Parlamentskorrespondenz Nr. 1027 vom 04.10.2016

Umweltausschuss sucht Wege aus der Wegwerfgesellschaft

Oppositionsinitiativen zum Klima- und Umweltschutz bleiben in Verhandlung

Wien (PK) - Nachhaltiges Ressourcenmanagement ist im Rahmen der Klimschutzdebatte ein zentrales Thema. Die Oppositionsparteien lieferten dazu im heutigen Umweltausschuss Vorschläge, die aber von SPÖ und ÖVP vertagt wurden. Die Grünen treten in ihren Anträgen gegen die Wegwerfgesellschaft auf, die FPÖ ortet beim Baustoff-Recycling aufgrund geltender Regelungen große Probleme der Machbarkeit und das Team Stronach hinterfragt kritisch den Energiespareffekt von Diesel-Zusatzstoffen. Von den NEOS wird eine Reform des Pendlerpauschales eingefordert, um die Leistung mit klima-, raumordnungs- und verkehrspolitischen Zielen in Einklang zu bringen.

Weitere – ebenso von der Regierungsmehrheit vertagte - Oppositionsanträge befassten sich mit der ökologischen Gewässersanierung (Grüne), mit Nisthilfen für Wildbienen und dem Schutz der öffentlichen Wasserversorgung (FPÖ).

Grüne: Dauerhafte, reparierbare Waren schonen Klima und Ressourcen

Stopp dem Wegwerfwahn, hieß es im Ausschuss, als Umweltsprecherin Christiane Brunner (G) dafür eintrat, die Nutzungsdauer der Produkte zu verlängern und vorschlug, die nachhaltige Produktion reparierbarer Geräte sowie ein nachhaltiges Konsumverhalten zu fördern, um Ressourcen zu schonen und den Energieverbrauch zu reduzieren. Dazu gehören Maßnahmen gegen den vorsätzlichen Einbau von Schwachstellen zur Verkürzung der Lebenszeit von Produkten, die "geplante Obsoleszenz", führte die Antragstellerin aus (1551/A(E)). Außerdem sollten Reparaturen steuerlich begünstigt werden.

In Fragen produktspezifischer Vorgaben, wie die leichtere Austauschbarkeit von Akkus und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, sehen die Grünen den Ball bei der Europäischen Union. Zusätzlich zur EU-Ökodesign-Richtlinie seien EU-weite Normen auszuarbeiten, die auf die Langlebigkeit der Geräte abzielen, gerade im Elektronikbereich. Allein an Elektroschrott würden pro Jahr und Kopf neun Kilogramm produziert, rechnete Team-Stronach-Umweltsprecherin Ulrike Weigerstorfer vor: Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, ein Umdenken sei unbedingt notwendig, sagte sie im Einklang mit Walter Rauch (V) und Georg Willi (G). Michael Bernhard (N) meinte ebenfalls, die Ressourcennutzung sei zu verbessern, doch müssen seiner Meinung nach die KonsumentInnen über ihr Kaufverhalten entscheiden. Angesichts makroökonomischer Probleme, wie zu teurer Arbeit und zu niedriger Einkommen, biete der Grünen-Antrag einen falschen Ansatz. Ganz so kritisch sieht SPÖ-Abgeordneter Klaus Uwe Feichtinger Brunners Anliegen nicht, er riet aber dazu, die Ausarbeitung der Ökodesign-Richtlinie auf EU-Ebene abzuwarten. Sein Koalitionskollege Werner Groiß (V) verwies in diesem Zusammenhang auf das Kreislaufswirtschaftspaket der EU.

Grüne: Neues Pfandsystem für Getränkeverpackungen

Zum wiederholten Mal beantragte Christiane Brunner die Einführung eines bundesweiten Pfandsystems für Getränkeverpackungen (884/A) mit einklagbaren Zielen für Mehrwegsysteme und einer verpflichtenden Kennzeichnung für Mehrweg- und Einweg-Getränkeverpackungen. Trotz gut funktionierender Sammlung landen 30% aller Dosen und 20% aller Plastikflaschen immer noch im Restmüll auf der Straße, weil Anreize fehlten, leere Dosen und Flaschen zurückzubringen und Getränkeverpackungen zu entsorgen. In die gleiche Richtung geht ein früherer Antrag der Grünen, der ein Bundesgesetz zur Förderung des Mehrweganteils im Getränkesektor anregt (14/A).

