Parlamentskorrespondenz Nr. 1019 vom 03.10.2016

Johannes Hahn für Globalisierung mit europäischer Dimension

EU-Kommissar trifft österreichische Abgeordnete

Wien (PK) – Europa ist nach wie vor der mit Abstand attraktivste Markt und sollte sich seiner starken Verhandlungsposition bewusst sein. Bei seinem Treffen mit österreichischen Abgeordneten im Parlament unter Leitung des Zweitem Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf sah der für Nachbarschaftspolitik und EU-Erweiterung zuständige Kommissar Johannes Hahn die EU aufgerufen, in internationalen Vertragsverhandlungen dafür zu sorgen, dass die hohen europäischen Standards sichergestellt und von den Partnern übernommen werden. In der Migrationskrise wiederum plädierte er für Hilfe vor Ort, um den Menschen bessere Lebensperspektiven anzubieten. Beim Thema EU-Erweiterung ortet Hahn Fortschritte in allen Ländern des Westbalkans, rechnet aber aus heutiger Sicht nicht mit aktuellen Beitritten.

Hahn: Europa kann stolz auf seine Standards sein

Die Mitgestaltung der Globalisierung liege im eigenen europäischen Interesse, mahnte der Kommissar und bemerkte, Europa könne auf seine Standards stolz sein. Nun gelte es, durch umfassende Verträge – so etwa bei den Freihandelsabkommen – diese europäische Dimension zu wahren. Hahn erinnerte in diesem Zusammenhang, dass Europa mit 7-8% der Weltbevölkerung 23% an globaler Wirtschaftsleistung erbringt und über 40% an Sozialleistungen weltweit finanziert. Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Dies gilt, wie Hahn gegenüber den Abgeordneten Werner Kogler (G) und Josef Cap (S) versicherte, sowohl für CETA als auch für das Verhältnis zu Russland. Beim Brexit wieder teilte der EU-Kommissar die Meinung von ÖVP-Mandatarin Brigitte Jank, wonach es keine "Extrawürste" für London geben dürfe.

EU-Fonds für Afrika als Antwort auf Migrationsdruck

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise appellierten die Abgeordneten Christoph Vavrik (N) und Barbara Rosenkranz (F) an die EU, eine klare Unterscheidung zwischen Migrationspolitik und Asylpolitik zu treffen. Bei entsprechend gutem Willen sollte eine gemeinsame Asylpolitik möglich sein, meinte Hahn, zeigte sich allerdings angesichts der unterschiedlichen Arbeitsmarktsituation skeptisch über die Erfolgschancen einer einheitlichen Migrationspolitik. Das Problem der Migration muss "an der Wurzel gepackt werden", ist sich der EU-Kommissar bewusst. Durch Hilfe vor Ort soll die Perspektive der Menschen verbessert und dadurch dem Migrationsdruck entgegengewirkt werden. Konkret kündigte Hahn nach Vorbild des Juncker-Fonds einen Fonds für den afrikanischen Raum an, der die Absicherung und Unterstützung von Privatinvestitionen zum Ziel hat. Unterstützung fand diese Idee auch bei SPÖ-Abgeordnetem Hannes Weninger, der allerdings ebenso wie Alev Korun (G) faire Handelsbedingungen einmahnte. Die Menschenrechtssprecherin der Grünen gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, Verträge wie das Fischereiabkommen der EU mit dem Senegal würden die wirtschaftliche Basis der einheimischen Bevölkerung beeinträchtigen und ihrerseits zur Migration beitragen.

Die EU sollte die von Hahn angesprochene starke Verhandlungsposition für Rückübernahmeabkommen mit nordafrikanischen Staaten nützen, forderten die FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner und Andreas Karlsböck. Die Kommission habe vom Rat ein diesbezügliches Verhandlungsmandat erhalten, das auch die Rücknahme von Drittstaatsangehörigen umfasst, erklärte Hahn. Doch gerade bei diesem Punkt stoße man auf den Widerstand Marokkos und Algeriens. Asylzentren in Nordafrika, wie dies etwa von Bundesrat Gerald Zelina (T) vorgeschlagen wurde, scheitern nach den Worten Hahns an der praktischen Umsetzbarkeit und am Fehlen von geeigneten Gesprächspartnern. Zum Standpunkt Ungarns in der Flüchtlingsfrage hielt Hahn fest, zunächst gelte es, das Verfahren vor dem EuGH über die Anfechtung des Verteilungsbeschlusses durch Budapest abzuwarten. Sollte dabei festgestellt werden, dass Ungarn EU-Recht verletzt, dann müsse die EU der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls zum Durchbruch verhelfen.

Hahn: EU-Beitritte aus heutiger Sicht nicht aktuell

Zur EU-Erweiterung meinte Hahn, es gebe in allen Ländern des Westbalkans Fortschritte, man setze auf verstärkte Kooperation. Aus heutiger Sicht seien Beitritte aber nicht aktuell. Es reiche nicht aus, die von Brüssel geforderten rechtlichen Adaptierungen umzusetzen, wichtig sei die Nachhaltigkeit. So gebe es etwa bei der Korruptionsbekämpfung noch zahlreiche Defizite. Bei der Türkei sprach Hahn von einer gut funktionierenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der allerdings Spannungen auf der politischen Ebene gegenüberstehen. Die Türkei als Kandidatenland müsse akzeptieren, dass auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit höhere Standards angelegt werden. Die Umsetzung des Flüchtlingsabkommens mit Ankara sieht Hahn hingegen durchaus positiv. Von zentraler Bedeutung sei es nun, dass die von der EU zugesagten 3 Mrd. € in den Flüchtlingslagern und in den türkischen Gebieten mit überdurchschnittlich hohem Flüchtlingsanteil ankommen. (Schluss) hof

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