügt werden. Von Justiz- und Innenministerium fordern die Abgeordneten mehrheitlich auf Initiative der Regierungsfraktionen zusätzlich Berichte über Schulungsmaßnahmen in puncto Opferschutz ein.

Abänderungsanträge zur Gesetzesvorlage von Grünen und NEOS beziehungsweise der FPÖ wurden von der Plenumsmehrheit dagegen abgelehnt. In der Minderheit blieben außerdem ein Antrag der Grünen auf Einführung eines zentralen österreichischen Kontenregisters zum ausschließlichen Zweck der Strafverfolgung sowie eine NEOS-Forderung, standardmäßig Videoaufnahmen von Einvernahmen durch die Polizei zu machen.

Bankkontenöffnung wird erleichtert, Opferschutz verstärkt

Die Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO) schaffen zunächst die rechtliche Basis für den Zugriff auf das im Zuge der Steuerreform eingeführte zentrale Kontenregister. Für die Einsicht in äußere Kontodaten wie Name des Inhabers, Wohnort oder Geburtsdatum reicht demnach eine staatsanwaltschaftliche Anordnung aus, Auskünfte über den Inhalt der Konten bedürfen hingegen einer gerichtlichen Bewilligung. Die Regelung sichere den unmittelbaren Zugriff durch die Staatsanwaltschaft und helfe im Verfahren, Zeit zu sparen, umriss Justizminister Wolfgang Brandstetter die Zielsetzung der Regierungsvorlage. Schon bisher habe die Staatsanwaltschaft ohne richterliche Genehmigung Einblick erhalten, allerdings waren dazu vorab Anschreiben an sämtliche Bankinstitute notwendig. Diese Vorgabe vereinfache man nun.

Die Bestimmungen im Gesetzesvorschlag für verbesserten Opferschutz setzen eine entsprechende Richtlinie der EU um und betonen vor allem die besondere Schutzbedürftigkeit. Als besonders schutzbedürftig gelten dabei jedenfalls Minderjährige und Opfer von Sexualdelikten. Diese haben im Prozess etwa das Recht auf schonende Einvernahme und auf Beiziehung einer Vertrauensperson. Auch sollen Opfer auf Antrag über die Flucht eines in Untersuchungshaft befindlichen Täters verständigt werden. Was den Ausbau der Beschuldigtenrechte betrifft, bringt die Novelle in Entsprechung einer EU-Richtlinie schließlich Mindestnormen für das Recht auf Rechtsbeistand sowie das Recht auf Kontaktaufnahme bei einer Festnahme innerhalb der EU. Laut Peter Wittmann (S) ist aufgrund der heimischen Rechtslage beim Opferschutz kaum Änderungsbedarf zur Richtlinienumsetzung notwendig. Österreich verfüge bereits über ein hohes Niveau in diesem Bereich.

Auf Kritik an der derzeitigen Regelung, wonach Sexualtätern Videos mit Aussagen ihrer Opfer ausgehändigt werden können, reagierten SPÖ und ÖVP mit einem Abänderungsantrag, den Ruth Becher (S) einbrachte. Vorgesehen ist darin nur noch eine verschriftliche Kopie der aufgezeichneten Angaben. Da die Anwälte der Beschuldigten weiterhin Gelegenheit haben, die Videos von sexuell Missbrauchten bei Gericht anzusehen, blieben auch die Verteidigerrechte gewahrt, versuchten die AntragstellerInnen mögliche Kritikpunkte auszuräumen. Außerdem würde auch die Staatsanwaltschaft keine Kopie der Videos erhalten, fügte Minister Brandstetter an. Johannes Hübner (F) ließ sich dennoch nicht überzeugen, sah er doch gerade bei kontradiktorischen Vernehmungen dadurch eine drastische Einschränkung der Beschuldigtenrechte.

Ein Zeichen setzten die Regierungsfraktionen schließlich in Bezug auf die Verbesserung von Beratungsleistungen für Opfer, insbesondere jenen von Menschenhandel und Hasskriminalität. Bis Mai 2018 sollten die Ressorts für Justiz und Inneres dem Parlament Informationen über konkrete Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zur Wahrung der Opferrechte sowie über diesbezügliche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zukommen lassen. Die adäquate Beratung der Opfer sei unbedingt sicherzustellen, erläuterte Beatrix Karl (V) das Ersuchen, fügte allerdings in Bezug auf die Novelle an, diese trage diesem Vorsatz bereits Rechnung. Sehr zu begrüßen sei die Verbesserung des Opferschutzes, pflichtete Gisela Wurm (S) bei, die besonders die Ausweitung des Opferbegriffs hervorhob und die neuen Standards für die Prozessbegleitung. Österreich hat in diesem Zusammenhang Wurm zufolge europaweit Vorbildwirkung, was Nikolaus Berlakovich (V) bestätigte. Bedauernd stellte er aber fest, die Gewaltbereitschaft sei im Steigen begriffen, woraus sich eine Verpflichtung der Legislative ergebe, Schutzrechte ab dem Ermittlungsverfahren auszuweiten. Wie Christoph Hagen (T) erklärte Berlakovisch, rigoros sei gegen Asylwerbende vorzugehen, die sich sexuellen Missbrauchs schuldig machen. Diese Personen müsse man nach einer Verurteilung sofort des Landes verweisen.

