Parlamentskorrespondenz Nr. 1042 vom 06.10.2016

Bundesrat: Volksanwaltschaft zeigt, wie Gesetzgebung wirkt

Außerdem Berichte von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof sowie Kunst und Kultur als Themen der Länderkammer

Wien (PK) - Die Volksanwaltschaft (VA) stand heute im Rampenlicht des Bundesrats. Intensiv debattierten die LändervertreterInnen anhand des Volksanwaltschaftsberichts diverse Bürgeranliegen von baurechtlichen Belangen und Unternehmensgründungen bis hin zu Sachwalterschaft und menschenrechtlichen Fragen.

Weitere Programmpunkte der Länderkammersitzung waren die vorjährigen Tätigkeitsberichte des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs sowie der Kunst- und Kulturbericht 2015. Vom Verfassungsgerichtshof wurde eine eklatante Steigerung der Anträge auf Gesetzesprüfung verzeichnet, der Verwaltungsgerichtshof rechnet mit einem deutlichen Anstieg von Asylrechts-Verfahren. Im Kunst und Kulturbereich liegt der Fokus auf der Förderung zeitgenössischen Schaffens. Die Berichte von Volksanwaltschaft und Verwaltungsgerichtshof wurden einstimmig, jene des Verfassungsgerichtshofs und des Kulturressorts mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Volksanwaltschaft als wichtige Kontrollinstanz

Die VolksanwältInnen Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer würdigten die Aufmerksamkeit des Bundesrats für die Arbeit der Volksanwaltschaft, die das gesetzeskonforme Vorgehen der Behörden überprüft. "Kein Anliegen ist uns zu klein, keines zu groß", so Brinek, die Ombudsstelle lasse sich nicht einschüchtern. Mit Erfolg: in Justizanstalten habe etwa das wiederholte Drängen zu einer Personalaufstockung geführt, ein neues Maßnahmenvollzugsgesetz sei in Ausarbeitung und die Sachwalterschaft werde mit Billigung des Parlaments bald durch ein neues Erwachsenenschutzgesetz ersetzt.

Angesichts der 60%-Steigerung an Individualbeschwerden ersuchte Volksanwalt Günther Kräuter den Gesetzgeber um fortwährende Unterstützung und Austausch mit den ParlamentarierInnen sowie mit den Mitgliedern aller Landtage. Für die Bevölkerung sei wichtig, bestimmte Problemfälle auch lokal umfassend zu diskutieren. So bestehe bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Österreich ein tatsächlicher "Notstand", dem auf Länderebene beizukommen sei. Im Einklang mit seinem Kollegen Kräuter urgierte Fichtenbauer, drei weitere Planstellen in der Volksanwaltschaft einzurichten, um den Bürgeranliegen entsprechend nachkommen zu können. Konkrete Verbesserungen verlangte er von der Legislative für die Situation chronisch kranker Schulkinder.

Für die Regierungsfraktionen machten Daniela Gruber-Pruner (S/W), Martin Weber (S/St), Ferdinand Tiefnig (V/O) und Sonja Ledl-Rossmann (V/T) klar, die Arbeit der Volksanwaltschaft zeige auf, wie die Gesetzgebung bei der Bevölkerung ankommt und wo Missstände in den Strukturen bestehen. Menschenrechte, aktuell im Zusammenhang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, nannte Tiefnig als Beispiel. Die regelmäßige Überprüfung von Institutionen und deren Machtstrukturen bzw. Praktiken – beispielsweise freiheitsentziehende Maßnahmen in Psychiatrien – liegt Gruber-Pruner besonders am Herzen, wie sie mit Verweis auf die präventive Menschenrechtskontrolle durch die Volksanwaltschaft ausführte. Sonja Ledl-Rossmann (V/T) beschrieb in diesem Zusammenhang bei VA-Erhebungen aufgedeckte Vorfälle in Alten- und Pflegeheimen, wie überschießende Medikation der BewohnerInnen. Fehlendes Personal und mangelnde Ressourcen für barrierefreie Umbaumaßnahmen bildeten oft den Ursprung solcher Missstände, weswegen konkret bei den Heimträgern Bewusstseinsbildung nötig sei.

