Parlamentskorrespondenz Nr. 939 vom 14.09.2016

CETA und TTIP führen zu Unsicherheiten bei Mindeststandards

Lebensmittel, Landwirtschaft, Konsumentenschutz, Umwelt und Arbeitnehmerschutz als Themen der Parlamentarischen Enquete

Wien (PK) – "Sind unsere Standards durch CETA und TTIP gefährdet?" lautete die zentrale Frage beim zweiten Panel der heutigen Parlamentarischen Enquete zu den geplanten Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, CETA und TTIP. Im Mittelpunkt standen dabei die Themen Lebensmittelsicherheit, Landwirtschaft, Konsumenten-, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. Während KritikerInnen hier negative Auswirkungen der Abkommen auf das hohe Niveau bei den österreichischen Standards befürchten, wurden von den BefürworterInnen die Vorteile von CETA verdeutlicht.

Rupprechter: TTIP im Zweifel ablehnen, mehr Chancen als Gefahren bei CETA

In einem Eingangsstatement wies Umweltminister Andrä Rupprechter auf die grundsätzliche Bedeutung von freiem und gerechtem Handel und damit auf die Bedeutung der Freihandelsabkommen als EU-Grundprinzip hin. Märkte außerhalb der EU seien für die österreichischen Agrar- und Lebensmittelexporte in den letzten Jahren stark wachsend. Diese steigende Nachfrage nach Qualitätsprodukten in Drittstaaten haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, ohne Freihandelsabkommen würden andere diese Märkte diktieren, verdeutlichte Rupprechter eine Befürchtung.

TTIP betreffend sei die derzeitige Position der USA bei den Verhandlungen allerdings nicht akzeptabel, vor allem, was die Einhaltung der Standards betrifft. Man sei bei diesem Abkommen weit von den mit dem Nationalrat abgestimmten Ergebnissen entfernt. Er würde im Zweifelsfall TTIP ablehnen, denn er sehe derzeit keine Bewegung oder Möglichkeiten zur Veränderung in den Verhandlungen und damit für einen Abschluss des Abkommens.

Das CETA-Abkommen sieht Rupprechter insofern differenzierter, als hier bei den Vereinbarungen die "roten Linien" bei den Mindeststandards Beachtung fanden. Das betreffe ausgewogene Quoten mit positiven Ergebnissen für die Milchproduktion, aber auch, dass bei den Herkunftsbezeichnungen ein Durchbruch erzielt wurde. Das Abkommen beinhalte gute Absatzchancen für Agrarwaren und Lebensmittel, berge insgesamt mehr Chancen als Gefahren und sei daher aus seiner Sicht überwiegend positiv im Landwirtschaftsbereich zu sehen.

Weyand: Freihandelsabkommen als Baustein in der globalen Ordnung

Die stellvertretende Generaldirektorin der Europäischen Kommission Sabine Weyand (Generaldirektion Handel) wies in ihrem Eingangsstatement darauf hin, wie heftig und emotional die Debatte in Europa zu den Freihandelsabkommen geführt werde. Sie teilt die Bedenken nicht, dass alle Standards unterminiert würden, sondern zeigte die Wichtigkeit der Freihandelsabkommen als "Baustein in der globalen Ordnung" auf. Die EU brauche offene Märkte, Freihandelsabkommen seien ein wesentlicher Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung nicht nur bei bilateralen Beziehungen, sondern auch in der globalen Wertschöpfungskette. Kein Abkommen würde zu niedrigeren Schutzniveaus führen, ganz im Gegenteil bewahre CETA demokratische Standards, auch durch internationale Zusammenarbeit zur Verbesserung der Grundstandards, so Weyand. Das Abkommen bekräftige das Vorsorgeprinzip, beinhalte diskriminierungsfreie Regulierungen bei Dienstleistungen, einen Durchbruch beim Investitionsschutz und stehe für fortschrittliche rechtsstaatliche Verfahren, zeigte sich die Vertreterin der Europäischen Kommission absolut vom Abkommen CETA überzeugt.

Plattform "TTIP Stoppen": CETA ist Kuhhandel mit Milch und Fleisch

Im Anschluss an die zwei Eingangsstatements folgten fünf Kurzreferate mit kontroversen Positionen zu den Themen des Panels. Irmi Salzer, Plattform "TTIP Stoppen", betonte die Unterschiede der Landwirtschaftsstrukturen zwischen Österreich und Kanada, letztere seien wesentlich größer dimensioniert, es stelle sich die Frage, ob man damit konkurrieren will. Die Konzentration auf Saatgutmacht werde durch diesbezügliche Eigentumsrechte wesentlich vergrößert, der Milchmarkt in Kanada würde durch CETA zerstört werden – es sei ein regelrechter Kuhhandel, so Salzer. Die Profiteure des Abkommens seien die kanadische Fleischindustrie, die europäische Milchindustrie und das Geschäft mit Gentechnik. Das Nachhaltigkeitskapitel bleibe dabei zahnlos, ebenso wie bei CETA und TTIP insgesamt nur Plattitüden für Klima und Menschen enthalten seien.

