Parlamentskorrespondenz Nr. 814 vom 06.07.2016

Steuerflucht wird erschwert, Registrierkassenpflicht gelockert

Opposition im Nationalrat gegen Gleichstellung von politischen Parteien und gemeinnützigen Vereinen

Wien (PK) – Die Erleichterungen bei der Registrierkassenplicht und bei der Beschäftigung von Aushilfskräften zu Stoßzeiten, die der Nationalrat heute beschloss, gehören zu einem Gesetzespaket mit dem Titel EU-Abgabenänderungsgesetz 2016, das in erster Linie der Umsetzung von EU-Richtlinien gegen die Steuervermeidung durch grenzüberschreitende Gewinnverschiebungen (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) bei Konzernen und dem Kampf gegen die Geldwäsche dient. Ein neues Verrechnungspreisdokumentationsgesetz verpflichtet Konzerne mit mehr als 50 Mio. € Umsatz, ihre internen Verrechnungspreise zu dokumentieren und die Finanzbehörden darüber zu informieren. Ab 750 Mio. € Umsatz müssen die Firmen auch ihre Erträge in Länderberichten gegenüber den Behörden offenlegen. Das Gesetz und flankierende Änderungen in der Gewerbeordnung wurden nach Annahme eines SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrags mit redaktionellen Verbesserungen und Klarstellungen und nach Ablehnung oppositioneller Abänderungs- und Entschließungsanträge in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Steuergerechtigkeit heißt Schutz der Daseinsvorsorge aller Menschen    

In der Debatte begrüßten auch die Abgeordneten der Opposition, allen voran Hubert Fuchs (F) und Bruno Rossmann (G), die Verrechnungspreisdokumentation bei Konzernen. Fuchs und Rossmann hielten aber die vorgesehenen Umsatzgrenzen für zu hoch und drängten, ebenso übereinstimmend auf mehr Steuertransparenz. Bruno Rossmanns Entschließungsantrag, der unter dem Motto "Steuertransparenz ist die beste Waffe gegen Steuerdumping" auf die Information der Öffentlichkeit über Konzerngewinne abzielte, stieß bei der SPÖ tendenziell auf Verständnis, namentlich bei Petra Bayr, blieb bei der Abstimmung aber in der Minderheit. Gegenüber dem Vorwurf Bruno Rossmanns (G), das Gesetz stelle einen faulen Kompromiss dar, warb Werner Groiß von der ÖVP im Sinne höherer Steuergerechtigkeit für die vorgelegten Maßnahmen und brachte gemeinsam mit der SPÖ einen Abänderungsantrag mit redaktionellen Verbesserungen und Klarstellungen ein. Petra Bayr (S) unterstrich gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Franz Kirchgatterer die Notwendigkeit, die Staaten vor schädlichen Steuerpraktiken der Konzerne zu schützen und erinnerte an die Finanzierung der Milleniumsziele sowie an den Schutz öffentlicher Haushalte im Interesse der Daseinsvorsorge für alle Menschen. 

Erleichterungen bei der Registrierkassenpflicht

Den Beschluss für Erleichterungen bei der Registrierkassenpflicht fasste der Nationalrat durch Erweiterung des EU-Abgabenänderungsgesetzes 2016 um Zusätze, die der Finanzausschuss auf Antrag von SPÖ und ÖVP vorgenommen hatte. Werner Groiß (V) erläuterte das aus seiner Sicht vernünftige Vereins- und Wirtepaket eingangs der Debatte im Detail: Die Verlängerung der Frist zur Einrichtung technischer Vorkehrungen gegen die Manipulation von Kassen um drei Monate bis 1.4.2017, die Steuerbefreiung beim Einsatz von Aushilfskräften zur Abdeckung von Arbeitsbedarf in Stoßzeiten im Ausmaß von 18 Tagen pro Jahr und flankierende Klarstellungen in der Gewerbeordnung. Ausnahmen von der Registrierkassenpflicht gelten für Umsätze, die außerhalb fester Räumlichkeiten erzielt werden und 30.000 € jährlich nicht überschreiten ("Kalte-Hände-Regelung"). Bis zu einem Jahresumsatz von 30.000 € entfällt die Registrierkassenpflicht auch auf Alm-, Berg-, Ski- und Schutzhütten sowie in Buschenschenken. Keine Registrierkassenpflicht gilt künftig auch in Kantinen gemeinnütziger Vereine (etwa Fußballklubs), sofern die Kantine maximal 52 Tage im Jahr geöffnet hat und nicht mehr als 30.000 € einnimmt. Bei Vereinsfesten wird die Zusammenarbeit mit Gastronomen erleichtert und die freiwillige und unentgeltliche Mitarbeit von Vereinsmitgliedern von der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Bei kleinen Vereinsfesten gilt dies auch für die unentgeltliche Mitarbeit vereinsfremder Personen.