Zur erleichterten Einsicht in äußere Kontodaten sagte Karl, damit würden neue Maßstäbe im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität gesetzt. Eine Anordnung der Staatsanwaltschaft solle hierzu ausreichend sein, weil ansonsten unverhältnismäßig aufwendige Verfahren die Folge wären. Für Rutz Becher (S) ist der Einblick ins Konteregister nunmehr in einer praktikableren Weise möglich. Vor allem im Vorgehen gegen Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft sei die Novelle daher ein wichtiger Schritt, unterstrich die SPÖ-Bautensprecherin.

Ermittlungsverfahren: Vorschläge der Opposition ohne Mehrheit

Wiewohl der Stärkung der Opferrechte prinzipiell zugetan, erwartete sich Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser noch Nachschärfungen im Gesetzestext – beispielsweise durch die explizite Nennung besonders Schutzbedürftiger, die von Ausbeutung wie Menschenhandel betroffen sind. Auch persönliche Merkmale sollten zur Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Opfern berücksichtigt werden, was er mit einem von seiner Fraktion gemeinsam mit den NEOS verfassten Abänderungsantrag bekräftigte. In Sachen Kontenregister, dessen leichtere Einsicht er befürwortete, wandte er sich gegen ein eigenes Rechtsmittelrecht der Banken. Dementsprechend drängte in seinem Entschließungsantrag auf die Begrenzung des Rechtsmittelrechts bei Kontoöffnungen auf die jeweils betroffene verfügungsberechtigte Person. Nach Ansicht der Grünen werden Ermittlungen durch das geltende Rechtsmittelrecht, das sowohl den Bankenzusammenschlüssen als auch jeder einzelnen Bank gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft zusteht, erschwert.

Der Freiheitliche Hübner führte aus, der stärkeren Abgrenzung von Opferrechten und Beschuldigtenrechten zugunsten des Opferschutzes sei grundsätzlich zuzustimmen, allerdings wertete er die Vereinfachung der Konteneinsicht aufgrund der Eingriffe ins Privatrecht sehr problematisch. Aus diesem Grund verlangte die FPÖ in der Sitzung mit einem eigenen Abänderungsantrag zur Vorlage unbedingt eine gerichtliche Bewilligung zur Kontenregistereinschau. Ein großes Problem hatte Team Stonach-Mandatar Hagen mit der StPO-Änderung, die ihm zufolge dem Täterschutz dient, konkret im Kontext der polizeilichen Aufklärung.

Einvernahmen als Teil von Ermittlungen thematisierte NEOS-Justizsprecher Nikolaus Scherak, als er seinen Antrag auf Videoaufzeichnung von ersten Einvernahmen vor der Polizei umriss. Da Befragungen durch die Exekutive oft nur in Protokollform festgehalten würden, fehle es am unmittelbaren Eindruck, klagte er. Er hält es daher für hoch an der Zeit, audiovisuelle Aufnahmen von Einvernahmen zumindest in einem Modellprojekt zu erproben. Anders als die Regierungsfraktionen und die Grünen wertet Scherak die Einsicht ins Kontenregister ohne richterliche Bewilligung ähnlich wie die FPÖ als eindeutigen Eingriff in die Privatsphäre.

Brandstetter: Unterstützung für Opfer wird sichergestellt

Justizminister Wolfgang Brandstetter betonte, dass mit der Gesetzesänderung dank der konstruktiven Arbeit im Justizausschuss spürbare Politik für die Bevölkerung gemacht wird. Nicht zuletzt die Richterschaft habe mit sinnvollen Lösungsvorschlägen zur Gesetzeswerdung ebenfalls beigetragen. Den SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrag zum Verbot von Videokopien von Opfereinvernahmen verteidigte er mit dem Hinweis, diese Einschränkung gelte auch für die Staatsanwaltschaft, es herrsche also Waffengleichheit.

Deutlich werde mit der gesetzlichen Maßnahme jedenfalls, dass Opfern von Straftaten die beste Unterstützung zukommen soll, so Brandstetter. Gerechtigkeit sei nicht nur dem Täter zuzugestehen, sondern vor allem auch den Geschädigten. Keinesfalls dürften sie auf der Suche nach Unterstützungsleistungen von einer Behörde zu nächsten pilgern müssen – vielmehr habe die öffentliche Hand den Leidtragenden bestmöglich und unbürokratisch zu helfen. Polizei und Justiz seien alleine jedoch außerstande, umfassende Hilfe im gebotenen Maß zu bieten, räumte der Minister ein. Ausdrücklichen Dank sprach er daher den zivilgesellschaftlichen Opferschutzorganisationen aus. (Fortsetzung Nationalrat) rei