Landwirtschaftskammer: Internationale Abkommen für fairere Bedingungen

Für Josef Plank, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich sind Freihandelsabkommen wesentlich für die Land- und Forstwirtschaft. Gerade in Zeiten von Klimafragen und digitaler Revolution brauche es internationale Abkommen um zu faireren Bedingungen zu kommen, auch einen Anteil an der Wertschöpfungskette zu sichern sei ein wesentlicher Punkt. Bei TTIP seien aber jedenfalls die Einhaltung der "roten Linien" der Standards wichtig, die nicht unterschritten werden dürfen. Die CETA-Verhandlungen hält Plank für einen gut gemachten Prozess, der Kompromiss liege nun auf dem Tisch und biete die Chance auf Märkten außerhalb Österreichs mit Qualität erfolgreich zu sein. Die Ausgewogenheit beim Marktzugang, der wechselseitige Austausch bei Mengenkontingenten und das Vorsorgeprinzip seien verankert worden.

WKÖ: CETA nicht das Einfallstor für TTIP, sondern Benchmark

Susanne Schrott von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) betonte die positive Außenhandelsbilanz bei Agrar- und Lebensmittelexport, dieser sei Wachstumsmotor und Jobgarant. Sie sprach sich dazu für ein klares Ja zu TTIP-Verhandlungen und für CETA in der vorliegenden Version aus. Eine befürchtete Verwässerung der Qualitätsstandards stehe ohnedies nicht zur Disposition, denn gerade die hohen österreichischen Standards seien eine große Chance in der Vermarktung, mit dem Abkommen wolle man keine Absenkung. Es gebe bei CETA auch ganz im Gegenteil Bestimmungen, die EU-Standards festschreiben, zudem sei eine Regelung über Ausnahmen vom Warenverkehr enthalten, wonach die EU Import von Waren in bestimmten Fällen von Gefahr einschränken kann, so Schrott. CETA sei jedenfalls nicht das Einfallstor für TTIP, sondern die Benchmark. Das Abkommen sei ein gutes und ehrgeiziges Resultat, dessen vorläufige Anwendung sie befürwortete.

Arbeiterkammer: Risiken wesentlich höher als erwartete Vorteile

Dass internationale Mindeststandards bei Arbeitsnormen bisher weder in den USA noch in Kanada erfüllt werden, betonte Éva Dessewffy von der Arbeiterkammer (AK). Es gebe ihrerseits große Bedenken betreffend die sozialen, Arbeits- und Umweltstandards. In den USA bestehe zudem ein gewerkschaftsfeindliches Klima, die Beiträge zu Pensionen und Sozialversicherungen würden sinken und die Einkommensunterschiede deutlicher. Ähnliche Bedenken gebe es bei Kanada, wo Gewerkschaftsrechte eingeschränkt, deren Zulassung erschwert und Kollektivvertragsverhandlungen beschränkt werden. Die Mindeststandards seien mangels Sanktionsmöglichkeiten nicht durchsetzbar, diese müssten aber zur Bedingung gemacht werden, so die AK-Expertin. Problematisch sei jedenfalls auch, dass die parlamentarische Mitbestimmung bei den Abkommen nicht gewährleistet sei. Wegen der weit höheren Risken als erwarteten positiven Effekten lehnt Dessewffy beide Abkommen, CETA und TTIP, ab.

Greenpeace: Interessen von Menschen und Umwelt über Interessen der Konzerne stellen

Ebenso problematisch sieht Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit mit CETA die Beibehaltungsmöglichkeit von Standards. Das Vorsorgeprinzip sei unzureichend verankert, der Konkurrenzdruck werde bei den Kosten für Fleisch höher und die negativen Effekte von Sonderklagerechten würden nicht kompensiert. Er äußerte auch rechtliche und demokratiepolitische Bedenken. Das Verhandlungsmandat zum Schutz des Gemeinwohls werde massiv eingeschränkt, Konzerne und Lobbys würden ihre Interessen durchsetzen. Er appellierte an den Nationalrat, die gesetzten "roten Linien" bei den Standards einzuhalten. Die Interessen von Menschen und Umwelt müssen über den Interessen der Konzerne stehen, forderte Egit auf, CETA nicht in der vorliegenden Form zu unterzeichnen.

CETA und TTIP: "Nagelprobe für Politik"

In der anschließenden Diskussion kamen vor allem von Seiten der Landwirtschaft kritische Stimmen. Handel sei wichtig, müsse aber fair sein, war immer wieder zu hören. Es wurden auch die den "großen Unternehmen" eingeräumten Klagsmöglichkeiten kritisiert, weiters wurde gefordert, das ländliche Einkommen zu schützen, den gefürchteten Preisverfall bei TTIP zu verhindern und ländliche Räume zu bewahren. Bessere Preise für die BäuerInnen wären wichtiger als neue Exportmöglichkeiten, ebenso eine klare, einfache Lebensmittelkennzeichnung in der EU, um KonsumentInnen vor Täuschung zu schützen. CETA werde voraussichtlich wenig ökonomischen Nutzen haben, im Gegenzug könnten aber enorme Kosten auf den Staat zukommen, war eine der Befürchtungen der Arbeitnehmerseite. Zölle wurden als Mittel genannt, um ungleiche Märkte zu regulieren. Auch eine verpflichtende Volksabstimmung für die Abkommen wurde vorgeschlagen. Insgesamt wurden die Abkommen auch als "Nagelprobe für Politik" gesehen.

Es gab aber auch Zustimmung zu den Abkommen. Statt einseitiger Informationen a la Chlorhuhn wurde Seriosität eingefordert, außerdem solle man nicht die Angst der Menschen für Geschäfte benutzen. Von Industrieseite kam der Appell, mehr auf die Chancen als auf die Risiken von CETA und TTIP zu fokussieren, seitens der Landwirtschaft bedauerte man, dass bei CETA zwei Positionen unversöhnlich gegenüber stehen. (Fortsetzung Enquete) mbu

HINWEIS: Fotos von der Enquete finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.