Parlamentskorrespondenz Nr. 810 vom 06.07.2016

Stören der öffentlichen Ordnung: Polizeiliches Einschreiten wird erleichtert

Nationalrat stimmt umfangreichem Gesetzespaket zur Verhinderung von Straftaten zu

Wien (PK) – Wer andere Leute im öffentlichen Raum belästigt oder anderweitig stört, muss künftig rascher als bisher mit einem Einschreiten der Polizei rechnen. Anders als nach geltendem Recht ist eine besonders rücksichtlose Verhaltensweise künftig keine Voraussetzung für eine Strafe wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" mehr. Vielmehr kann die Polizei bereits ein Verhalten ahnden, "das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen", wie es in einer Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz heißt, die heute vom Nationalrat mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde. Außerdem erhält die Polizei neue Wegweisebefugnisse, der Strafrahmen wird von 350 € auf 500 € hinaufgesetzt.

Kritisiert wird die Maßnahme von den Grünen und den NEOS. Ihrer Meinung nach erhält die Polizei durch die vage Formulierung zu viel Ermessensspielraum. Zudem hätten die BürgerInnen keine Chance mehr, ihr Verhalten gesetzeskonform auszurichten, kritisieren sie. Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser geht in diesem Sinn davon aus, dass die Bestimmung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten wird. Ausdrücklich unterstützt wurden die neuen Bestimmungen hingegen von der FPÖ und vom Team Stronach.

Die neuen Regelungen sind Teil eines Gesetzespakets, das vorrangig darauf abzielt, terroristische und andere Straftaten durch präventive Maßnahmen zu verhindern. So wollen die Abgeordneten mit so genannten "Gefährderansprachen" und Meldepflichten extremistisch motivierten Straftaten vorbeugen. Außerdem geht es um den Schutz von Frauen vor sexueller Belästigung in der Öffentlichkeit und den Schutz vor familiärer Gewalt. Die Möglichkeit zur erkennungsdienstlichen Behandlung von Personen und zur Abnahme von DNA-Proben wird ausgeweitet, auch allgemeines aggressives Verhalten gegenüber der Polizei – ohne Behinderung einer Amtshandlung – ist in Hinkunft strafbar. Vorgesehen sind schließlich eine organisatorische Bündelung der Einsatzzentralen der Exekutive sowie erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in Amtsgebäuden des Innenministeriums. Abseits des Sicherheitsaspekts bringt die Gesetzesnovelle bürokratische Vereinfachungen für Fundämter (siehe auch Parlamentskorrespondenz Nr. 762/2016).

Grüne und NEOS sehen positive und negative Punkte

In der Debatte räumte Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz ein, dass "einiges Vernünftige" im Gesetz stehe. Einzelne Punkte erachtet er aber als äußerst bedenklich, wobei er insbesondere die Einspeisung von Daten aus der Datenbank des Staatsschutzes in das polizeiliche EKIS-System kritisierte. Seiner Meinung nach ist nicht sichergestellt, dass ausschließlich Daten von Terrorverdächtigen in der Polizeidatenbank landen. Durch "schlampige Formulierungen" im Gesetz drohe Personen, die möglicher Weise ausschließlich des Verfassens von Hasspostings verdächtig sind, ein Rufmord und andere Nachteile, warnte Pilz.

Sein Fraktionskollege Albert Steinhauser ging auf die neuen Bestimmungen betreffend Störung der öffentlichen Ordnung ein und bemängelte, dass die Polizei durch das Gesetz zu einer Art "österreichischen Gouvernante" werde. Seiner Ansicht nach erhält die Polizei viel zu viel Ermessensspielraum bei der Ahndung von störendem Verhalten in der Öffentlichkeit, wobei er nochmals auf die bereits im Innenausschuss genannten Beispiele verwies. Steinhauser geht davon aus, dass die neuen Bestimmungen schon allein deshalb nicht vor dem Verfassungsgerichtshof halten werden, weil ein Bürger aufgrund der vagen Formulierung nicht mehr wissen könne, ob er sich durch ein bestimmtes Verhalten strafbar mache oder nicht.

Kritik übte Steinhauser darüber hinaus daran, dass künftig auch allgemeines aggressives Verhalten gegenüber der Polizei strafbar sein wird. Er fürchtet, dass diese Bestimmung dazu verwendet werden wird, Amtshandlungen vor unangenehmen Beobachtungen abzuschirmen. Positiv wertete Steinhauser hingegen den Ausbau des Gewaltschutzes.

Auch die NEOS begrüßen einige Punkte des Entwurfs, wie Nikolaus Alm (N) festhielt. Als Beispiel nannte er etwa mehr Sicherheitskontrollen in Amtsgebäuden oder die Wegweisung gefährlicher Personen aus der Umgebung von Schulen oder von Sportveranstaltungen. Andere Punkte gehen ihm aber zu weit. So hält etwa auch er die neuen Bestimmungen betreffend die Störung der öffentlichen Ordnung für problematisch. Diese könnten willkürlich ausgelegt werden. Damit drohe die Freiheit über Gebühr eingeschränkt zu werden. Aufgrund der vagen Formulierung hätten die BürgerInnen überdies keine Möglichkeit, ihr Verhalten am Gesetz auszurichten, ist er mit Abgeordnetem Steinhauser einig. Ebenfalls als hinterfragenswert wertete Alm die "Meldeverpflichtung zur Normenverdeutlichung".

