Parlamentskorrespondenz Nr. 725 vom 23.06.2016

RH-Präsident Moser verlangt Spekulationsverbot für Rechtsträger

Rechnungshofausschuss fordert Konsequenzen nach Millionenverlust durch Finanzspekulationen der Studentenförderungsstiftung

Wien (PK) – Die gemeinnützige Österreichische Studentenförderungsstiftung ist der zweitgrößte Träger von Studentenheimen im Land. Für den Rechnungshof ist sie zudem Beispiel eines Rechtsträgers, der trotz relativ geringen Gebarungsumfangs durch risikoreiche Finanzgeschäfte große Verluste erzeugt hat. Im konkreten Fall wurden zwischen 2006 und 2014 bei Derivatgeschäften 2,41 Mio.€ verspekuliert. Überdies zeigte der Rechnungshof auf, dass die Ende der 1950er Jahre von der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) gewidmete Stiftung ihrer Satzung, bedürftigen Studierenden Wohnraum bereitzustellen, nicht mehr Folge geleistet hat. Mit dem Bestreben, Studentenheime möglichst vollständig auszulasten, gab es bei der Zimmervergabe keine Einkommensgrenze, um die Bedürftigkeit festzustellen.

Im Rechnungshofausschuss des Nationalrats hinterfragten heute alle Fraktionen, welche Konsequenzen die Stiftung gezogen hat, gerade hinsichtlich des Umgangs mit den verlustreichen Derivaten. Von der amtierenden Geschäftsführerin der Österreichischen Studentenförderungsstiftung, Sabine Strasser, hieß es dazu, angesichts der aktuell niedrigen Zinssituation sei von einer Veräußerung der Finanzinstrumente abzuraten. Man habe mit der Bank jedoch eine vergleichsweise gute Lösung gefunden, um größeren Schaden zu vermeiden. Als Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung sagte Norbert Köck, er schließe eine Spekulationsabsicht bei den 2006 und 2008 eingegangenen Finanzgeschäften aus.

Ein einheitliches Spekulationsverbot für Rechtsträger mahnte Rechnungshofpräsident Josef Moser in der Sitzung ein. Anhand dieser Stiftungsprüfung sehe man, wie wichtig Stichproben sind: "Keiner kann sicher sein, dass der Rechnungshof nicht kommt", ungeachtet der Höhe von verwalteten Geldmitteln. Am Ende dieser letzten Ausschusssitzung, in der Moser als Rechnungshofpräsident eingeladen war, hielt er zufrieden fest, die Sachlichkeit der Diskussion sei nie an Parteigrenzen gescheitert. Der Rechnungshof werde vom Parlament tatsächlich ernst genommen.

Derivatgeschäfte ohne Kontrolle

Im Detail heißt es im Rechnungshofbericht zur Österreichischen Studentenförderungsstiftung, die Geschäftsführung habe im Februar 2006 und im Oktober 2008 komplexe und risikoreiche Geschäfte mit Derivaten – Finanzprodukten, deren Preis durch andere Wertpapiere bestimmt wird – abgeschlossen, und zwar über einen Nominalbetrag von 14 Mio.€ ohne Bindung an Grundgeschäfte. Die Laufzeiten wurden bis 2014 bzw. 2022 festgelegt, ein Zusammenhang mit laufenden Darlehen oder Krediten der Stiftung bestand aber nicht. Aufgrund der Zinsentwicklung verlor die Stiftung bis September 2013 rund 2,03 Mio. €. Trotz risikomindernder Maßnahmen der aktuellen Geschäftsführung stieg der Verlust bis Oktober 2014 auf 2,41 Mio.€. Erhebliche Beratungskosten fielen außerdem an. Nach Einschätzung des Rechnungshofs waren die Derivatgeschäfte – unter anderem mit Caps und Zinsswaps, wie Präsident Moser erläuterte - zur Zinssicherung kaum geeignet. Rückstellungen für Verpflichtungen aus diesen Börsengeschäften fanden sich in den Bilanzen nicht.

Zudem fehlte ein zeitgemäßes Internes Kontrollsystem, obwohl die Spekulationen nicht Teil der laufenden Stiftungsgeschäfte waren und somit nicht in die Zuständigkeit der Geschäftsführung fielen. Derartige Geschäftsabschlüsse hätten einer Zustimmung des Kuratoriums der Stiftung bedurft, eine solche Genehmigung erfolgte aber nicht. Auch in weiterer Folge blieb der Informationsfluss zwischen den Stiftungsorganen mangelhaft in Bezug auf die Zielsetzungen und Risiken der Derivatgeschäfte.

