Parlamentskorrespondenz Nr. 817 vom 07.07.2016

Österreich auf gutem Weg zum familienfreundlichsten Land Europas

Familien- und Jugendministerin Sophie Karmasin steht Abgeordneten Rede und Antwort

Wien (PK) – Zentrale Fragen der Mandatare zur Familien- und Jugendpolitik beantwortete Bundesministerin Sophie Karmasin in der Fragestunde am Beginn der Nationalratssitzung : Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexiblere und familienfreundlichere, aber nicht längere Arbeitszeiten für Eltern, Vollerwerbsmöglichkeiten für Mütter durch längere Öffnungszeiten der Kindergärten, mehr Qualität bei der Kinderbetreuung, Obsorge für unbegleitete Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge nach Österreich kommen und bessere Vorbereitung der Kinder im Kindergartenalter auf den Einstieg in die Schule. Beim Thema "Gewalt gegen Kinder", zentrales Anliegen der jüngsten Internationalen Kinderrechte-Konferenz in Wien, registrierte die Familien- und Jugendministerin beachtliche und statistisch untermauerte Fortschritte im Bewusstsein der Menschen, sah bei Gewalt gegen Kinder aber nach wie vor Handlungsbedarf.

Familienfreundliche Arbeitszeiten, mehr Flexibilität für Eltern  

Familienministerin Sophie Karmasin sieht Österreich auf einem guten Weg zu dem Ziel, das familienfreundlichste Land in Europa zu werden, nicht zuletzt auch durch das neue Instrument Kindergeldkonto. Dazu sollen familienfreundliche Arbeitszeitmodelle mit mehr Flexibilität für die Familien kommen, sagte Karmasin auf eine Frage von Angela Lueger (S). Mütter und Väter wollen nicht länger arbeiten, aber sie wollen mehr Flexibilität, etwa die Möglichkeit, an drei Tagen in der Woche länger zu arbeiten, um so freie Tage mit den Kindern zu gewinnen. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, dass ein Partner, der sich unter der Woche um die Kinder kümmert, stundenweise auch am Wochenende arbeitet.

Gewalt gegen Kinder: Fortschritte sind erkennbar, viel ist noch zu tun

Abgeordneter Claudia Durchschlag (V) berichtete die Familienministerin von der jüngsten Internationalen Kinderrechte-Konferenz in Wien mit 200 VertreterInnen aus 70 Staaten, darunter 25 Regierungsmitgliedern. In der Schlussresolution bekennen sich alle Teilnehmerstaaten dazu, Gewalt gegen Kinder gesetzlich zu verbieten. Österreich, das bei Maßnahmen gegen Gewalt an Kindern international zu den Vorreitern zählt, hat die UN-Kinderrechtekonvention im Vorjahr vollständig ratifiziert und alle Vorbehalte zurückgenommen. Beachtliche Fortschritte im gesellschaftlichen Bewusstsein beim Thema Gewalt gegen Kinder liest Karmasin an Umfragen ab. Der Anteil an Menschen, die Schläge für Kinder ablehnen, hat in Österreich seit 1977 von 27% auf 78% zugenommen. Beim Thema Gewalt gegen Kinder gibt es aber noch viel zu tun, hielt Karmasin fest.

Brexit bremst Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland   

Alle Vorarbeiten auf EU-Ebene zur Anpassung der Familienbeihilfe an das Niveau der Lebenshaltungskosten in dem Land, in dem die Kinder leben, werden durch den Brexit obsolet, berichtete die Familienministerin der Abgeordneten Edith Mühlberghuber (F)

mit Bedauern. Österreich unterstütze dieses Vorhaben weiterhin, es seien nun aber neue Wege einzuschlagen. Eine nationale Vorgangsweise sei aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich. "Wir brauchen gemeinsame Beschlüsse in der Europäischen Union", führte Karmasin aus.

Von der Frage von Judith Schwentner (G), wer die Kosten für einer aktuellen Kinderkostenanalyse Evaluierung der Unterhaltshöchstgrenzen übernimmt, sieht die Familienministerin mehrere Ressorts betroffen - bei der Obsorge das Justizministerium, bei Gesundheitskosten das Gesundheitsressort - Karmasin plädiert für eine ressortübergreifende Lösung und für die Aufnahme der Kinderkostenanalyse in den Mikrozensus.

Auf Kritik von Leopold Steinbichler (T) an der Zahnspangenregelung, die stark belasteten Eltern und AlleinerzieherInnen nicht nütze, reagierte die Familienministerin, die die finanzielle Unterstützung von Familien bei den Ausgaben für die Zahnspangen der Kinder positiv sieht, mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Gesundheitsministerin. Bei den Gefahren für die Zahngesundheit der Kinder durch süße Verführer an Supermarktkassen berichtete Karmasin von Fortschritten bei einzelnen Handelsketten, die "Familienkassen" mit Obst für Kinder anbieten.

