Parlamentskorrespondenz Nr. 526 vom 18.05.2016

Nationalrat stimmt neuem Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping zu

Sozialminister Stöger erwartet sich mehr Fairness am Arbeitsmarkt

Wien (PK) – Dass Beschäftigte ausländischer Unternehmen nach österreichischem Kollektivvertrag bezahlt werden müssen, wenn sie vorübergehend in Österreich arbeiten, und auch Anspruch auf die gleichen Ruhezeiten und Urlaubsansprüche haben wie ArbeitnehmerInnen heimischer Betriebe, ist seit langem geltendes Recht. Allerdings ist es nicht immer einfach, Verfahren gegen ausländische Unternehmen zu führen und verhängte Strafen wegen der Bezahlung von Dumpinglöhnen und ähnlicher Delikte auch zu vollstrecken. Das soll sich künftig durch eine bessere Kooperation mit den Behörden der anderen EU-Länder ändern.

Der Nationalrat hat heute grünes Licht für die Einrichtung eines EU-weiten elektronischen Behördenkooperationssystems (IMI) gegeben. Österreich setzt damit eine EU-Richtlinie zur Durchsetzung der EU-Entsenderechtlinie um. Außerdem sind verschiedene begleitende gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping wie etwa eine Auftraggeberhaftung im Baubereich vorgesehen. Erstmals werden die Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping außerdem in einem eigenen Gesetz zusammengefasst. Im Gegenzug sollen bürokratische Erleichterungen seriöse ausländische Unternehmen entlasten. Sozialminister Alois Stöger bezeichnete den vorliegenden Entwurf als einen Meilenstein für mehr Fairness und für mehr Chancengerechtigkeit am heimischen Arbeitsmarkt.

Beschlossen wurde das Gesetzespaket mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen und das Team Stronach zu. Sowohl die FPÖ als auch die NEOS blieben hingegen bei ihrer bereits im Sozialausschuss geäußerten Kritik.

Die neue Auftraggeberhaftung im Baubereich gilt für Lohnansprüche grenzüberschreitend tätiger ArbeitnehmerInnen. Damit will man Auftraggeber von Bauaufträgen dazu bewegen, mehr Sorgfalt bei der Auswahl der ausführenden Unternehmen walten zu lassen. Die Haftung kann auch private Bauherren treffen, für sie muss allerdings offensichtlich sein, dass die vereinbarte Leistung nur durch Unterentlohnung zu erbringen ist.

FPÖ zieht Wirksamkeit des neuen Gesetzes in Zweifel

FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein begründete die Ablehnung des Gesetzespakets durch ihre Fraktion mit erheblichen Zweifeln an der Wirksamkeit der neuen Bestimmungen. Sie fürchtet, dass diese ebenso zahnlos bleiben werden wie die geltenden gesetzlichen Regeln. Auch in der Vergangenheit sei es nicht gelungen, Lohn- und Sozialdumping durch unseriöse ausländische Baufirmen zu unterbinden. Stattdessen würden ordentlich wirtschaftende heimische Unternehmen mit Stammpersonal wegen kleinster Vergehen bestraft und durch übermäßige Bürokratie belastet, kritisierte die FPÖ-Abgeordnete.

NEOS: Regierung würgt grenzüberschreitenden Wettbewerb ab

Aus einem ganz anderen Motiv heraus lehnten die NEOS die vorliegende Novelle ab. Abgeordneter Gerald Loacker befürchtet eine Abschottung des österreichischen Markts und warf den Regierungsparteien vor, den europäischen Wettbewerb durch überbordende Bürokratie für grenzüberschreitend tätige Unternehmen abzuwürgen. Die Bekämpfung von Lohndumping sei notwendig, betonte Loacker, die Regierung schrecke mit dem Gesetzespaket aber auch korrekt handelnde ausländische Unternehmen ab und nehme damit unnötig hohe Preise in Kauf.

Ähnlich argumentierte Loackers Fraktionskollege Josef Schellhorn. Der österreichische Arbeitsmarkt werde durch das vorliegende Gesetz nicht entlastet, prophezeite er. Der Hauptgrund für die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich ist seiner Meinung nach, dass MitarbeiterInnen den Unternehmen zu viel kosten, dabei selbst aber zu wenig verdienen. Neben einer Senkung der Lohnnebenkosten forderte er außerdem ein "Ausholzen" der Gewerbeordnung und eine Entbürokratisierungsoffensive.