Ausweitung der VA-Kontrollkompetenzen bleibt Debattengegenstand

Werner Herbert (F/N) schloss sich dem Lob der Volksanwaltschaft an, gleichzeitig mahnte er allerdings, die Zusammenarbeit der Bundesländer mit der Ombudsstelle zu verbessern. Da sich eine weitere 20%-Steigerung von VA-Prüfverfahren abzeichne, sieht der Freiheitliche die "Decke des finanziell Leistbaren" erreicht, zumal auch die Kontrolle ausgegliederter Körperschaften geboten sei. Die Notwendigkeit einer objektiven Beurteilung des politischen Handelns durch die Volksanwaltschaft betonte Ewa Dziedzic (G/W) einmal mehr, gerade zum Schutz der Menschenrechte. Der VA-Sonderbericht zum Schubhaftzentrum Vordernberg ist für die Grünen-Bundesrätin ein Beleg für die Bedeutung einer parteiunabhängigen Kontrolle.

Ihren Ausgangspunkt nahm die Debatte im vorjährigen Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle (III-235 -NR, III-588-BR), den Bundesrat Weber vorstellte. Für 2015 weist die Volksanwaltschaft (VA) im Gegensatz zu den Vorjahren einen Beschwerderückgang auf. Mit insgesamt 17.231 Beschwerden über die öffentliche Verwaltung gab es um 2.417 weniger Beanstandungen als im Jahr davor. Die ersten Plätze im Beschwerdeaufkommen nehmen aber weiterhin die Bereiche Inneres (28,16%), Soziales (28,01%) und Justiz (14,31%) ein. In 8.181 Fällen wurde ein formales Prüfverfahren eingeleitet, 7.850 davon schloss die Ombudsstelle ab, wobei 1.812 Missstände zutage traten.

Im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle waren die Kommissionen der Volksanwaltschaft 2015 insgesamt 501-mal im Einsatz. 439 der vorjährigen Besuche und Beobachtungen in öffentlichen und privaten Einrichtungen, die als Orte der Freiheitsentziehung gelten, erfolgten unangekündigt. Als Nationaler Präventionsmechanismus (NPM) prüfen Kommissionen der Ombudseinrichtung, ob das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT), sowie Regelungen der UN- Behindertenrechtskonvention eingehalten werden. Grundlage für die Besuche und Beobachtungen in Justizanstalten, Polizeianhaltezentren, Krankenhäusern, Jugend-, Alten- bzw. Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowie von Exekutiveinsätzen (Zwangsakte) etwa bei Demonstrationen, ist eine verfassungsrechtliche Kompetenzerweiterung, die ab heuer auch die Begleitung von Abschiebeflügen umfasst.