Erleichterungen auch für Parteien - Opposition fürchtet um Ansehen der Politik 

Für eine Kontroverse zwischen Regierungsparteien und Opposition sorgte die Ausdehnung der Erleichterungen im Ausmaß von bis zu 72 Stunden im Jahr auch für Feste von Bezirks- und Ortsorganisationen politischer Parteien, sofern der Jahresumsatz 15.000 € nicht überschreitet und die Überschüsse für gemeinnützige oder politische Zwecke verwendet werden. Ruperta Lichtenecker (G) begrüßte zwar Erleichterungen für Alm- und Schihütten, lehnte aber das "Flickwerk" ab, das sie bei der Registrierkassenpflicht entstehen sah und drängte bei der Parteienfinanzierung mit einem Abänderungsantrag auf mehr Transparenz. Die vorgesehenen Ausnahmen für Partei- und Vorfeldorganisationen hielten auch Hubert Fuchs (F) sowie Nikolaus Scherak und Nikolaus Alm von den NEOS, der die Geltung der Registrierkassenpflicht für alle einmahnte, für problematisch. Scherak warnte davor, das ohnehin nicht gute Ansehen der Politik weiter zu beschädigen, indem man den Unterschied zwischen gemeinnützigen Vereinen und politischen Parteien negiere, und legte dazu einen Abänderungsantrag vor, der aber ebenso wie jener der Grünen sowie ein von Leopold Steinbichler (T) eingebrachter Entschließungsantrag auf Abschaffung der Privilegien politischer Parteien in der Minderheit blieb. Hubert Fuchs (F) schlug auch vor, Feuerwehren den Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn sie mit Spendengeldern Ausrüstungen beschaffen.

SPÖ und ÖVP: Lokale Parteiorganisationen sind Teil der Zivilgesellschaft  

Gemeinsam verwahrten sich August Wöginger und Werner Amon von der ÖVP gegen die Unterstellung, es hätte etwas mit Parteienfinanzierung zu tun, wenn lokale Parteiorganisationen bei einer Weihnachtsfeier, einem Kinderausflug oder einem Kaffeekränzchen für PensionistInnen Ausnahmen von der Registrierkassenpflicht in Anspruch nehmen. Die praxisnahen Erleichterungen bei der Mitarbeit von Familienangehörigen und Aushilfskräften begrüßten auch die Fraktionskollegen Manfred Hofinger, Hermann Schultes und Andreas Hanger. Amon begrüßte die Entbürokratisierung von Vereinen und freiwilliger Arbeit und würdigte ehrenamtliche Arbeit für Parteien als zivilgesellschaftliches Engagement. Parteiorganisationen, die gemeinnützig aktiv sind, mit gewinnorientierten Gewerbebetrieben zu vergleichen, sei falsch, weil der Umsatz für Parteien gedeckelt sei und für die Erlöse eine Zweckwidmung gelte. Letztlich gehe es um die Unterstützung gemeinnütziger Tätigkeit für Frauen, Jugend und SeniorInnen.  

Matthias Köchl (G) nahm begleitende Änderungen in der Gewerbeordnung und die angekündigte Gewerbeordnungsnovelle, die er unterstütze,  zum Anlass, per Entschließungsantrag eine Entschlackung der Gewerbeordnung durch Verminderung der reglementierten Gewerbe zu fordern, blieb mit seiner Initiative aber in der Minderheit.

  

Franz Kirchgatterer (S) lobte einmal mehr die Steuerreform, die viele Menschen entlastet und die Kaufkraft gestärkt hat und begrüßte die von der Regierung in Aussicht gestellte Unterstützung von Startups, von Risikokapital in kleinen und mittleren Unternehmen und Erleichterung von Investitionen. Das schafft Chancen für Menschen und soziale Sicherheit, zeigte sich der Redner überzeugt und brach einmal mehr eine Lanze für die Sozialpartnerschaft.

Abschließend betonte Leopold Steinbichler (T) die Bedeutung der Vereine, deren Engagement den Gemeinden viel Geld erspare und der Jugend eine gute Umgebung biete, in der sie für das Leben lernen und wichtige Erfahrungen sammeln können. Mit einem Entschließungsantrag setzte sich Steinbichler für die Entlastung der  Wirte von Stornokosten im Zusammenhang mit der Registrierkassenpflicht ein. Er blieb damit aber ebenso in der Minderheit wie mit seinem Abänderungsantrag gegen die von ihm abgelehnte Gleichstellung von Parteien und gemeinnützigen Vereinen. (Fortsetzung Nationalrat) fru