Parlamentskorrespondenz Nr. 974 vom 21.09.2016

Nationalrat zieht Bilanz zu Initiativen von BürgerInnen

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgergerinitiativen dokumentiert politischen Input der Zivilgesellschaft

Wien (PK) – Abschluss der Tagesordnung der heutigen Nationalratssitzung war der Sammelbericht zu Petitionen und Bürgergerinitiativen, der eine Reihe von Initiativen aufzeigt, die vom Nationalrat aufgegriffen wurden. Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Auf Empfehlung des Petitionsausschusses hin wies Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf drei der heute im Plenum erörterten Initiativen von BürgerInnen den jeweils zuständigen Ausschussgremien zu.

Von Abgeordneten der SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS wurde auf die grundsätzlich positive Weiterentwicklung des Ausschusses hingewiesen. So habe er mehrere Hearings durchgeführt und sei bemüht, die Erfahrungen ähnlicher Ausschüsse in anderen Länder zu nützen. Ausschussobmann Michael Bernhard (N) bezeichnete den Ausschuss als "Visitenkarte des Parlaments nach außen". Für eine erfolgreiche Weiterentwicklung brauche dieser jedoch mehr Ressourcen und eine grundlegende Reform.

Opfer von Maly Trostinec sollen würdige Gedenkstätte erhalten

Die Forderung nach Errichtung und Finanzierung eines Grabmals für die Opfer im weißrussischen Maly Trostinec (73/BI) wird im Außenpolitischen Ausschuss behandelt werden. Abgeordneter Michael Bernhard wies darauf hin, dass die Initiative zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag von SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS geführt hat. Geplant ist die Errichtung eines Denkmals für die rund 10.000 in Maly Trostinec von den Nazis ermordeten ÖsterreicherInnen. Bernhard bedauerte, dass der Antrag nicht rascher zustande kommen konnte. Harald Walser (G) unterstrich, dass die Initiative Maly Trostinec wieder ins kollektive Gedächtnis zurückgeholt habe. Die Zivilgesellschaft habe ihre Aufgabe erledigt, nun müsse die Politik ihren Teil zur Errichtung einer würdigen Gedenkstätte tun. Seitens der SPÖ unterstützten Hannes Weninger und Petra Bayr die Initiative. Bayr sah darin einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer nachhaltigen Gedenkkultur.

Klare Kennzeichnung für faire Lebensmittel

Im Sinne einer Förderung von regionalen Lebensmitteln und Produkten setzt sich eine Bürgerinitiative(80/BI), die dem Landwirtschaftsausschuss zugewiesen wurde, für eine klarere Herkunftsbezeichnung ein. Wolfgang Pirklhuber (G) und Leopold Steinbichler (T) freuten sich über eine engagierte Bürgerinitiative, die bereits wichtige Impulse gegeben hat. Sie habe in kurzer Zeit 50.000 Unterschriften erreicht. Neben großen wirtschaftlichen Vorteilen, wie Sicherung von Arbeitsplätzen und Stärkung der Kaufkraft, führe die Bürgerinitiative zur Recht die Lebensmittelsicherheit, die hohen Produktionsstandards sowie die gute Qualität von österreichischen Produkten ins Treffen, sagten die Abgeordneten. Außerdem trage die Unterstützung der regionalen Lebensmittelerzeugung zum Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe und somit der Landschaftspflege bei. Aufgrund der kürzeren Transportwege ergeben sich auch positive Effekte im Hinblick auf den Klima- und den Umweltschutz, betonte Steinbichler.

Fritz Grillitsch (V) fühlte sich durch die Initiative in Bemühungen bestätigt, die der Bauernbund schon vor Jahren zur Förderung heimischer Lebensmittel gestartet habe. Heimische Lebensmittel müssten den KonsumentInnen zu fairen Preisen angeboten werden. Johann Hechtl (S) stellte fest, dass die Sicherstellung der Produktion gesunder Lebensmittel auch ein wichtiges Thema der Gesundheitspolitik sei. Die SPÖ unterstütze die Anliegen der Initiative daher.

