Parlamentskorrespondenz Nr. 750 vom 28.06.2016

Verkehrsausschuss diskutiert Linien der künftigen Verkehrspolitik

Verkehrsminister Leichtfried nennt Elektromobilität und Maßnahmen zur Verkehrssicherheit als aktuelle Schwerpunkte

Wien (PK) – Grundsatzfragen der österreichischen Verkehrspolitik diskutierte der Verkehrsausschuss heute mit dem neuen Ressortchef im Verkehrsministerium, Jörg Leichtfried. Anhand mehrerer Berichte, die der Ausschuss zu behandeln hatte, kamen Fragen der Entwicklung des Verkehrssystems zur Sprache, wie der Ausbau der Kapazitäten des öffentlichen Verkehrs, die Ökologisierung des Verkehrssystems und die Elektromobilität. Anlass bot der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht 2014, der nach eingehender Debatte mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen wurde.

Der Ausschuss befasste sich auch mit dem Bericht über Fahrzeugkontrollen der Bundesanstalt für Verkehr zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, der einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Dem Ausschuss lag auch der Bericht über die bisherige Arbeit der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) vor, die 2015 ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Mit ihr steht nun eine zentrale Anlaufstelle für Beschwerden bei allen Verkehrsträgern zur Verfügung. Auch die Kenntnisnahme dieses Berichts erfolgte einstimmig.

Leichtfried will Österreich bis 2020 "elektrofit" sehen

Bundesminister Leichtfried stellte der Diskussion im Ausschuss seine Vorstellungen über die großen Linien der Verkehrspolitik voran. Als Schwerpunkte sieht er die Schaffung eines umweltfreundlichen und eines sozialen Verkehrssystems sowie die Verkehrssicherheit. Diese Fragen greifen ineinander. So habe ein kostengünstiger öffentlicher Verkehr soziale und ökologische Aspekte. Die Elektromobilität sei ein Thema, das auch die Industriepolitik betreffe, vor allem die für Österreich wichtige Zulieferindustrie für die Automobilbranche. Sein Ziel sei es, Österreich bis 2020 "elektrofit" zu machen. Der rasche technische Fortschritt, etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, mache vieles möglich, was vor einigen Jahren noch undenkbar schien. Österreich dürfe den Anschluss hier nicht verlieren, betonte der Verkehrsminister.

Ein besonderes Anliegen ist Leichtfried die Verkehrssicherheit. Es gebe keine Zahl von Verkehrstoten, mit der man sich abfinden könne, meinte er, das Ziel müsse letztlich die Senkung auf null sein. Bis Herbst will er ein umfassendes Maßnahmenpaket vorlegen, um die Zahl der schweren Verkehrsunfälle und der Verkehrstoten wesentlich zu senken.

Verkehrsminister: Direktvergabe von Leistungsbestellungen auch in Zukunft möglich

2014 wurden laut Gemeinwirtschaftlichem Leistungsbericht 2014 (III-257 d.B.) mehr als 83 % aller gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdienste in Österreich mittels Förderungen des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) bereitgestellt. Für eigenwirtschaftliche Fernverkehrslinien werden entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben keine Leistungen bestellt. In Summe wurden bei der ÖBB-PV AG 2014 gemeinwirtschaftliche Leistungen im Ausmaß von 71,44 Mio. Fahrplankilometern bestellt (2013: 70,96 Mio.), bei Privatbahnen weitere 6,04 Mio. Fahrplankilometer (2013: 6,02 Mio.), für die 53,34 Mio. € ausbezahlt  wurden (2013: 51,47 Mio. €) . Das Leistungsangebot blieb damit 2014 im Wesentlichen konstant. Die lange Dauer bis zur Übermittlung des Berichts begründete der Verkehrsminister damit, dass Wirtschaftsprüfer die dort angegebenen Zahlen erst freigeben mussten. Wenn es politische Möglichkeiten gebe, den Bericht jeweils bereits im Folgejahr vorzulegen, werde er diese nützen, versprach Leichtfried.

