Parlamentskorrespondenz Nr. 1040 vom 06.10.2016

Bundesrat: Viele Vorschläge zur Wirtschaftsbelebung und Sicherung der Arbeitsplätze

Aktuelle Stunde in der Länderkammer mit Bundeskanzler Christian Kern

Wien (PK) – "Einfache Antworten funktionieren nicht", sagte heute Bundeskanzler Christian Kern im Bundesrat im Rahmen der Aktuellen Stunde zum Thema "Die Chancen für eine starke Wirtschaft nutzen – mehr Investitionen und Kaufkraft für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung". Der Kanzler bekräftigte mehrmals den Willen der Bundesregierung, weitere Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Anhebung des Beschäftigungsniveaus umzusetzen – seine Pläne reichen von der Senkung der Arbeitskosten bis hin zu Erleichterungen für die unternehmerische Tätigkeit. Die Steuerreform habe gewirkt, das sehe man in der erkennbaren Steigerung der Kaufkraft, so Kern. Er plädierte für eine "intelligente Kooperation" zwischen staatlichen und privaten Investitionen, denn nur so könne sich wirtschaftlich etwas entwickeln. Jedenfalls wolle er die vielen Anregungen aus der Länderkammer mitnehmen.

Seitens der SPÖ wurde in der Debatte wieder die Wertschöpfungsabgabe ins Spiel gebracht, die ÖVP drängte auf Flexibilisierung und Entbürokratisierung. Die Grünen machten sich für Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation, insbesondere für die Schaffung von Green Jobs, stark und die Freiheitlichen legten ihren Schwerpunkt auf Bildung und den Abbau der Staatsschulden.

Kern: Zusatzerklärung zu CETA jetzt nüchtern analysieren

Auch CETA – das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada - wurde in der Debatte thematisiert. Durch den Widerstand Österreichs sei man bei CETA ein gutes Stück weitergekommen, hielt Bundeskanzler Kern fest. Nach den Gesprächen mit dem Präsidenten des Europaparlaments Martin Schulz und Kommissionspräsident Jean Claude Juncker sei eine Reihe von Vereinbarungen für die Zusatzerklärung getroffen worden, deren endgültiger Text noch nicht vorliege. Jetzt gehe es darum, diese nüchtern zu analysieren. In jedem Fall dagegen zu sein, ohne den Text zu kennen, das könne man von ihm nicht erwarten, stellte er gegenüber den Bundesräten Hans-Jörg Jenewein (F/W) und David Stögmüller (G/O) fest.

Kern machte zudem klar, dass der ausverhandelte Zusatztext nicht als Vorwort zu verstehen sei, sondern die Qualität einer bindenden Erklärung aufzuweisen habe, die mitunterzeichnet werden müsse. Jenewein und Stögmüller hatten dem Kanzler vorgeworfen, bei CETA umgefallen und auf den Kurz von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner eingeschwenkt zu sein; er negiere zudem die kritische gemeinsame Stellungnahme der Landeshauptleute. Damit werde der von Kern auch gewünschte Kurswechsel der europäischen Wirtschaftspolitik nicht realisiert, sagte Stögmüller.

Er habe versucht, das Bestmögliche aus der Situation zu machen, erwiderte Kern und wiederholte die aus österreichischer Sicht bestehenden kritischen Punkte: Der Druck zur Privatisierung, vor allem im Dienstleistungsbereich; die Sorge um Umwelt- und Sozialstandards und die Erhaltung der politischen Entscheidungsrechte angesichts des Klagerechts großer Konzerne. Man müsse sich auch überlegen, verteidigte Kern seine Haltung in dieser Frage, welcher Druck auf Österreich lastet, wenn man dagegen ist. "Das ist kein Kinderfasching", so Kern, der an die exportorientierte österreichische Wirtschaft erinnerte und betonte, dass es um globale Interessen gehe.

Kern kündigt Reformen zur Ankurbelung der Wirtschaft an

Zum Thema der Aktuellen Stunde selbst betonte Bundeskanzler Christian Kern, dass Österreich wieder beginne, sich positiv zu entwickeln. Das zeigten die internationalen Rankings. Auch das Wirtschaftswachstum von wahrscheinlich 1,7% in diesem Jahr gehe in die richtige Richtung. Sorge bereite ihm nach wie vor die hohe Arbeitslosigkeit, auch wenn man einen Beschäftigungsrekord verzeichne, da mehr Menschen über 50 und mehr Frauen beschäftigt seien und dazu Menschen aus dem EU-Ausland und Asylberechtigte Arbeit haben. Der Kanzler machte aber keinen Hehl daraus, dass die Entwicklung der Weltwirtschaft nicht an den Boom der vergangenen Jahrzehnte anschließen werde.