Best- statt Billigstbieter sollen bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr Zuschlag erhalten

Hermann Lipitsch (S) begrüßte die Bürgerinitiative, die sich für die Erhaltung von Qualitäts- und Sozialstandards im Linienbusverkehr einsetzt. Die Forderung, dass der Best- statt dem Billigstbieter bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr zum Zug kommen soll, wird der Verfassungsausschuss weiter behandeln (88/BI). Sozialdumping bei privaten Busunternehmen, mit denen Verkehrsverbünde in der Regel sogenannte Bruttoverträge abschließen, soll damit vermieden werden.

Auch Martina Diesner-Wais (V) und Pirklhuber (G) sahen ein wichtiges Anliegen und sprachen sich für das Bestbieterprinzip aus. Durch mehr internationale Ausschreibungen aufgrund von Freihandelsabkommen werde es immer öfter zu solchen Fragen kommen, meinte Pirklhuber. Hannes Weninger (S) verwies darauf, dass das Verkehrsministerium bereits mit einer Richtlinie reagiert habe. Johann Hell (S) erläuterte, dass es immer mehr Ausschreibungen gebe, dabei bestehe die Gefahr, dass der Wettbewerb zu Lasten von Sozial- und Qualitätsstandards gehe. Diese Fragen müssten weiter diskutiert werden.

Erfolgreiche Petitionen von Uhudler bis Registrierkassen

Eine breite Palette von Themen wurde in Formen von Petition thematisiert. So setzen sich BürgerInnen für die Erhaltung historischer Bauten und Ensembles in Wien (34/PET), laut Ofenauer ein berechtigtes Anliegen. Wolfgang Gerstl (V) nützte die Gelegenheit, die Wiener Stadtregierung aufzurufen, das Jugendstilensemble Steinhof zu schützen und einen Antrag auf Erklärung zum Weltkulturerbe zu stellen.

Was die Rettung des regionsgeschützten Uhudlers (55/PET) betrifft, zeigten Pirklhuber und Erwin Preiner (S) sich zufrieden, dass für den Uhudler eine konstruktive Lösung gefunden wurde und den Anliegen der Initiative Rechnung getragen.

Christian Höbart (F) unterstützte die Forderung nach einer "Rettung des Waffenpasses für Jäger" (57/PET). Das Waffengesetz sei bereits sehr restriktiv und seine Vollziehung dürfe nicht weiter verschärft werden.

Zur Kenntnis genommen wurde die Petition der Stadtgemeinde Ried im Innkreis zur Änderung des oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992 (61/PET).

Für notwendig befinden BürgerInnen auch die Schaffung transparenter und breit nachvollziehbarer Grundlagen für die Verleihung und Aberkennung von Ehrendoktoraten an Österreichs staatlichen Universitäten (62/PET). Friedrich Ofenauer (V) bezog sich kritisch auf diese Petition. Sie versuche einen bestimmten Einzelfall, die Aberkennung eines Ehrendoktorats von Konrad Lorenz, auf fragwürdige Weise zu instrumentalisieren.

Peter Wurm (F) kritisiere die aus seiner Sicht unnötige Übererfüllung einer EU-Richtlinie durch die Novelle zum Tabakgesetz. Er unterstützte die Petition, die sich gegen das Verbot des Versandhandels mit E-Zigaretten wendet (65/PET). Mit einem Entschließungsantrag bekräftigte er diese Forderung noch einmal, konnte sich damit im Plenum aber nicht durchsetzen. Norbert Sieber (V) stellte fest, dass die Dampfgeräte zwar insgesamt weniger schädlich seien, jedoch oft auch einen Einstieg ins Rauchen bedeuten. Nach Abwägung aller Fakten sei das Verbot daher gerechtfertigt.  

Hermann Gahr (V) zeigte sich zufrieden, dass die Petition mit der Forderung nach praktikablen Lösungen bei der Registrierkassenpflicht für Vereine und Ehrenamtliche (76/PET) im Juni zu einer gesetzlichen Lösung geführt hat. Auch Erwin Preiner (S) sah eine gute Lösung zur Unterstützung der Freiwilligenarbeit.