Höchstgerichte mehr beansprucht denn je

Sowohl dem Verfassungs- als auch dem Verwaltungsgerichtshof geht die Arbeit nicht aus – im Gegenteil. Hauptgrund für die Antragssteigerung im Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist laut Tätigkeitsbericht (III-273-NR, III-591-BR) die Einführung der so genannten "Gesetzesbeschwerde", die es nunmehr auch Verfahrensparteien in Gerichtsverfahren ermöglicht, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden, wenn sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer vom Gericht anzuwendenden Rechtsvorschrift haben. Erwartet wurden ursprünglich rund 150 zusätzliche Normenprüfungsverfahren pro Jahr, de facto hat es 2015 aber 321 Parteianträge, davon 312 gegen Gesetze gegeben. Gleichzeitig ist auch die Zahl der von den Gerichten selbst gestellten Anträge deutlich gestiegen.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat im vergangenen Jahr 5.393 Verfahren abgeschlossen. In 1.255 Fällen wurde der Beschwerde stattgegeben, angefochtene Bescheide also aufgehoben bzw. abgeändert, geht aus seinem jüngsten Tätigkeitsbericht hervor (III-302-NR, III-599-BR ). Damit konnten bereits im siebenten Jahr in Folge mehr Fälle vom VwGH erledigt werden als neu an ihn herangetragen wurden. Auch die durchschnittliche Verfahrensdauer entwickelte sich überaus positiv. Besorgt sind die VwGH-RichterInnen allerdings vor drohenden Budgetnöten. Sie rechnen vor allem mit einem deutlichen Anstieg von Asylrechts-Verfahren, die den Aktenrückstand rasch wieder steigen lassen könnten. Auch den VfGH beschäftigten Asylverfahren massiv, zeigte Michael Raml (F/O) auf, dennoch sei die Verfahrensdauer mit 89 Tagen relativ kurz. Trotz dieser wertschätzenden Sicht auf den Verfassungsgerichtshof lehne die FPÖ den VfGH-Bericht ab, erklärte der FPÖ-Mandatar mit Verweis auf die Äußerungen des Höchstrichters Johannes Schnizer in Verbindung mit der Bundespräsidentenwahl-Anfechtung durch die Freiheitliche Partei. Als Konsequenzen dieser "Causa" verlangte Raml ein Disziplinarverfahren gegen Schnizer und einen neuen, nicht parteipolitisch bestimmten Bestellmodus der HöchstricherInnen und fand dabei Übereinstimmung mit seinem Fraktionskollegen Christoph Längle (F/V), der allerdings die Zustimmung seiner Fraktion zum VwGH-Bericht zusicherte. Die "ergänzenden Bemerkungen" des VfGH-Richters Schnizer zum Judikat zur Stichwahlwiederholung der Bundespräsidentenwahl führte Reinhard Todt (S/W) darauf zurück, dass das Höchstgericht vielfach für sein Erkenntnis kritisiert worden ist. Mehr Transparenz bei der Urteilsfindung des Gerichtshofs schwebt Todt, ähnlich wie Heidelinde Reiter (G/S), als taugliches Mittel gegen öffentliche Missstimmung vor.

Edgar Mayer (V/V) verbat sich, an die FPÖ gewandt, wegen eines einmaligen Vorfalls den Bericht des Höchstgerichts nicht zur Kenntnis zu nehmen. "Das ist für niemanden nachzuvollziehbar". Unabhängig davon prophezeite der ÖVP-Mandatar, die große Zahle an zu erwartenden Asylverfahren würden beide Gerichtshöfe noch intensiv beschäftigen, weswegen der geltende Rechtsschutz bei Asylbescheiden zu hinterfragen sei. "Valide Erfahrungen" der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform liest Reiter schließlich aus dem VwGH-Bericht heraus, nicht zuletzt, weil die Verfahren durch die Entlastung des Höchstgerichts beschleunigt worden seien. Fortsetzen lassen werde sich diese Entwicklung wohl kaum, bedauerte sie mit Hinweis auf die kostendämpfenden Maßnahmen im kommenden Budget.

Erstmals Kunst- und Kulturbericht in einem Band

Auch der Bericht über die österreichische Kulturpolitik und die Verwendung öffentlicher Mittel für Kunst und Kultur 2015, der heuer erstmals in einem gemeinsamen Band präsentiert wurde, stand in der heutigen Bundesratssitzung zur Debatte. Neben einer Auflistung der wichtigsten geförderten Institutionen werden darin auch die wesentlichen Förderungsprogramme, die der Bund anbietet, dargestellt und die Ausgaben im Einzelnen ausgewiesen. Zahlenmäßig waren die Bundesmittel für Kunst und Kultur 2015 vergleichbar mit jenen Vorjahrs. Thematisch legten die AutorInnen unter anderem Wert auf die Herausarbeitung des Genderaspekts der Kunst- und Kulturförderungen. Das Verhältnis der Förderung von Männern und Frauen sei nach Abteilungen und Sparten zwar unterschiedlich, zeige sich aber insgesamt als sehr ausgewogen, besagt der Bericht.