Um die Wirtschaft von innerstaatlicher Seite her zu unterstützen, setze die Regierung daher einen Schwerpunkt für Unternehmensgründungen. Der Bundeskanzler kündigte dazu ein Paket an, das dem Parlament vorgelegt wird. Zudem habe man durch die Senkung der Bankenabgabe einen Beitrag zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken geleistet, denn ein gesundes Bankensystem sei für die Wirtschaft unerlässlich. Man werde auch in die Infrastruktur investieren, insbesondere in den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung. Das habe auch einen bildungspolitischen Effekt, zeigte sich Kern überzeugt.

Für die nächste Zeit stellte Kern weitere Maßnahmen in Aussicht und betonte die Notwendigkeit öffentlicher und privater Investitionen. Zu diesem Zweck sollen gezielt Investitionsanreize für Unternehmen geschaffen werden, man plane auch, Arbeitskosten und Lohnnebenkosten zu reduzieren. Nach der Steuerreform will die Regierung die Kaufkraft weiter stärken. Der Kanzler unterstrich mit Blick auf die kommende Budgetrede des Finanzministers, die Staats- und Abgabenquote solle nicht erhöht werden. Ziel sei es, die Schuldenquote auf 80% oder darunter zu senken. Ferner kündigte der Regierungschef ein Reform der Gewerbeordnung sowie des Betriebsanlagenrechts an und sprach sich für eine Neugestaltung des Wirtschaftsrechts aus, um neun verschiedene Vorschriften zu vermeiden und dadurch unternehmerisches Arbeiten zu erleichtern.

SPÖ: Wertschöpfungsabgabe ist Gebot der Stunde

Die Wertschöpfungsabgabe sei ein Gebot der Stunde, bekräftigte Reinhard Todt (S/W) die Sichtweise der SPÖ-Fraktion. Diese als Maschinensteuer zu bezeichnen, stelle eine Diffamierung dar, denn es gehe darum, Betriebe mit hoher Wertschöpfung und hohen Gewinnen stärker zur Kasse zu bitten und jene mit vielen Beschäftigten zu entlasten. Berücksichtigt würden damit nicht nur die Maschinen, sondern die gesamte betriebliche Wertschöpfung, hielt Todt diese Abgabe in Zeiten der Digitalisierung für notwendig. Auch müsse man europaweit mit steuerschonenden Konstrukten großer Konzerne Schluss machen.

Sein Fraktionskollege Michael Lindner (S/O) machte sich für mehr Einkommensgerechtigkeit und höhere Lohnabschlüsse stark und forderte zudem die Abschaffung der kalten Progression. Für Lindner ist es auch unumgänglich, die europäische Wirtschaftspolitik zu ändern und Steueroasen trocken zu legen. Sinnvolle Investitionen stellen seiner Meinung nach eine wirtschaftlichen Turbo dar. Der Wettbewerb niedriger Steuer- und Lohnkosten sei kein Rezept.

ÖVP: Keine neuen Schulden und Steuern

"Staatliche Investitionen helfen auf Dauer nicht weiter", reagierte Klaus Fürlinger (V/O) auf die Reden der SPÖ-Bundesräte und des Bundeskanzlers. Er zeigte sich seitens seiner Fraktion bereit, über eine Reform des Steuersystems zu diskutieren, Ziel müsse es sein, eine Senkung der Abgabenquote zu erreichen. Fürlinger wertete dies als einen wichtigen psychologischen Faktor für mehr Wachstum. Auch Anneliese Junker (V/T) warnte davor, das zarte Pflänzchen Wirtschaftswachstum mit neuen Schulden und Steuern zu verunsichern. Die Wirtschaft reagiere auf solche Störungen intensiv, sagte sie.

Junker präsentierte dem Bundeskanzler ein ganzes Paket an Vorschlägen zu Beschäftigung und Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Notwendig ist ihrer Ansicht nach ein flexibleres Arbeitsrecht, wobei sie auch die Einführung des Arbeitszeitkontos einforderte. Sie forderte zudem einen praxistauglichen Arbeitnehmerschutz, der derzeit viel zu bürokratisch sei. Für erforderlich hält sie ein gutes Umfeld für private Investoren und eine Reform der Gewerbeordnung, wobei sie auf Augenmaß pochte und davor warnte, Qualität und Qualifikationen zu vernachlässigen. Auch die Abschaffung der kalten Progression fehlte nicht in ihrer Liste.