David Lasar (F) meinte hingegen, die von ÖVP und SPÖ gelobte Lösung käme nur parteinahen Vereinen dieser Parteien zugute. Seine Fraktion lehne die Registrierkassenpflicht grundsätzlich ab, sie treibe Kleinunternehmen in die Illegalität. Der fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid kritisierte die Registrierkassenpflicht für gemeinnützige und auf Freiwilligkeit beruhende Vereine.

Große Spannweite an Forderungen von Bürgeriniativen, unterschiedliche Unterstützung seitens der Fraktionen

Edith Mühlberghuber (F) wies auf breite Unterstützung für eine Bürgerinitiative hin, die unter dem Titel "Wertschätzung von Familienarbeit" eine faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle einfordert (78/BI). Familien sollten in die Lage versetzt werden, tatsächlich Wahlfreiheit bei der von ihnen gewünschten Form der Kinderbetreuung zu haben. Damit Mütter ihre Kinder selbst betreuen können, brauche es ein Berufsbild "Familienarbeit", argumentierte sie.

Den Bereich Wohnen betrafen die Forderung einer flächendeckenden Einrichtung von Schlichtungsstellen für Mietrechtsangelegenheiten (83/BI) sowie nach gesetzlichen Maßnahmen, um den Leerstand an Wohnungen und Geschäftslokalen zu öffnen und Spekulation damit zu unterbinden (91/BI). Letzteres Anliegen ist nach Katharina Kucharowits (S) von höchster Aktualität. Wohnbauförderungen müssten endlich zweckgewidmet werden und dürften nicht falsch verwendet werden. Ein Universalmietrecht, wie es die SPÖ fordere, würde für Transparenz sorgen, argumentierte sie.

Eine weitere Initiative sieht das Recht von Kindern und Jugendlichen auf bestmögliche körperliche und seelische Gesundheit durch fragwürdige ADHS-Diagnosen gefährdet und will den Schutz vor Überverschreibung von Stimulanzien und anderen psychotropen Drogen (92/BI).

Thematisiert wird auch das Vorgehen der Bundesregierung in der Asylpolitik (93/BI). Nachdem die Regierungsparteien sich offensichtlich in vielen Bereichen nicht einig seien, sollten die BürgerInnen befragt werden, schlagen die InitiatorInnen vor. Johannes Rauch (V) vertraute darauf, dass die Bundesregierung mit dem Innenminister die richtigen Schritte gesetzt habe. Weitere abgelehnte Forderungen waren auf Entstaatlichung des ORF und Abschaffung der ORF-Gebühren sowie gegen die Einführung einer ORF-Haushaltsabgabe gerichtet (94/BI). Rauch betonte, dass ein unabhängiger ORF wichtig sei. Daher seien Gebühren grundsätzlich gerechtfertigt.

Gefordert wird auch eine Einführung eines gesetzlich verpflichtenden, gut wahrnehmbaren Mindestgeräusches für Kraftfahrzeuge (95/BI). Rupert Doppler (o.F.) sah in Hinblick auf die zunehmende Zahl geräuscharmer Elektrofahrzeuge eine wichtige Maßnahme. Ulrike Königsberger-Ludwig (S) stimmte ihm zu, dass vor allem für Menschen mit Behinderungen geräuscharme Fahrzeuge eine Gefährdung darstellen. Sie wies außerdem auf eine noch offene Petition zur Einführung eines Top-Behindertentickets hin.

Schließlich wurde eine Senkung des ÖH-Beitrags (96/BI) gefordert. Hermann Brückl (F) sprach von einem Zwangsbeitrag, der durch die Leistungen der Österreichischen HochschülerInnenschaft nicht gerechtfertigt sei. Hannes Weninger (S) sah hingegen darin den Versuch, die politische Vertretung der HochschülerInnen zu zerschlagen, der berechtigterweise abgelehnt werde. Auch Rauch sah den ÖH-Beitrag als angemessen an und lehnte die Forderung ab.

Im Anschluss an die Plenarsitzung fand eine weiter (145.) Nationalratssitzung statt, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen diente. (Schluss Nationalrat) sox