Parlamentskorrespondenz Nr. 544 vom 20.05.2016

Neu im Budgetausschuss

Nationales Reformprogramm 2016 - Österreich unterwegs zu den EU 2020-Zielen

Wien (PK) - Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der Europa 2020-Ziele, an denen sich Regierung und Bundesländer in ihrer Politik für Wirtschaft, Energie, Klimaschutz, Bildung, Forschung und Soziales seit 2010 orientieren, dokumentiert der Bericht der Bundesregierung über die jüngste Aktualisierung des Nationalen Reformprogramms (III-263 d.B.), das Österreich im Europäischen Semester alljährlich an die Europäische Union melden muss. So kam Österreich bereits 2014 mit einer Beschäftigungsquote von 74,2% nahe an das nationale 75%-Ziel für 2020 heran (EU-Gesamtziel: 75%). Die Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen betrugen in Prozent des BIP 3,1%, das nationale 2020-Ziel lautet auf 3,76% (EU-Gesamtziel 3%). Bei der Reduktion klimaschädlicher Emissionen wurde 2014 ein Minus von 15% erreicht, nahe am nationalen 2020-Ziel von -16% (EU-Gesamtziel: -10%). Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoenergieverbrauch betrug 2014 33,1%, das nationale 2020-Ziel liegt bei 34%, das EU-Gesamtziel bei 20%. Beim Energieeffizienzwert (Messzahl Megatonnen Öleinheiten, Mtoe) erreichte Österreich 2014 26,8 Mtoe und übertraf das mit 25,1 Mtoe bezifferte nationale Ziel für 2020. Die SchulabbrecherInnenquote betrug 2014 7,3% und bereits weit unter dem nationalen 2020-Ziel von 9,5% (EU-Gesamtziel: "weniger als 10%"). Die AkademikerInnenquote Österreichs machte 2014 39,1% aus und übertraf schon zur Halbzeit das nationale 2020-Ziel von 38% (EU-Gesamtziel: 38,5%). Die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen sank seit 2010 um 148.000 Menschen, das nationale EU-Ziel für Österreich sieht vor, 235.000 Menschen aus Armut und Armutsgefährdung zu führen.

Der Bericht bietet auch aktuelle Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs, informiert über die Ergebnisse einer vertieften makroökonomischen Analyse Österreichs durch die EU-Kommission und über die Umsetzung von "Länderspezifischen EU-Empfehlungen" der Union an Österreich.

Aktuelles zur wirtschaftlichen Entwicklung

Nach einem unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 0,9% im Jahr 2015 (Euroraum: 1,6%) erwartet Österreich 2016 ein Plus von 1,5% bis 1,6%. ExpertInnen führen 0,4 Prozentpunkte davon auf die Steuerreform, 0,3 Prozentpunkten auf Ausgaben für anerkannte Flüchtlinge und Asylwerber und 0,1 Prozentpunkten auf die Wohnbauinitiative zurück. Das Arbeitskräfteangebot steigt stärker als der Beschäftigungsaufbau, daher nimmt die Arbeitslosigkeit weiter zu, unter anderem auch durch eine steigende Erwerbsbeteiligung älterer Menschen sowie von Frauen. Erstmals seit Jahren wächst der reale Konsum im Jahr 2016, und zwar zwischen 1,5% und 1,7%, weil die privaten Einkommen infolge der Steuerreform steigen. Seit Anfang 2015 beleben positive Entwicklungen in den USA, Osteuropa und am EU-Binnenmarkt Exporte und die Investitionen der Unternehmen. Zudem trägt der Tourismus zum besseren Leistungsbilanzsaldo bei. Die Inflation sank 2015 auf 0,9% (2014: 1,7%), blieb aber deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone. Für 2016 werden ein Ende der Preisdämpfung durch die Rohölverbilligung und eine Zunahme der Inflation prognostiziert.

Eine vertiefte makroökonomische Analyse Österreichs durch die EU-Kommission ergab keine makroökonomischen Ungleichgewichte – weder im Inland noch auf den Exportmärkten heimischer Unternehmen. Bei der Umstrukturierung des Finanzsektors, beim Bankenaufsichtsrecht, bei der Verbesserung der Risikotragfähigkeit der Institute, bei deren Finanzierungsgrundlagen im Ausland und bei der Qualität des Vermögens heimischer Banken registrierte die Kommission zufriedenstellende Fortschritte, heißt es im Bericht.

Budgetneutrale Steuerentlastung der Arbeit, Finanzausgleichsreform, Sicherung der Pensionen

Österreich soll Abweichungen vom Haushaltsziel vermeiden, den Faktor Arbeit entlasten und die Verantwortung für die Finanzierung und die Verwendung von Budgetmitteln auf verschiedenen staatlichen Ebenen kongruenter gestalten, lautet die erste der aktuellen EU-Empfehlung für Österreich. Auch die langfristige Tragfähigkeit des Pensionssystems will die EU gesichert sehen, unter anderem durch eine frühere Harmonisierung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen und Männer und durch Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters an die steigende Lebenserwartung.