Der Antrag bilde bereits ein fertiges Gesetz ab, warb Brunners Parteikollege Georg Willi für das darin enthaltene Bonus-Malus-System beim Vertrieb von Pfandflaschen. Vor allem in der Gastronomie sei es wichtig, der "Wegwerfmentalität" beizukommen. Umweltminister Andrä Rupprechter verwies allerdings gemeinsam mit Martina Diesner-Wais (V) und Maximilian Unterrainer (S) auf eine Einigung der Sozialpartner in dieser Frage, zu der es im Oktober noch einen Zwischenbericht geben sollte. Österreich fahre außerdem gut mit seinem Mehrwegsystem, wie sich an den 22% Pfandflaschenanteil zeige.

FPÖ verlangt praktikable Baustoffrecycling-Verordnung

Die FPÖ-Abgeordneten Walter Rauch und Roman Haider verlangen vom Umweltminister eine praxistaugliche Novellierung der Recycling-Baustoff-Verordnung 181/2015. Da auch beim Abbruch eines Einfamilienhauses der Bauschutt "rückgebaut" und "sortenrein" an einen Hersteller von Recycling-Baustoffen geliefert werden muss, leiden die Bauherren unter teuren Schad- und Störstofferkundungen sowie unter ihrer Haftung für Durchführung und Dokumentation des Rückbaus, die Entfernung der Störstoffe, die Trennung der Bestandteile, die Erstellung eines Freigabeprotokolls, die Übergabe des getrennten und gesäuberten Abbruchmaterials an einen befugten Abfallsammler sowie für die Entsorgung gemischter Abfälle auf einer Deponie. In Großstädten führe der getrennte Transport der Abfallarten zu zusätzlichen LKW-Fahrten, kritisieren die Mandatare weiter und machen auf steigende Preise der Baustoff-Recycler aufmerksam, die viele Bauherren dazu veranlassten, auf eine Bauschutttrennung zu verzichten, was exorbitant hohe Deponie- Gebühren von bis zu 150 € pro Tonne nach sich ziehe (1615/A(E)).

Auf den Appell von Gerhard Deimek (F), die Verordnung, die vor allem kleine Unternehmen belaste, rückgängig zu machen, replizierte Karin Greiner (S), aktuell werde eine neue Verordnung zum Baustoff-Recycling erarbeitet. Umwelt- und Wirtschaftsministerium seien bereits in Abstimmung. Die Details der geplanten verbesserten Verordnung führte Bundesminister Rupprechter näher aus; unter anderem wolle man die Mengenschwelle anheben und diverse Dokumentationspflichten streichen.

Team Stronach hinterfragt Energiespareffekt von Diesel-Zusatzstoffen

Mehr Durchblick wünscht Team Stronach-Mandatarin Ulrike Weigerstorfer bei Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizenz. Konkret problematisiert sie Zusätze zu Dieselkraftstoffen, die in Österreich auf Grundlage eines – bislang nicht veröffentlichten - Gutachtens als Mittel zur Energieeinsparung anerkannt sind. Weigerstorfer urgiert, dieses Gutachten zu publizieren (1679/A(E)), um die Angaben der Autoindustrie zu kontrollieren, wie Georg Willi (G) forderte.

Für Grünen-Abgeordnete Christiane Brunner ist es höchst bedenklich, wenn Energiesparmaßnahmen gemäß Energieeffizienzgesetz ohne Kontrolle anerkannt werden. Ihre Fraktion habe bei diesem Verfassungsgesetz nur deswegen für die nötige Mehrheit gesorgt, weil der Umweltminister in den Vollzug einbezogen werden sollte. Als angesprochenes Regierungsmitglied meinte Minister Rupprechter, die verantwortliche Monitoring-Stelle liege im Verantwortungsbereich des Wirtschaftsministers. Der Nachweis über die Wirkungskraft besagter Additive habe aufgrund standardisierter Prüfverfahren zu erfolgen, was wiederum die zuständige Monitoring-Stelle gewährleiste.

NEOS treten für Reform des Pendlerpauschales ein

Das Pendlerpauschale sei sozial nicht treffsicher und gebe positive Anreize für eine Zersiedlung kritisierte Abgeordneter Michael Bernhard (N). 1 bis 1,5 Mrd. € würden jährlich für die Förderung der PendlerInnen ausgegeben, ohne dass die Leistungshöhe an die bzw. den Steuerpflichtigen sozial gestaffelt sei. Zudem laufe der PKW-Pendlerverkehr den Klima- und Umweltschutzzielen zuwider. "Es geht nicht um eine Abschaffung des Pendlerpauschales", stellte Bernhard klar, sondern um eine Umwandlung der Leistungen, etwa in Form von Regionalförderungen. Die NEOS treten daher für eine Ökologisierung der Pendlerpauschale ein (1823/A(E)). Ihrem Antrag zufolge soll eine von Umweltminister Andrä Rupprechter geleitete Arbeitsgruppe eine Strategie zur Reformierung des Pendlerpauschales und der Pendlereuro-Regelung erarbeiten. Schwerpunkte der schrittweisen Reform sollten laut NEOS neben dem Konzept zur Regionalförderung Anreize für Fahrgemeinschaften als Alternative zum Pendlerindividualverkehr.