SPÖ für fairen Wettbewerb und gerechte Entlohnung

Weder die Einwände der FPÖ noch jene der NEOS stießen bei SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Stronach auf Widerhall. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch ist überzeugt, dass mit dem vorliegenden Gesetz der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping effektiver wird. Österreich schöpfe alle Möglichkeiten aus, die die einschlägigen EU-Richtlinien bieten, betonte er. Laut Muchitsch ist Unterentlohnung vor allem ein Problem bei ausländischen Unternehmen, österreichische Baufirmen seien kaum betroffen.

Der Forderung von Muchitsch nach einem fairen Wettbewerb und einer gerechten Entlohnung schlossen sich auch Ulrike Königsberger-Ludwig und Johann Hechtl an. Lohn- und Sozialdumping dürfe kein lohnendes Geschäft sein, hielt Hechtl fest. Dass gesetzliche Maßnahmen wirksam sind, ist laut Königsberger-Ludwig in Anbetracht der zahlreichen bereits verhängten Strafen unbestreitbar. Der Forderung nach einer vollkommenen Abschottung des österreichischen Arbeitsmarkts kann sie hingegen nichts abgewinnen, schließlich seien auch österreichische Unternehmen grenzüberschreitend tätig. Johann Hell (S) begrüßte ausdrücklich, dass derzeit über mehrere Gesetze verstreute Regelungen gegen Lohn- und Sozialdumping nun in einem Gesetz zusammengefasst werden.

ÖVP-Sozialsprecher Wöginger weiter für Deckelung der Mindestsicherung

Lohndumping sei kein Kavaliersdelikt, stellte sich auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger hinter das Gesetz. Er wandte sich aber gegen bürokratische Schikanen seriös arbeitender Unternehmen und begrüßte in diesem Zusammenhang die Erleichterungen für grenzüberschreitend tätige Konzerne. Positiv ist für Wöginger auch, dass die neue Auftraggeberhaftung für Dumpinglöhne im Baubereich nicht greift, wenn ein befugtes Unternehmen im Inland beauftragt wird.

Abseits des Themas Lohn- und Sozialdumping machte sich Wöginger erneut für eine Deckelung der Mindestsicherung für Mehrkindfamilien stark. Seine Fraktionskollegin Gertrude Aubauer mahnte eine rasche Umsetzung der Ergebnisse des Pensionsgipfels vom Februar ein. Gabriel Obernosterer erneuerte seine Forderung nach einer unbürokratischen Lösung für die temporäre Aushilfe durch enge Familienangehörigen in kleinen Gastronomiebetrieben.

Grüne fordern personelle Aufstockung der Finanzpolizei

Seitens der Grünen äußerte sich Birgit Schatz zuversichtlich, dass die vorliegende Gesetzesnovelle im Kampf um faire Arbeit weiterhelfen wird. Sie beobachte immer häufiger sehr hagere und sehr junge Männer, die auf Baustellen und Baugerüsten arbeiten, offensichtlich kaum eingeschult seien und oft nicht einmal Arbeitskleidung und Schutzhelme hätten, schilderte sie. Zuletzt habe sie auch einen besonders alten und einen besonders jungen Mann, fast noch ein Kind, gesehen. Schatz ist sich sicher, dass deren Arbeitgeber keine fairen und korrekten Löhne bezahlen.

Wesentlich sind für Schatz verstärkte Lohnkontrollen durch die Finanzpolizei, um schwarze Schafe unter den Unternehmen auch zu belangen. Die Grünen haben in diesem Sinn einen Antrag auf Aufstockung der Finanzpolizei eingebracht, der auf Empfehlung des Sozialausschusses an den Finanzausschuss weitergeleitet wurde. ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer ist allerdings in Bezug auf die Umsetzung des Anliegens skeptisch. Es gebe genug PrüferInnen, wesentlich sei, wo diese eingesetzt werden, sagte er.

Verwundert zeigten sich sowohl Schatz als auch ihr Fraktionskollege Karl Öllinger über die Ablehnung des vorliegenden Gesetzespakets durch die FPÖ. Andererseits sei deren Haltung auch wieder verständlich, da die Politik der FPÖ unweigerlich zu mehr Lohn- und Sozialdumping führen würde, meinte Öllinger.