Auf diese Empfehlungen reagierte die Bundesregierung mit dem Hinweis auf die budgetneutrale Steuerreform – von der 91,8% der Erwerbstätigen profitieren - und stellt die Gegenfinanzierungsmaßnahmen samt Wachstumserwartungen dar. Ökonomen rechnen mittel- bis langfristig mit mehr Beschäftigung um bis zu 29.000 Jobs (+0,9%) sowie mit Budgetvorteilen bei Ausgaben und Einnahmen. Der Beschäftigung dient auch die Senkung der Lohnnebenkosten der Unternehmen um insgesamt 1 Mrd. € bis 2018. Auf die Beseitigung von Inkongruenzen zwischen verschiedenen Regierungsebenen zielt die Reform der Rechnungslegungsvorschriften für Länder und Gemeinden durch die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV 2015), die Ländern und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern ab 2019 und Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern ab 2020 anwenden müssen, meldet Wien nach Brüssel. Der neue Finanzausgleich soll mehr Steuerautonomie für die Länder und eine Stärkung der Aufgabenorientierung bringen. Bei den Pensionsleistungen unterschritt der Bundeshaushalt 2015 die veranschlagten Auszahlungen. Die Regierung führt dies auf die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters seit 2013 (von 58,5 Jahren auf 60,2 Jahren) und auf die Reform der Invaliditätspension zurück.

Verbesserungen bei Langzeitpflege und Kinderbetreuung

Um die Erwerbstätigkeit älterer und weiblicher ArbeitnehmerInnen zu stärken, empfiehlt der Rat den Ausbau von Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegediensten und eine bessere Bildung benachteiligter junger Menschen.

Die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer ArbeitnehmerInnen zählt zu ihren Prioritäten, schreibt die Bundesregierung und weist darauf hin, dass die Beschäftigungsquote von Männern über 60 Jahren seit 2012 von 21,6% auf 28,9% und bei Frauen über 55 Jahren von 48% auf 55,6% zunahm. Die Beschäftigungsinitiative 50+ wird mit mehr Geld und dem Ziel weitergeführt, die Beschäftigungsquote der 50- bis 64-Jährigen von derzeit 56,4% (2014) auf 58% im Jahr 2019 zu steigern. Als Instrumente setzt die Regierung Eingliederungsbeihilfen und Kombilohn ein, fördert sozialökonomische Betriebe sowie gemeinnützige Projekte und verbessert das Präventionsprogramm fit2work. Sollten Zielwerte bei der Beschäftigung Älterer bis Mitte 2017 nicht erreicht werden, erhalten Unternehmen mit mindestens 25 DienstnehmerInnen bei einer überdurchschnittlichen Beschäftigungsquote Älterer ab 2018 einen Bonus durch Senkung der FLAF-Beiträge um 0,1 Prozentpunkte. Unternehmen unter der jeweiligen Branchenquote müssen bei Beendigung von Dienstverhältnissen die doppelte Auflösungsabgabe zahlen (242 € statt 121 €).

Bei der laut EU-Kommission unzureichenden ganztägigen Kinderbetreuung in Österreich zeigt der Trend der letzten Jahre nach oben - für die Altersgruppe der 0- bis 2-Jährigen sind weitere Anstrengungen notwendig, um das Barcelona-Ziel von 33% zu erreichen. Der Schwerpunkt der Ausbau-Offensive liegt daher im gesamten Bundesgebiet bei den Unter-Drei-Jährigen. Bei der Pflege wurden 2014 Pflegekarenz und Pflegeteilzeit geschaffen, um berufstätigen Angehörigen die Betreuung von Angehörigen zu erleichtern.

Der Bundesfinanzrahmen 2017 bis 2020 sieht zusätzlich 40 Mio. € für 2016 und 80 Mio. € für 2017 vor, um die Herausforderungen durch den Zustrom von Flüchtlingen im Bildungswesen zu bewältigen, unter anderem durch Basiskurse zur Alphabetisierung. Für eine bessere Bildung benachteiligter junger Menschen wird das ganztägige Schulangebot forciert. Seit der Weiterentwicklung der Hauptschulen zur Neuen Mittelschulen (NMS) nahm der Umstieg der AbsolventInnen in eine höhere Schule (AHS oder BHS) von 40% auf 45% zu, bei Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache stieg die Übertrittsquote von 22,1% auf 30,8%.

Überwindung von Wachstumshemmnissen bei Dienstleistungen

Da die EU in Zugangs- und Ausübungsbeschränkungen für reglementierte Berufe Hemmnisse für Wachstum sieht, die sich negativ auf Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, empfiehlt der EU-Rat Österreich, unverhältnismäßige Schranken für Dienstleistungsanbieter und Hindernisse für die Gründung interdisziplinärer Unternehmen zu beseitigen.

Die Regierung macht in ihrem aktualisierten Nationalen Reformprogramm darauf aufmerksam, dass sich die Beschäftigung in den freien Berufen von 2004 bis 2013 überdurchschnittlich entwickelt hat und mit 22% deutlich über dem durchschnittlichen Beschäftigungswachstum (14,3%) liegt. Die Gewerbeordnungs-Novelle setzt die Berufsanerkennungsrichtlinie um und erleichtert die Anerkennung von Berufsqualifikationen aus EU-Staaten. Bei den gehobenen medizinisch-technischen Berufe wurden Flexibilisierungen vorgenommen und die Berufsausübungsregeln modernisiert. Eine Novelle des Ziviltechnikergesetzes mit einer Lockerung der Zugangsregelungen ist in Vorbereitung. An Voraussetzungen für die Einrichtung interdisziplinärer juristischer Personen arbeitet eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, berichtet die Regierung.

Banken: Umstrukturierungen und stärkere Risikopuffer

Auf die Empfehlung des EU-Rates, Risiken der Banken im Ausland zu reduzieren und die Qualität der Aktiva zu verbessern, hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) großen Instituten mit intensivem Osteuropaengagement Systemrisikopuffer durch Aufbau von Eigenkapital vorgeschrieben. Die Puffer werden ab 2016 um 0,25% bis zum Jahr 2019 kontinuierlich auf 2% angehoben. Die Umstrukturierung des österreichischen Bankensektors wird konsequent fortgesetzt, liest man im jüngsten Nationalen Reformprogramm. (Schluss) fru