Die Details der zur Zinssicherung von der damaligen Geschäftsführung abgeschlossenen Derivatgeschäfte traten Stiftungsvorsitzender Strasser zufolge erst 2012 zutage. Ziel dabei sei fraglos die Absicherung vor Zinsschwankungen gewesen, offenbar habe die zuständige Bank nicht ausreichend über damit verbundene Risiken informiert. Das Finanzinstitut sei aber bereit gewesen, die bestehenden Finanzderivate bei gleichzeitigem Kauf eines sicheren Zinssicherungsgeschäfts mit gleichbleibender Laufzeit zu schließen, was in Strassers Augen der bestmögliche Ausweg war. Die Empfehlung des Rechnungshofs, Ersatzansprüche gegen die frühere Geschäftsführung zu prüfen, nachdem diese Derivatgeschäfte ohne umfassende Information und Zustimmung des Kuratoriums abgeschlossen hatte, musste Sabine Strasser ausschlagen. Der Fall sei bereits verjährt, zumal unsicher sei, ob überhaupt Ansprüche hätten geltend gemacht werden können. Wie ÖVP-Abgeordneter Manfred Hofinger sorgten sich NEOS-Sprecherin Claudia Gamon und Team Stronach-Politikerin Martina Schenk um die künftige Finanzplanung der Stiftung beziehungsweise die aktuelle Geschäftssituation. Gamon regte dabei gesetzliche Vorkehrungen an, um die Risikoabsicherung bei Finanzgeschäften im öffentlichen Bereich zu gewährleisten – etwa mittels einer Beratungsstelle, die fehlendes Know-how zur Verfügung stellt.

Für die Zukunft sei jedenfalls sicherzustellen, so der Rechnungshof, dass die Geschäftsführung das Kuratorium und den Ständigen Ausschuss vor dem Abschluss zustimmungspflichtiger Geschäfte zeitgerecht informiert und in den Entscheidungsprozess einbindet. Außerdem sei für künftige Termingeschäfte eine fundierte Risikostrategie zu entwickeln und hinsichtlich Nominalbetrag und Laufzeit an bestehende Grundgeschäfte zu binden, wobei ausschließlicher Zweck die Absicherung sein sollte.

Heimplatzvergabe nach first come-first served-Prinzip

Bei der Platzvergabe in den 16 Studentenheimen der Stiftung kritisiert der Rechnungshof in seinem Bericht, die Einhaltung des durch die Satzung vorgegebenen Kriteriums der Bedürftigkeit sei nicht sichergestellt. Abhilfe würde hier neben einer Festlegung von Einkommensgrenzen für die Heimplatzvergabe samt regelmäßiger Überprüfung eine verbindliche Prozessbeschreibung schaffen. Die Satzung, die seit dem Gründungsjahr unverändert geblieben ist, sei außerdem gemäß der geltenden Gesetze den EU-Regelungen anzupassen, so der Rechnungshof mit Hinweis auf das weiterhin bestehende Förderkriterium der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Nunmehr würden sehr wohl die Einkommensverhältnisse aller HeimbewohnerInnen erhoben, StipendienbezieherInnen würden bevorzugt, hielt Geschäftsführerin Strasser fest. Der Verwaltungsaufwand zur regelmäßigen Nachprüfung bei jeder und jedem einzelnen Studierenden wäre aber überschießend. Besonders die SozialdemokratInnen Andrea Gessl-Ranftl und Elmar Mayer äußerten sich irritiert über die vom Rechnungshof aufgezeigten Vergabemissstände, denn "jene, die es brauchen, müssen einen Heimplatz bekommen", betonte Mayer. Das "first come-first served"-Prinzip, das nach Beschreibung Köcks vormals bestanden hat, trage dem nicht Rechnung.

Sigrid Maurer von den Grünen kritisierte an der Stiftung, deren Struktur sei veraltet. Konkret bezog sie sich auf das Kuratorium aus Mitgliedern der Bundesvertretung der ÖH sowie aus VertreterInnen von Studierendenorganisationen, wobei die Entsendungen nicht gemäß der aktuellen Mandatsstärke erfolgen. Vielmehr beruht die Sitzverteilung auf dem Ergebnis der ÖH-Wahlen von 1957, was nach Dafürhalten des Rechnungshofs der Intention der Stifterin – die Bundesvertretung der ÖH entsprechend den jeweils aktuellen Mandatsverhältnissen in diesem Stiftungsgremium vertreten zu sehen – widerspricht.

Immobilienverkäufe als Gewinn für die Kaufenden

An Liegenschaftsverkäufen - bemängelten die RH-PrüferInnen, diese seien unter dem tatsächlichen Wert der Immobilien – "am unteren Ende der Bandbreite des Barwerts" - und teilweise ohne Bieterverfahren erfolgt. Beim 2011 getätigten Verkauf ergab sich für die Käuferin sogar ein erhöhter Wert des erworbenen Objekts, da es eine Erweiterungsmöglichkeit der auf dem Nachbargrundstück betriebenen Privatklinik bot. Vergleichsangebote einzuholen sollte bei Veräußerungen durch Rechtsträger eine Selbstverständlichkeit sein, unterstrich Rechnungshofpräsident Moser; Verfahren, die nicht nur auf willkürliche Kundenansprachen hinauslaufen hält er für dringend notwendig. Bei Kaufpreisvereinbarungen über Liegenschaften wäre generell die Interessenlage auf Käuferseite verstärkt auszuloten und ein für den Kaufinteressenten — über den Vergleichswert hinausgehender — erhöhter Wert der Liegenschaft (z.B. wegen einer Erweiterungsmöglichkeit des Unternehmens) zu berücksichtigen, lautet eine RH-Empfehlung zum Punkt Immobiliengeschäfte.

Mängel gab es aus RH-Sicht auch bei der Durchführung von Zahlungen in der Stiftung zu beanstanden; etwa Missachtung des Vier-Augen-Prinzips oder des vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens. Abgeordneter Gerald Hauser (F) warf in diesem Zusammenhang die geplante Änderung des Stiftbriefs auf und erfuhr von Kuratoriumsvorsitzendem Köck, neue Zeichnungsregelungen für die Geschäftsführung bildeten einen Punkt darin. Überarbeitet würden weiters die Art der Stiftungsbesetzung und die Bestimmung zur Staatsbürgerschaft passe man formal dem EU-Recht an, bestätigte er FPÖ-Mandatarin Jessica Lintls Anmerkung, anders als in der Satzung vorgesehen, unterstütze die Stiftung nicht nur ÖsterreicherInnen in ihrem Studium mit Wohnraum.

Steigende Risiken trotz sicherer Ertragslage

Zur Ertragslage gesteht der Rechnungshof der Stiftung zu, der Hauptzweck der Stiftung sei durch Erlös- und Aufwandsstruktur gesichert. Mit Ausnahme von 2013 habe man immer positive Betriebserfolge verzeichnet; gleichzeitig gebe es aber einen negativen Finanzerfolg. Werde diese Entwicklung fortgesetzt, bestehe das Risiko des Aufbrauchens vorhandener Rücklagen, wodurch strategische Ziele beziehungsweise Sanierungsarbeiten nicht mehr verfolgt werden könnten. Letztendlich wäre dann selbst die Aufgabe einzelner Standorte durchaus möglich.

Um ein getreues Bild der Vermögens–, Finanz– und Ertragslage der Stiftung zu gewährleisten, sollten nach RH-Meinung — dem Vollständigkeitsgrundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung folgend — alle buchungspflichtigen Geschäftsfälle sowie deren Risiken bilanziell dargestellt werden. Das Stammvermögen der Stiftung wäre in den Jahresabschlüssen gesondert darzustellen. Bei einer allfälligen Neuveranlagung von Stiftungsvermögen müsse sichergestellt sein, dass die ins Auge gefasste Veranlagungsform jedenfalls dem gesetzlichen Gebot der Sicherheit entspricht.

Der Bericht mit den Prüfungen zur Studentenförderungsstiftung (III-254 d.B.) wurde einstimmig vertagt, ebenso wie die Berichte (III-269 d.B.) und (III-271 d.B.), die zur Fristwahrung in Verhandlung genommen worden waren. (Schluss Rechnungshofausschuss) rei