Die Bestellungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen in Direktvergabe thematisierten Elisabeth Pfurtscheller (V) und Michael Pock (N) vor dem Hintergrund des Vierten Eisenbahnpakets der EU. Das bereits ausverhandelte Paket soll 2023 weitere Liberalisierungsschritte im europäischen Schienenpersonenverkehr setzen. Eine wichtige Neuerung ist, dass europaweite Ausschreibungen für Aufträge im Personenverkehr ab dann die Regel, Leistungsbestellungen über Direktvergaben hingegen nur mehr die Ausnahme sein sollen. Verkehrsminister Leichtfried verwies darauf, dass Direktvergaben weiterhin möglich bleiben. Das österreichische System habe Vorteile, so stelle es etwa sicher, dass auf der Westbahnstrecke zwei Verkehrsunternehmen tätig sein können und damit das Angebot erhöhen, während es in anderen Ländern der Union üblich ist, Strecken exklusiv an ein Unternehmen zu vergeben.

Die Frage der Förderung des Nahverkehrs und seiner Kapazitäten wurde von den Abgeordneten Georg Willi (G), Johann Hell (S), Gerhard Deimek (F) und Christoph Hagen (T) angesprochen. Verkehrsminister Leichtfried stellte fest, dass die geringen Zuwächse mit Kapazitätsgrenzen zu erklären sind. Dabei sei die Frage des ausreichenden Park & Ride-Angebots nur ein Faktor, ob das Angebot des Nahverkehrs als attraktiv empfunden werde. Leichtfried stimmte den Abgeordneten auch zu, dass der Ausbau der innerösterreichischen Städteverbindungen eine Herausforderung bleibe, wie auch die Verbesserung der Verbindungen über das so genannte Deutsche Eck. Hier werde er in Gesprächen auf bilateraler Ebene versuchen zu ergründen, was Österreich im eigenen Interesse zum rascheren Ausbau der Strecke Richtung Rosenheim beitragen könne.

Zur Sprache kamen in diesem Zusammenhang auch die Nebenbahnen und deren Zukunft. Der Grüne Verkehrssprecher Willi forderte den Minister auf, sicherzustellen, dass auch bei aufgelassenen Nebenbahnen die Trassen erhalten bleiben, da sich in Zukunft auch der Bedarf an ihnen wieder ergeben könnte, gerade wenn ein Umbau des Verkehrssystems erfolge. Carmen Schimanek (F) kritisierte, dass Verbesserungen für Nebenbahnen in Tirol seit langem versprochen seien, aber nicht umgesetzt. Andreas Ottenschläger (V) gab zu bedenken, dass die Wirtschaftlichkeit von Strecken ebenfalls ein Faktor sei, auch Busse könnten die Aufgaben des öffentlichen Verkehrs abdecken.

Verkehrsminister Leichtfried stimmte grundsätzlich zu, dass Bedarfsanalysen die Grundlage für Entscheidungen über den Erhalt von Strecken sein müssten, wobei Neubewertungen auch durchaus dazu führen können, dass Strecken im Nahverkehr auch wieder befahren werden. Grundsätzlich war er auch der Meinung, dass Trassen erhalten bleiben sollten. Ziel sei es, das Bahnnetz insgesamt zu erhalten, leider seien auch wichtige Verkehrsverbindungen derzeit nicht wirtschaftlich zu führen.

Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sprachen Gerhard Deimek (F) und Johann Hell (S) an. Die Ökologisierung des Verkehrs forderte Christiane Brunner (G). Brunner unterstrich die Notwendigkeit, die zentralen Entscheidungen für die Dekarbonisierung des Verkehrssystems zur Erreichung der Klimaziele bereits jetzt zu treffen. Dabei müssten auch Investitionen umgeschichtet werden. Der Verkehrsminister sagte, dass es eine der großen Herausforderungen sei, den CO2-Anteil des Straßenverkehrs zu senken, dazu müsste es auch möglich sein, etwa den CO2-Ausstoß von LKWs in die externen Kosten einzurechnen. Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene müsse auch über das Mautsystem geförderte werden. Kritisch sieht Leichtfried das System der Rollenden Landstraße, bei der LKWs auf Schiene befördert werden. Vielmehr sollten Container befördert werden, und zwar auf der Gesamttransportstrecke, nicht nur auf dem Abschnitt durch Österreich. Dazu sei der Ausbau der Güterterminals, die sich bisher sehr bewährt haben, notwendig.