2015 wurden vom Bund Kunst- und Kulturförderungen in der Höhe von rund 410 Mio. € vergeben. Darin sind auch die Förderungen nach dem Kunstförderungsgesetz enthalten, diese beliefen sich auf rund 88 Mio. €. Neben der Stabilisierung der Bundestheater, Digitalisierungsprojekten und steigenden Besucherzahlen bei Bundesmuseen und Nationalbibliothek werden unter anderem die vielfältigen Formen der Förderung des zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffens und der Gegenwartskunst thematisiert. Die soziale Absicherung von KünstlerInnen ist ebenfalls im Fokus der Kulturpolitik. 2015 wird auch als Erfolgsjahr für den österreichischen Film betrachtet, es gab Neuerungen in der Literaturförderung, auch der Förderung von Kultur in den Regionen und von neuen Kunstformen wird entsprechende Bedeutung beigemessen.

Drozda: Bessere Vergleichbarkeit durch LIKUS-Systematik

Kanzleramtsminister Thomas Drozda hob hervor, dass die Vergleichbarkeit des Budgets durch die aktuelle Umstellung auf die LIKUS-Systematik wesentlich optimiert wird. LIKUS ist ein einheitliches kulturstatistisches System, das auch von der Statistik Austria und den Bundesländern benützt wird, wenn es um Kunst- und Kulturausgaben geht. Der erstmals gemeinsame Bericht zeige auch, dass "Kunst und Kultur zusammengehört", so der Minister. Über Verteilung von Mitteln könne man immer diskutieren, es sei ihm aber jedenfalls auch ein Anliegen, Schwerpunkte für freie Kunst- und Kulturschaffende zu setzen. Weiters sei die Transparenzdatenbank in Verhandlung, er sei optimistisch, dass es bis 2017 zu einer Umsetzung kommen könne. Dass auch die Bundestheater in Zukunft den "Kulturpass" - der Menschen mit finanziellen Engpässen Kunst und Kultur ermöglicht - akzeptieren, hält Minister Drozda grundsätzlich für machbar. Er hofft diesbezüglich auf einen positiven nächsten Bericht etwaig schon kommendes Jahr.

Von Rosa Ecker (F/O) wurden die in einer anonymen Anzeige erhobenen Compliance-Vorwürfe aus der Zeit vor seiner Ministertätigkeit bei den Vereinigten Bühnen thematisiert. Drozda betonte, er habe sich nichts vorzuwerfen.

Von Ecker kamen auch Kritikpunkte zum Bericht, unter anderem zur mangelnden Nachvollziehbarkeit, ob Förderempfänger auch andere Subventionen bekommen. Sie forderte diesbezüglich, die Transparenzdatenbank für Kunst und Kultur einzuführen. Ihr Parteikollege Reinhard Pisec (F/W) bezog sich mit seiner Kritik hauptsächlich auf den seiner Meinung nach unzureichenden Denkmalschutz in Wien und forderte, das Bundesdenkmalamt personell aufzustocken, um für die Erhaltung des kulturellen Erbes die Entscheidungsträger besser kontrollieren zu können. Begrüßenswert ist für David Stögmüller (G/O) der gemeinsame Bericht für Kunst und Kultur und die LIKUS-Systematik. Kritisiert wurde von dem Grünen die Verteilung der Mittel zugunsten der großen "Kulturtanker", wiewohl er erkenne, das zumindest der Wille da sei, die Förderungen für zeitgenössische Kunst zu erhöhen. 

Lobend zum Bericht äußerten sich die Koalitionsparteien. Elisabeth Grimling (S/W) und Rene Pfister (S/N) hoben auch die neue LIKUS-Systematik und die soziale Unterstützung von in Not geratener Künstler positiv hervor, und dass speziell der Genderverteilung Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Für Gregor Hammerl (V/St) zeigt der Bericht die Vielfalt und Dichte von Kunst und Kultur in Österreich. Er wünscht sich in seinem Plädoyer für diesen Bereich weiterhin, dass sowohl der Pflege des kulturellen Erbes als auch dem "Mut, in der Kunst Neues zu zeigen" entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Der Kunst- und Kulturbericht 2015 wurde vom Bundesrat mehrheitlich zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Bundesrat) rei/mbu


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