FPÖ: Streit in der Koalition vermeiden

Mit einer generellen Kritik an der Regierungspolitik traten die Freiheitlichen BundesrätInnen Hans-Jörg Jenewein (F/W) und Monika Mühlwerth (F/W) ans Rednerpult. Was der Bundeskanzler sage, klinge zwar ambitioniert, es müsse aber umgesetzt werden, bemerkte Mühlwerth mit Zweifel, da der alte Streit in der Koalition weiter bleibe. Die Diskussion in der Regierung mache deutlich, dass der Klassenkampf nach wie vor da sei, so Mühlwerth. Die Republik brauche jedoch eine Regierung, die Streit und Animositäten hintanstelle. Jenewein sprach in Richtung Kern von "Übergangskanzler" und "Ankündigungskanzler".

Mühlwerth forderte im Hinblick auf die kommenden Budgetverhandlungen den Willen zum Sparen ein, denn der Großteil der Staatsschulden seien hausgemacht; nur 20% seien auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Für die Absicherung des sozialen Wohlstands hält Mühlwerth die Bildungspolitik als ein zentrales Element. Derzeit aber übe man sich in Gleichmacherei und Mittelmaß, so ihr Vorwurf. Man müsse auch die Flüchtlinge besser in das Bildungssystem integrieren, denn das Ausruhen in der Hängematte des Sozialstaates sei nicht mehr möglich. Ins gleiche Horn stieß auch Jenewein, der es für notwendig hielt, Arbeitsbereiche zu schaffen, wo auch weniger Qualifizierte unterkommen.

Grüne für ökologische Steuerreform und Investitionen in die Zukunft

Auch die Grünen konfrontierten den Bundeskanzler mit einer Reihe von Vorschlägen für eine aktive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. So drängte Nicole Schreyer (G/T) einmal mehr auf Investitionen in die Zukunft - sprich Bildung, Forschung, Innovation und Green Jobs. Der digitale Gap müsse durch den Breitbandausbau endlich geschlossen werden, so Schreyer weiter. Um Unternehmensgründungen leichter zu machen müssen ihr zufolge auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Innovationen zulassen, dazu gehöre auch der Abbau von Bürokratie und Maßnahmen zur Unterstützung von Einpersonen-Unternehmen. Schreyer unterstrich die Notwendigkeit der Energiewende und einer Exportoffensive für Umwelttechnologien.

Die Grüne Mandatarin machte sich zudem für die Ökologisierung des Steuersystems stark und plädierte dafür, den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung höher zu besteuern und die Löhne zu entlasten. Man müsse hin zum Verursacherprinzip, anstatt zur Solidarisierung der Verluste, sagte Schreyer, die auch für eine Vermögenssteuer ab 500.000 € eintrat. Ihr Fraktionskollege David Stögmüller (G/O) schloss sich diesen Forderungen an und ergänzte sie mit seinen Vorstellungen nach einer Arbeitszeitverkürzung, der Einführung von Mindestlöhnen und der Stärkung der Lehrberufe.

Team Stronach für Mitarbeiterbeteiligung und Reform der Sozialabgaben

Zum Schluss kam Gerald Zelina (T/N) vom Team Stronach zu Wort. Er sprach sich für eine Mitarbeiterbeteiligung aus und forderte Kosteneinsparungen bei Betrieben und Staat. Nur so könnten Unternehmen wettbewerbsfähig werden. Auch Zelina ist für die Senkung der Lohnnebenkosten, er bedauerte zudem, dass Eigenkapital gegenüber Fremdkapital schlechter gestellt ist. Auch er plädierte für eine Stärkung der Kaufkraft, wobei er vor allem bei der Reform der Sozialabgaben ansetzte. Die Sozialversicherungsbeiträge seien fast doppelt so hoch wie die Lohnsteuer, kritisierte er und trat für die Zusammenlegung der Krankenversicherungen und die Senkung der Dienstgeberbeiträge ein. (Fortsetzung Bundesrat) jan

HINWEIS: Fotos von der Aktuellen Stunde des Bundesrats finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.


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