Technische Unterwegskontrollen erhöhen Verkehrssicherheit

Wie der Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2015 (III-270 d.B.) festhält, wurde auch 2015 eine hohe Prüfungsdichte bei technischen Unterwegskontrollen auf Österreichs Straßen aufrechterhalten. Insgesamt wurden 55.455 Fahrzeuge im Zuge einer anfänglichen technischen Unterwegskontrolle überprüft, die Zahl der Überprüfungen konnte damit im Vergleich zum Jahr davor sogar gesteigert werden. Nach diesen anfänglichen Kontrollen wurden 26.155 Fahrzeuge einer gründlicheren technischen Kontrolle unterzogen. Die Anzahl der technisch geprüften Fahrzeuge ist im Vergleich mit dem Jahr 2014 angestiegen.

Die Abgeordneten des Verkehrsausschusses äußerten sich zufrieden über die Kontrolldichte auf Österreichs Straßen. Verkehrsminister Leichtfried hielt auf Fragen der Abgeordneten Günther Kumpitsch (F), Christoph Hagen (T) und Georg Willi (G) fest, dass die Prozentzahlen der festgestellten Mängel sich nicht direkt auf alle Fahrzeuge eines bestimmten Landes umlegen lassen. Geprüft werden Fahrzeuge nämlich nicht stichprobenartig, sondern dann, wenn geschulte PolizistInnen bereits einen Mangel vermuten. Dementsprechend hoch sei der Prozentsatz, wo tatsächlich Gefahr im Verzug oder schwere Mängel festgestellt werden. Die Frage von gefährlichen LKW-Überholmanövern und der Sinnhaftigkeit von Überholverboten werde von einer Arbeitsgruppe derzeit behandelt, teilte Leichtfried Abgeordnetem Hagen mit. Abgaskontrollen sind derzeit bei den Unterwegskontrollen technisch nicht möglich, erfuhr Abgeordneter Willi.

Erfolgreicher Start der Agentur für Fahrgastrechte

Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) hat mit 28. Mai 2015 ihre Arbeit aufgenommen und zieht mit dem Jahresbericht 2015 (III-278 d.B.) erstmals ein Resümee ihrer Vermittlungsarbeit. Die apf hat 2015 die frühere Schlichtungsstelle der Schienen-Control abgelöst. Gleichzeitig wurde die bisher direkt im BMVIT angesiedelte Schlichtungsstelle zur Behandlung von Beschwerden zu Fluggastrechten in die apf eingegliedert. Neu hinzugekommen sind die Schlichtungsstellen für den Bus- und den Schiffsverkehr. Allgemein zufrieden mit dem raschen und zuverlässigen Service der neuen Einrichtung zeigten sich die Abgeordneten und Bundesminister Leichtfried.

Abgeordneter Singer (V) verdeutlichte die Leistungen der apf mit dem Hinweis, dass im Jahr 2015 insgesamt 2.394 Beschwerdefälle im Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr bei der apf eingelangt sind, die zu 1.212 Schlichtungsverfahren führten. Von den 939 im Jahr 2015 abgeschlossenen Verfahren konnten 824 positiv erledigt werden, was einer Erfolgsrate von rund 88 Prozent entspricht. Das sei eine erfreuliche Erfolgsquote, befand auch Gerald Klug (S), der auch auf die erfreulich rasche Erledigung der Fälle hinwies. Verkehrsminister Leichtfried informierte FPÖ-Abgeordnete Claudia Schimanek, dass in Fällen von Verspätungen, die durch die Fluchtkrise des Frühsommers 2015 verursacht wurden, auch bei Verspätungen von unter einer Stunde Kulanzlösungen gesucht wurden. Der Frage eines möglichen Personalmangels der Austro-Control werde er nachgehen, versprach er Abgeordnetem Christoph Hagen (T). (Fortsetzung Verkehrsausschuss) sox