Parlamentskorrespondenz Nr. 764 vom 29.06.2016

Rupprechter: Brexit-Folgen für Österreichs Landwirtschaft relativ gering

Landwirtschaftsausschuss debattiert über Briten-Votum, Milchwirtschaft und CETA

Wien (PK) – Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter schätzt die Auswirkungen von Brexit auf den österreichischen Agrarsektor als relativ gering ein, zumal nicht zu erwarten sei, dass sich Großbritannien als Verfechter des Freihandels nun abschotten werde. Der Wille des britischen Volkes sei zu akzeptieren und nun konsequent umzusetzen, betonte der Ressortchef in der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses und gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, eine EU-Mitgliedschaft "light" dürfe es nach dem Votum der Briten jedenfalls nicht geben.

Was die Lage auf dem Milchmarkt betrifft, die in der Aussprache mit den Abgeordneten ebenfalls breiten Raum einnahm, tritt Rupprechter für Anreizsysteme zur Mengenreduzierung ein und sieht in der Frage der Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge für die bäuerlichen Betriebe noch Verhandlungsbedarf mit dem Koalitionspartner. Bei CETA wiederum zeigte der Minister kein Verständnis für einen Alleingang Brüssels und pochte vielmehr gemeinsam mit den Abgeordneten auf eine Befassung der nationalen Parlamente.

Rupprechter für konsequente Umsetzung des Brexit

Der Ball liege nun bei den Briten, die nach den Bestimmungen des Vertrags von Lissabon einen Antrag auf Austritt stellen müssen, erklärte Rupprechter. Innerhalb der EU werde vor allem darum gehen, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit möglichst gering zu halten und darüber hinaus Antworten auf die großen Fragen der Union – Migration, Arbeitslosigkeit, sozialer und wirtschaftlicher Zusammenhalt, Außen- und Sicherheitspolitik – zu finden. Der Minister rechnet damit, dass sich Großbritannien trotz des Austritts wirtschaftlich von Europa nicht abwenden wird, sondern vielmehr seine Handelsbeziehungen nun in einem Freihandelsabkommen mit Brüssel oder im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) regeln wird. Keine großen negativen Folgen erwartet Rupprechter für den heimischen Agrarsektor, wobei er daran erinnerte, dass Österreich mit Großbritannien, das für die heimische Landwirtschaft der elft-wichtigste Markt ist, eine positive Agrarhandelsbilanz aufweist.

Auch für SPÖ-Landwirtschaftssprecher Erwin Preiner geht es nun darum, den britischen Volksentscheid zu respektieren. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU sei jetzt die logische Konsequenz, pflichtete ihm Nikolaus Berlakovich (V) bei, der überdies davor warnte, mit "Verrenkungen" zu versuchen, die Briten in der Union zu halten. "Jetzt muss Klartext gesprochen werden", meinte auch Wolfgang Pirklhuber (G). Wenn die Briten austreten wollen, dann sollen sie dies tun. Ein Austritt bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der alten Privilegien durch Großbritannien kommt für den Agrarsprecher der Grünen aber nicht in Frage. Nach Ansicht von Christian Höbart (F) wiederum ist die Union nun gefordert, Großbritannien in eine Art von europäischem Wirtschaftsrahmen einzubauen.

Milch: Rupprechter für Mengenreduktion

"Wir müssen die Menge in den Griff bekommen, um die Krise auf dem Milchmarkt zu bewältigen", steht für den Landwirtschaftsminister fest. Rupprechter unterstützt in diesem Sinn eine jüngst beim Agrarministerrat in Luxemburg präsentierte Initiative von Frankreich, Deutschland und Polen, die auf die Schaffung eines Anreizsystems zur kurzfristigen Mengenreduktion abzielt, betont jedoch, dies bedeute keine Rückkehr zur Quote. Eine Mengenregulierung wünschen auch Harald Jannach (F) und Wolfgang Pirklhuber (G), wobei der Agrarsprecher der Grünen auf entsprechende Forderungen des EU-Ausschusses für Regionen verwies. An einer Mengenreduktion werde man nicht vorbeikommen, glaubt Leopold Steinbichler vom Team Stronach. Wenn man aber nach wie vor Palmfett importiert, dann haben sämtliche Milchdialoge keinen Sinn, warnte er und forderte eine Besteuerung der großen Importeure. Ein Bonus-Malus-System zur Milchmengenreduktion empfahl überdies Erwin Preiner (S), der zudem den Fokus verstärkt auf die Qualität der Produktion legen will.

Reserviert begegnete Preiner Plänen des Ministers, angesichts der angespannten Lage auf den Agrarmärkten die Sozialversicherungsbeiträge der bäuerlichen Betriebe für ein Quartal auszusetzen. Ein klares Nein zu diesem Vorschlag kam auch von Wolfgang Pirklhuber (G), der eine Stundung der Beiträge aus gesellschaftspolitischer Sicht für nicht argumentierbar hält und negative Folgen für die Solidarität gegenüber der Landwirtschaft befürchtete. Besser wäre es, die Beitragserhöhungen um ein Jahr auszusetzen und darüber hinaus die Auszahlung der Agrarförderungsmittel vorzuziehen. Michael Pock (N) wiederum plädierte dafür, der Landwirtschaft die gesamtgesellschaftlichen Leistungen konkret abzugelten, eine Aussetzung von Sozialversicherungsbeiträgen macht für den NEOS-Umweltsprecher hingegen wenig Sinn. Gänzlich anders sah dies ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Berkalovich. Eine Sistierung der Beiträge sei gerechtfertigt, zumal die Landwirtschaft momentan in fast allen Bereichen mit einer katastrophalen Entwicklung konfrontiert ist. Ein positives Echo fand der Rupprechter-Vorschlag zudem auch bei FPÖ-Agrarsprecher Harald Jannach.

CETA: Ausschuss pocht auf Entscheidung durch nationale Parlamente.

Überrascht zeigte sich Andrä Rupprechter über die Ankündigung von Kommissionspräsident Juncker, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nicht den nationalen Parlamenten vorzulegen. CETA ist ein gemischtes Abkommen, steht für den Minister fest, der sich in seiner Meinung durch ein entsprechendes Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des Europäischen Rates bestätigt fühlt und in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit eines Einspruchs beim EUGH gegen das Vorgehen der Kommission in den Raum stellte.

CETA muss als gemischtes Abkommen ins Parlament kommen, forderte Erwin Preiner (S) und zog dabei an einem Strang mit Christian Höbart (F) Wolfgang Pirklhuber (G), Michael Pock (N) und Leopold Steinbichler (T). (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) hof