Volle Unterstützung für den Ansatz, das Pendlerpauschale ökologischer und sozialer zu machen, fand Bernhard beim Grünen-Verkehrssprecher Georg Willi, dem zufolge AutopendlerInnen mehr gefördert werden als Öffi-NutzerInnen. Als Maßnahme der integrierten Klimastrategie plane die Bundesregierung, wobei nicht nur der öffentliche Verkehr, sondern auch die Nutzung von Elektroautos und Fahrrädern sowie das zu Fuß-Gehen gefördert würden, erwiderte Umweltminister Rupprechter. Überhaupt plane man bei einer künftigen Steuerreform eine Ökologisierung des Abgabensystems, ergänzte ÖVP-Mandatar Michael Hammer.

Grüne wollen mehr in die ökologische Sanierung von Gewässern investieren

Auf die Finanzierung wasserökologischer Sanierungsmaßnahmen drängt Grünen-Mandatarin Christiane Brunner und erinnerte dabei an die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die Verpflichtung, den ökologischen Zustand der Gewässer zu verbessern. Spätestens 2027 sollen alle Gewässer einen zumindest "gutem" ökologischen Zustand aufweisen. Derzeit sind es erst 37% aller Gewässer, klagte Brunner und wies auf ökologische und strukturelle Defizite der Fließgewässer hin. Zu prüfen sei die Einhebung von Gebühren für Wasserdienstleistungen zur zusätzlichen Finanzierung gewässerökologischer Maßnahmen, verlangen die Grünen (1337/A(E)). Darüber hinaus brauche es eine Anpassung im Umweltförderungsgesetz, gab Wolfgang Pirklhuber (G) zu bedenken. Nach den Worten von Minister Rupprechter führt sein Ressort bereits Gespräche mit dem Finanzministerium für eine neue Förderschiene für die ökologische Sanierung.

FPÖ für Sicherung von Daseinsvorsorge und Wasserrechten in der Verfassung

Im Hinblick auf TTIP zeigte sich Walter Rauch von der FPÖ um die Wasserversorgung besorgt, die zur Verhandlungsmasse zähle und warnt davor, internationalen Spekulanten und Konzernen Zugriff auf österreichisches Wasser einzuräumen. Die öffentliche Daseinsvorsorge gehört zu den hoheitlichen Aufgaben der Gemeinden, sie darf nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden, betonte Rauch und forderte einen verfassungsrechtlichen Eigentumsvorbehalt für Wasserversorgungsanlagen zugunsten von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden unter Wahrung der Rechte von Wassergenossenschaften und Wasserverbänden (1713/A(E)). Namens der Regierungsfraktionen argumentierten Erwin Preiner (S) – es sei derzeit eine intensive Diskussion zu CETA und TTIP im Gange – und Beatrix Karl (V) die Vertagung des FPÖ-Antrags, zumal Karl darin die Verfügungsgewalt und die Erbringung der Dienstleistung Wasser vermengt sah. Mit Verfassungsgesetzten habe die Republik sich ausdrücklich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge bekannt.

FPÖ verlangt Nisthilfen für Wildbienen

Zum Schutz der 670 Wildbienenarten in Österreich beantragte FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch (1714/A(E)) eine Informationskampagne über die Bedeutung von Nisthilfen für Wildbienen in Gärten und Wäldern sowie von entsprechenden Förderungsmaßnahmen. Da gepflegte Gärten den Bienen keine Verstecke unter Steinen, keine Erd- und Mauslöcher, Baumhöhlen, Mulden, Trockensteinmauern, Steinhaufen und Mauerspalten bieten, will Rauch nützlichen Insekten mit Wildbienenhotels und mit dem Schutz blühender Wiesenflächen unter die Flügel greifen. Als Freund der Biene sei ihm die Stärkung der Wild- und Honigbienen ein großes Anliegen, unterstrich Minister Rupprechter, als er die Aktivitäten seines Ressorts zur Schaffung von Nistplätzen erläuterte. Wie Georg Strasser (V) verwies er dabei auf das Agrar-Umweltprogramm der EU-Initiative zur ländlichen Entwicklung, bei der im Rahmen landwirtschaftlicher Fördermaßnahmen die Biodiversität hochgehalten werde.

Grünen-Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber erinnerte jedoch, die letzte Obsternte sei äußerst schlecht ausgefallen: zurückzuführen sei dies nicht nur auf ungünstige Witterungsbedingungen, sondern auch auf das Ausbleiben der Bestäubung durch Bienen. (Schluss Umweltausschuss) fru/rei