Parlamentskorrespondenz Nr. 712 vom 22.06.2016

Unterausschuss des Parlaments wird über Rechte des Bundespräsidenten beraten

FPÖ und Team Stronach bezweifeln größeren Reformbedarf

Wien (PK) – Noch ist nicht fix, ober der gewählte Bundespräsident Alexander Van der Bellen tatsächlich wie vorgesehen am 8. Juli von der Bundesversammlung angelobt werden kann. Aufgrund der Anfechtung der Wahl durch die FPÖ konnte das Wahlergebnis bisher nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden. Derzeit berät der Verfassungsgerichtshof in Form einer öffentlichen Verhandlung über die vorgebrachten Einwände. Ob eine zeitgerechte Entscheidung getroffen werden kann, ist allerdings offen. Eine Wiederholung der Stichwahl ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Unabhängig davon, wer neuer Bundespräsident in Österreich wird, wollen SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS nun jedoch einen Nachdenkprozess darüber starten, inwieweit die im Jahr 1929 verankerten Kompetenzen des Bundespräsidenten heute noch zeitgemäß sind bzw. welche Änderungen sinnvoll wären. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute mit entsprechender Mehrheit beschlossen, einen Unterausschuss zu dieser Frage einzusetzen, um in aller Ruhe mit ExpertInnen eine vertiefte Diskussion zu führen. War es doch eines der heißen Themen im Wahlkampf, welcher Kandidat bzw. welche Kandidatin unter welchen Bedingungen die Regierung entlassen oder gegebenenfalls sogar den Nationalrat auflösen würde.

Konkrete Reformvorschläge seitens der Abgeordneten liegen nicht am Tisch. SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS haben lediglich den Wunsch, zu den Beratungen auch den Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts sowie weitere ExpertInnen der Regierung beizuziehen. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag (1758/A(E)) wurde als Grundlage für den Unterausschuss herangezogen. Vorrangige Themen im Ausschuss werden jedenfalls das Verhältnis zwischen Bundespräsident, Bundesregierung und Nationalrat, das System der Gewaltentrennung, die Frage von "Checks and Balances" und die Rolle des Bundespräsidenten im Gesetzgebungsverfahren sein. Öffentlich diskutiert wurde zuletzt auch über die Rechte des Bundespräsidenten, uneheliche Kinder zu legitimieren und Straftäter zu begnadigen.

Skeptisch, was die Notwendigkeit eines Unterausschusses betrifft, sind FPÖ und Team Stronach. Die FPÖ werde sich selbstverständlich an der Diskussion beteiligen, sagte FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan, er hält größere Reformen aber nicht für notwendig. Bis zum ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahlen habe es keine Diskussion über die Kompetenzen des Bundespräsidenten gegeben, argumentierte er, erst als sich herausstellte, dass der Bundespräsident nicht aus der Regierungskoalition kommen wird, sei die Debatte ausgebrochen. Kleineren Kompetenzänderungen will sich Stefan nicht verschließen, diese hätte man seiner Meinung nach aber in einen gemeinsamen Antrag packen können. Ein Unterausschuss sei in jedem Fall übertrieben. Das sieht auch Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen so.

Sowohl die Koalitionsparteien als auch Grüne und NEOS sind hingegen von der Sinnhaftigkeit eines Unterausschusses überzeugt. SPÖ-Abgeordneter Josef Cap machte geltend, dass die Diskussion um die Kompetenzen des Bundespräsidenten nicht neu sei, und erinnerte etwa an Vorschläge der FPÖ, das Amt des Bundespräsidenten mit jenem des Bundeskanzlers zusammenzulegen. Jetzt, wo der gewählte Bundespräsident Alexander Van der Bellen selbst vorgeschlagen habe, über die Kompetenzen des Amtes nachzudenken, solle man die Chance für eine vertiefte parlamentarische Diskussion nützen. Es gehe um die Balance zwischen Regierung, Bundespräsident und Parlament. ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl wies darauf hin, dass der Bundespräsident mehr Rechte habe, als vielfach angenommen wurde.

Auch Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser erinnerte daran, dass die Anregung, über die Kompetenzen des Bundespräsidenten nachzudenken, von van der Bellen selbst gekommen sei. Es gehe nicht um bestimmte KandidatInnen und Parteien, bekräftigte er. Vielmehr habe der Wahlkampf gezeigt, dass es großen Sinn mache, über die Rechte des Staatsoberhauptes zu diskutieren. Steinhauser glaubt, dass es Instabilität und nicht Stabilität in Österreich bringen würde, sollte ein Bundespräsident seine Rechte einmal tatsächlich ausschöpfen. Er gab in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass die Stammfassung der Bundesverfassung von 1920 dem Bundespräsidenten weniger Rechte eingeräumt hatte.

NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak zeigte für die Bedenken von FPÖ und Team Stronach insofern Verständnis, als auch er bezweifelt, ob in Bezug auf die Rechte des Bundespräsidenten großer Reformbedarf besteht. Man müsse vorsichtig sein, etwas, das Jahrzehnte gut funktioniert habe, über Bord zu werfen, warnte er. Österreich wäre möglicherweise vieles erspart geblieben, hätte der Bundespräsident im Jahr 1933 seine Kompetenzen genutzt. Anders als FPÖ und Team Stronach erachtet Scherak eine intensive Debatte über diese Frage in einem Unterausschuss aber für dringend notwendig.

Der Unterausschuss wird aus 18 Mitgliedern bestehen, und zwar im Verhältnis 5 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 2 Grüne, 1 NEOS, 1 Team Stronach. Er soll noch heute konstituiert werden. Der Beginn der Beratungen ist für den Herbst in Aussicht genommen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs