Parlamentskorrespondenz Nr. 748 vom 28.06.2016

Neu im Gesundheitsausschuss

Reform der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, Novelle zum Tuberkulosegesetz

Modernisierung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe auf Basis eines dreistufigen Modells

Wien (PK) – Nach längerer Anlaufzeit und intensiven Verhandlungen mit den Ländern hat die Bundesregierung nun eine umfassende Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes vorgelegt (1194 d.B.). Die GuKG-Novelle sieht im wesentlichen drei Berufsgruppen mit abgestimmten Kompetenzen im Rahmen der professionellen Pflege vor. Aus der bisherigen Pflegehilfe wird die – mit einer einjährigen Ausbildung verbundene – "Pflegeassistenz", die die Basis des abgestuften Modells darstellt. Die sogenannte "Pflegefachassistenz" führt mit einer zweijährigen Ausbildung zum Abschluss eines neuen Berufs, der den gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege bei der Durchführung pflegerischer Tätigkeiten und durch die Mitarbeit bei therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen wesentlich entlasten soll. Der "gehobene Dienst" erfährt durch die Festlegung von Kompetenzbereichen eine inhaltliche Schärfung und Aufwertung, was auch im Hinblick auf das Primärversorgungskonzept von zentraler Bedeutung sein wird. An die Stelle der bisherigen Spezialausbildungen (für Kinder- und Jugendliche sowie für Psychiatrie) tritt eine einheitliche generalistische Grundausbildung. Darauf aufbauend wird es weiterhin Spezialisierungsmöglichkeiten geben, die noch um folgende Bereiche erweitert wurden: Wundmanagement (inklusive Stoma), Palliativversorgung und psychogeriatrische Pflege.

Die Beibehaltung des Berufsbildes der Pflegehilfe als Pflegeassistenz wird vor allem mit der notwendigen Kompatibilität mit den auf Landesebene geregelten Sozialbetreuungsberufen begründet; dadurch sei die Fortführung der einjährigen Ausbildung (1.600 Stunden) derzeit noch erforderlich.

Die Pflegefachassistenz ist zur eigenverantwortlichen Durchführung der ihr übertragenen pflegerischen und ärztlichen Tätigkeiten ohne verpflichtende Aufsicht berechtigt. Die Ausbildung, die ab 1. September 2016 in den dafür vorgesehenen Schulen absolviert werden kann, dauert insgesamt zwei Jahre (3.200 Stunden); dabei muss mindestens die Hälfte auf die Theorie und mindestens ein Drittel auf die Praxis entfallen.

Die Angehörigen des gehobenen Dienstes tragen die Verantwortung für die unmittelbare und mittelbare Pflege von Menschen in allen Versorgungsformen und –stufen und führen die ihnen von Ärzten übertragenen Maßnahmen und Therapien durch. Grundsätzlich müssen die Anordnungen schriftlich erfolgen, in dringlichen Fällen und bei Anwesenheit des Arztes sind auch mündliche Anweisungen möglich. Zu einer Ausdehnung der Kompetenzen kommt es u.a. im Rahmen der Weiterverordnung von Medikamenten, allerdings nur in genau definierten Bereichen (z.B. Nahrungsaufnahme, Inkontinenzversorgung, Verbandsmaterialien etc.). Möglich ist etwa auch die Unterstützung beim Wechsel der Dialyseflüssigkeit im Rahmen einer Nierenersatztherapie im häuslichen Umfeld. All diese Maßnahmen sollen zur Effizienzsteigerung der Versorgung beitragen.

Im Gesetz wird  klargestellt, dass die pflegerischen Kernkompetenzen weiterhin dem gehobenen Dienst zufallen. Nach einer persönlichen Pflegeanamnese und Beurteilung der Pflegesituation können jedoch Maßnahmen an die Pflegeassistenz übertragen und mittels regelmäßiger Aufsichtsintervalle begleitet werden. Da im neuen Gesetz auf die Auflistung einzelner Maßnahmen verzichtet wird, soll die Zusammenarbeit deutlich verbessert werden, heißt es in den Erläuterungen. Ebenso soll die Pflegeassistenz vermehrt in Interventionen beim Auftreten von Notfallsituationen eingebunden werden.

Beim gehobenen Dienst ist eine vollständige Überführung in den tertiären Ausbildungssektor vorgesehen, wobei es jedoch eine sehr lange Übergangsfrist (bis 2023) gibt, um Personalengpässe zu vermeiden. Für die Pflegefachassistenz wird der Zugang zur Berufsreifeprüfung ermöglicht.

Schließlich wird die gegenständliche Novelle auch zum Anlass genommen, um die nicht mehr zeitgemäße und oftmals kritisierte Berufsbezeichnung "…schwester" abzuschaffen – diese wird durch "Gesundheits- und Krankenpflegerin" ersetzt.

Anpassung des Tuberkulosegesetzes und Meldepflicht für neue Infektionskrankheiten

Da das Tuberkulosegesetz im Wesentlichen aus dem Jahr 1968 stammt, war eine umfangreiche Novellierung erforderlich, heißt es in einer weiteren Regierungsvorlage (1187 d.B.). Auf Basis eines Entwurfs, der gemeinsam mit ExpertInnen in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erstellt wurde, werden die Bestimmungen an die neuen epidemiologischen Voraussetzungen angepasst. Weiters mussten die Regelungen in Bezug auf die Anhaltung uneinsichtiger Tuberkulosekranker gemäß den aktuellen verfassungsrechtlichen Vorgaben und menschenrechtlichen Standards adaptiert werden. Darüber hinaus werden Chikungunya-Fieber, Dengue-Fieber, Zika-Virus-Infektionen und Hanta-Virus-Infektionen der Meldepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterworfen.

Mehr Kompetenzen für die Bezirksverwaltungsbehörde und Ausbau der Prävention

Die Novelle sieht im konkreten vor, dass alle Krankheiten, die durch den Mycobacterium-tuberkulosis-Komplex beim Menschen verursacht wurden (vorher nur Mycobacterium tuberkulosis), vom Gesetz umfasst sind. Vorgesehen ist nun auch eine explizite Meldepflicht der Labors an die jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörden, falls ein Erreger nachgewiesen wird. Ausgedehnt werden überdies die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde, da sie die an Tuberkulose erkrankten Personen nicht nur über ihre Verhaltens- und Behandlungspflichten aufzuklären hat, sondern auch über die Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Bestimmungen, nämlich die Möglichkeit der gerichtlichen Anhaltung. Dies gilt nunmehr auch für "krankheitsverdächtige Personen, die sich der endgültigen diagnostischen Abklärung entziehen". Entsteht durch das Verhalten dieses Personenkreises eine unmittelbare und akute Gefahr, so kann die Bezirksverwaltungsbehörde eine sofortige Einweisung in ein Krankenhaus erwirken.

Generell ist die Bezirksverwaltungsbehörde von der Abklärung des Verdachts, der Ermittlung des persönlichen Umfelds der erkrankten Person (inklusive Infektionsdiagnostik und –propyhlaxe), der Überwachung der Durchführung der Therapie (inklusive Kontrollen in sechsmonatigen Abständen) bis hin zur Dokumentation aller Maßnahmen zuständig.

Im Sinne der Prävention sind LeiterInnen von Schulen, Kindergärten und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen für Minderjährige verpflichtet, bei Verdacht auf Vorliegen einer Tuberkuloseerkrankung ein Attest durch einen Lungenfacharzt einzufordern. Sollte dies nicht erbracht werden, muss eine Meldung an die Bezirksverwaltungsbehörde gemacht werden. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die als nationale Referenzzentrale für Tuberkulose fungiert, hat jährlich einen Bericht über das Auftreten dieser Krankheit vorzulegen.

    

Kein relevantes Risiko durch die Flüchtlingsbewegungen in Österreich

Nach Angaben der WHO erkranken jährlich fast 9 Millionen Menschen an Tuberkulose; etwa 1,4 Millionen Personen sterben daran, oftmals aufgrund einer unzureichenden Behandlung, ist den Erläuterungen zu entnehmen. Auf Europa entfallen schätzungsweise 5% aller weltweit auftretenden Erkrankungen, wobei signifikante regionale Unterschiede (ein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle) vorhanden sind. In Österreich sind die Zahlen seit 1997 rückläufig; 2014 wurden 582 Fälle von Tuberkulose registriert. Die WHO stellte zudem klar fest, dass es entgegen der weit verbreiteten Auffassung keinen systematischen Zusammenhang zwischen Migration und der Einschleppung von Infektionskrankheiten gibt. Dies werde auch durch die Daten des vergangenen Jahres untermauert. Die Zahl der erkrankten AsylwerberInnen im Zeitraum Jänner bis November 2015 sei gegenüber dem Vorjahr zwar in absoluten Zahlen gestiegen, allerdings müsse man berücksichtigen, dass sich auch die Gesamtzahl an Flüchtlingen überproportional erhöht hat. Prozentuell gesehen kam es sogar zu einem Rückgang (110,8 Fälle pro 100.000 Personen versus 214,1 im Vorjahr). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich die Demographie in der Flüchtlingspopulation geändert hat und der Anteil der Asylwerber aus Niedrig-TBC-Inzidenzländern (wie Syrien) zugenommen hat. (Schluss) sue