Karmasin: Familienlastenausgleichsfonds bleibt autonom  

Der Familienlastenausgleichsfond (FLAF) ist aufgrund seiner Zweckwidmung für die Familien ein autonomer Fonds, sagte die Familienministerin Abgeordnetem Michael Pock von den NEOS. Niemand denke daran, diesen Fonds in das allgemeine Budget zu überführen. "Dieser Fonds soll eigenständig bleiben", betonte die Ministerin. Über Schuldenrobleme führe sie derzeit gute Gespräche mit den Sozialpartnern und anderen Ressorts und werde bis Ende des Jahres Reformvorschläge samt Zeitplan präsentieren, nachdem die Frage familienfremder FLAF-Leistungen in einer Arbeitsgruppe behandelt wurde. Der Anteil des neuen Kindergeldkontos an den Leistungen des FLAF beträgt 17%. Der Löwenanteil der FLAF-Leistungen besteht nach wie vor in der Kinderbeihilfe, erfuhren die Abgeordneten. Der Rechner für das Kindergeldkonto soll den Familien bis spätestens Jahresende zur Verfügung stehen, teilte Karmasin mit.

Der Familienlastenausgleichsfonds, bei dem zusätzliche Belastungen aus budgetären Gründen ausgeschlossen werden müssen, sei für StudentInnen nicht zuständig, betonte die Familienministerin gegenüber der Forderung von Julian Schmid (G) Studierende österreichweit in das TOP-Jugendticket einzubeziehen. Karmasin sagte dem Abgeordneten aber zu, sich gemeinsam mit dem Verkehrsminister für eine Ausweitung des Jugendtickets einzusetzen.

Eltern werden mehrsprachig über Bedeutung des Kindergartens informiert   

Das zweite Gratis-Kindergartenjahr, nach dessen Einführung Cornelia Ecker (S) fragte, soll laut Familienministerin ab 2018/19 umgesetzt werden. Die Verhandlungen mit den Bundesländern darüber starten im kommenden Herbst. Hinsichtlich der Barcelona-Ziele zur Ausweitung ganztägiger Kinderbetreuung bekannte sich die Familienministerin dazu, Müttern den Vollerwerb zu ermöglichen und informierte über zunehmend längere Öffnungszeiten von Kindergärten und diesbezügliche Vereinbarungen mit den Ländern.

Den von Georg Strasser (V) angesprochenen bundesweit einheitlichen Bildungskompasses für alle Kinder ab dreieinhalb Jahren sieht die Familienministerin als ein wertvolles Instrument zur Unterstützung von Kindern in der sensiblen Phase des Übertritts in die Volksschule. An geeigneten Methoden arbeite eine Arbeitsgruppe des Charlotte-Bühler-Instituts. Über Bedeutung des Kindergartens werden die Familien – in mehrsprachigen Broschüren – aufgeklärt, fügte Karmasin hinzu. Abgeordneter Petra Steger (F), die auf Probleme im Unterricht durch schwer integrierbare oder integrationsunwillige Kinder aufmerksam machte, sagte die Familienministerin, sie sei zwar nicht für die Lösung von Schulproblemen verantwortlich, engagiere sich aber intensiv für die bestmögliche Vorbereitung der Kinder auf die Schule sowie von Jugendlichen auf den Eintritt in das Berufsleben.

Mehr als 8000 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge in Österreich 

Im Jahr 2015 kamen in Österreich 8.400 jugendliche Flüchtlinge – viele durch Kriegs- oder Fluchterlebnisse traumatisiert - unbegleitet nach Österreich, berichtete die Familienministerin. Alle werden betreut, spezielle Probleme wurden mit den Ländern geklärt, erfuhr Katharina Kucharovits (S) von der Ministerin, die an dieser Stelle für den Einsatz von Pflegefamilien eintrat. Wie viele von den Jugendlichen in ihre Heimat zurückkehren wollen, sei ihr nicht bekannt, sagte Karmasin auf eine Zusatzfrage.

Karmasin für Wahlalter 16 Jahre bei Betriebsratswahlen  

Die Bedeutung der Jugendarbeit in Österreich kann in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung gar nicht überschätzt werden, sagte  Jugendministerin Sophie Karmasin auf eine Frage von Asdin El Habbassi (V) zum "Jahr der Jugendarbeit 2016". Karmasin nannte die Zahl von 170.000 jungen Menschen, die freiwillig an der Jugendarbeit mitwirken und dabei jährlich 5,8 Mio. Arbeitsstunden leisten. Die professionelle Jugendarbeit umfasst 3.300 Vollzeitarbeitsplätze, berichtete die Jugendministerin weiter und warb für ihr jüngstes Projekt, den am kommenden 6. Dezember erstmals zu vergebenden Preis für Jugendarbeit, mit dem gute Projekte in drei Kategorien prämiert und vor den Vorhang gebeten werden. Den Vorschlag, das Wahlalter bei Betriebsratswahlen von derzeit 18 auf 16 Jahre zu senken, unterstützt die Familienministerin. "Das ist berechtigt und sinnvoll", so Karmasin. (Fortsetzung Nationalrat) fru