Team Stronach urgiert unternehmerfreundlicheres Klima in Österreich

Von "einem absoluten sinnvollen Gesetz" sprach Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, dafür Sorge zu tragen, dass österreichische Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, sagte sie. Wenn österreichische Firmen keine Aufträge mehr erhalten, würden die heimischen Sozialstandards sinken. Allgemein urgierte Dietrich ein unternehmerfreundlicheres Klima in Österreich, wobei sie wie Schellhorn einer Senkung der Lohnnebenkosten und einem Bürokratieabbau das Wort redete.

Sozialminister Alois Stöger nannte das vorliegende Gesetzespaket einen Meilenstein für mehr Fairness und für mehr Chancengerechtigkeit am heimischen Arbeitsmarkt. Lohn- und Sozialdumping würden das gut funktionierende österreichische Sozialsystem aushöhlen, warnte auch er. Kritik an zu häufigen Kontrollen heimischer Unternehmen ließ Stöger nicht gelten. Er wies darauf hin, dass das Gesetz einen risikobasierten Kontrollplan vorsehe, den er gemeinsam mit Finanzminister Hans Jörg Schelling erarbeiten werde.

FPÖ gegen weitere Öffnung des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen

Thema in der Debatte war auch der Zugang für AsylwerberInnen zum österreichischen Arbeitsmarkt. Die FPÖ lehnt eine Ausweitung der derzeit auf wenige Bereiche eingeschränkten Arbeitserlaubnis strikt ab, konnte sich mit einem entsprechenden Antrag aber nicht durchsetzen. SPÖ-Abgeordneter Erwin Spindelberger sieht keinen Handlungsbedarf und warf der FPÖ ständige Angstmache und eine Verunsicherung der Bevölkerung durch unwahre Behauptungen vor. Zuvor hatte FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm argumentiert, dass die zunehmende Beschäftigung ausländischer ArbeitnehmerInnen in Österreich ein wesentlicher Grund für die derzeit hohe Arbeitslosigkeit in Österreich sei. Diese Einschätzung teilte auch der fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid. Wurm trat darüber hinaus wie ÖVP-Abgeordneter Wöginger für Einschränkungen bei der Mindestsicherung ein.

Keine Mehrheit für gesetzliche Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts

Auch die Forderungen der FPÖ nach einem Kassasturz bei der Arbeitslosenversicherung und beim AMS-Budget (760/A(E)) sowie nach einer gesetzlichen Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts (1604/A(E)) fanden keine Mehrheit im Plenum. SPÖ-Abgeordneter Rainer Wimmer sprach sich dafür aus, die Regelung der Sonderzahlungen in den Kollektivverträgen zu belassen. Anders als Werner Neubauer (F) glaubt er nicht, dass das 13. und 14. Monatsgehalt ohne gesetzliche Absicherung wackeln könnten. Kollektivvertragliche Vereinbarungen seien in Krisenzeiten vielmehr sogar besser abgesichert als gesetzliche Regelungen, machte er mit Hinweis auf Erfahrungen in anderen europäischen Ländern geltend. Unterstützt wurde die Forderung der FPÖ hingegen von Grün-Abgeordneter Judith Schwentner, wobei Schwentner den Freiheitlichen wegen der Verbreitung unwahrer Behauptungen gleichzeitig "miesen Stil" vorwarf.

Dem von der FPÖ geforderten Kassasturz beim AMS hielt Markus Vogl (S) entgegen, dass die Zahlen des AMS am Tisch liegen und keine weitere Bürokratie notwendig sei.

Vergaberecht: FPÖ und Grüne wollen Bestbieterprinzip ausweiten

Mit einem Antrag der FPÖ und einem Antrag der Grünen zum Thema öffentliche Ausschreibungen wird sich der Verfassungsausschuss befassen. Beide Parteien fordern eine Ausweitung des Bestbieterprinzips bei Auftragsvergaben durch die öffentliche Hand. Hinter die Initiativen stellte sich auch Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich. Dietmar Keck (S) hielt fest, dass vieles, was FPÖ und Grüne fordern, bereits umgesetzt sei, weitere Punkte seien gerade in Verhandlung. Für seinen Fraktionskollegen Johann Hell wäre es etwa sinnvoll, auch bei der Ausschreibung von Verkehrsdienstleistungen soziale Kriterien zu berücksichtigen. (Fortsetzung Nationalrat) gs