Breite Zustimmung zu Gesetzespaket

Wenig Verständnis für die Argumentation von Pilz zeigte ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon. Er sieht nichts Verwerfliches darin, Daten aus der Datenbank des Staatsschutzes in das EKIS-System einzuspeisen. Schließlich gehe es um schwere Straftaten wie die Begründung einer terroristischen Vereinigung oder Terrorismusfinanzierung. Insgesamt sprach Amon von einer "wohl austarierten Vorlage". Die Verhältnismäßigkeit sei in allen Bereichen gewahrt.

Erfreut über das vorliegende Paket zeigten sich auch Amons Fraktionskollegen Hermann Gahr, Friedrich Ofenauer, Gabriel Obernosterer und Nikolaus Prinz. Das Gesetzespaket biete neue und zeitgemäße Möglichkeiten, die Sicherheit in Österreich zu verbessern, sagte Gahr, wobei er insbesondere auch Verbesserungen beim Opferschutz hervorhob. Abgeordneter Obernosterer wies unter anderem auf die elektronische Bündelung von Notrufen hin.

Abgeordneter Prinz ging insbesondere auf die Einwände der Opposition ein. Er verstehe die Ängste der Grünen vor Polizeiwillkür und die Ängste der NEOS vor einem Überwachungsstaat nicht, meinte er. Schließlich gehe es um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Auch Ofenauer wertete die von Steinhauser vorgebrachten Beispiele als überzogen. Es gehe vielmehr um die Möglichkeit, das aufdringliche Nachgehen einer Person oder etwa das Verstellen einer Geschäftspassage zu unterbinden, verwies er auf die Erläuterungen zum Gesetzentwurf.

Auch nach Meinung von SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl hat das Gesetz die richtige Stoßrichtung. Er hält es für sinnvoll, dass die Polizei mehr Möglichkeiten bekommt einzuschreiten, bevor eine Straftat passiert. Seine Fraktionskollegin Gisela Wurm begrüßte insbesondere den besseren Schutz von Frauen vor Gewalt und sexueller Belästigung. Damit setze man einen weiteren wichtigen Mosaikstein in diesem Bereich. Konkret hob Wurm etwa die vorgesehene Täterbelehrung zur Normenverdeutlichung hervor.

Als notwendig im Sinne von mehr Sicherheit qualifizierte FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch das Gesetzespaket. Schließlich steige die Gewaltbereitschaft in Österreich stetig. Zudem machte er auf die zunehmende Terrorgefahr aufmerksam. Kumpitsch begrüßte daher die Gefährderansprache für radikalisierte Personen und die Möglichkeit, Dokumente ausländischer "foreign fighters" zu konfiszieren. Es seien mehrere tausend solcher Kämpfer in Europa zur Fahndung ausgeschrieben.

Dass die Exekutive mit dem Gesetz zu viel Ermessensspielraum erhält, glaubt Kumpitsch nicht. Auch der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler begrüßte die neuen Bestimmungen.

Team Stronach will Exekutive mit Unterziehschutzwesten ausstatten

Christoph Hagen vom Team Stronach nutzte die Debatte dazu, um eine bessere Ausrüstung für die Polizei zu fordern. Insbesondere geht es ihm um die Bereitstellung von stich- und bedingt schussfesten Unterziehschutzwesten für ExekutivbeamtInnen im Außendienst. Tätergruppen und Einzeltäter würden sich nicht nur gegenüber Opfern immer brutaler verhalten, sondern auch gegenüber der Exekutive, argumentiert er. Ein entsprechender Entschließungsantrag des Team Stronach fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

Unmittelbarer Anlass für den Antrag Hagens war der tragische Tod eines jungen Polizisten bei einem kürzlich erfolgten Einsatz. Dem erschossenen Polizisten hätte eine Schutzweste zwar nicht geholfen, aber seinem schwer verletzten Kollegen, sagte Hagen. Der Fall des toten Polizisten wurde auch von zahlreichen anderen Abgeordneten aufgegriffen, die den Angehörigen ihr Beileid bekundeten.

Innenminister Wolfgang Sobotka bekräftigte, dass dem Innenministerium der Schutz von PolizeibeamtInnen im Einsatz ein großes Anliegen sei. In diesem Sinn seien bereits neue Schutzwesten angeschafft worden, weitere würden folgen. Gleiches gelte für ballistische Helme. Dass die von Abgeordnetem Hagen angesprochenen Unterziehwesten eine sinnvollere Lösung wären, bezweifelt Sobotka allerdings und verwies auf entsprechende Expertenmeinungen. Schließlich seien diese weniger sicher, zudem müsse man auch auf die Beweglichkeit achten.

Das Gesetzespaket wurde in Dritter Lesung vom Nationalrat mehrheitlich verabschiedet. Einzelne Punkte hatten zuvor in Zweiter Lesung einhellige Zustimmung erhalten. (Fortsetzung Nationalrat) gs