Parlamentskorrespondenz Nr. 1117 vom 20.10.2016

Burgtheater: RH-Ausschuss thematisiert politische Verantwortung für finanzielle Probleme

Kulturminister Drozda: gesetzliche Konsequenzen ausreichend, Compliance-Richtlinien werden rasch umgesetzt

Wien (PK) – Das Ergebnis der Rechnungshofprüfung der Gebarung der Burgtheater GmbH von 2008 bis 2014 bot den Mitglieder des Rechnungshofausschusses heute Gelegenheit, die Aufarbeitung der Causa Burgtheater und die Wirksamkeit der bisher getroffenen Maßnahmen zu thematisieren. Wie der Rechnungshofbericht festhält, gab es eine lange Reihe von Regelverstößen, die das Theater in eine bedrohliche ökonomische Schieflage brachten. Die Oppositionsparteien ließen Zweifel erkennen, ob die notwendigen Konsequenzen auch tatsächlich umgesetzt wurden. Insbesondere die Grünen verlangten mehr Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle. Kulturminister Thomas Drozda zeigte sich diesem Anliegen gegenüber aufgeschlossen. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker betonte, dass eine regelmäßige Überprüfung von Bundesbetrieben bzw. mit Bundesanteilen einen Schwerpunkt der Arbeit des Rechnungshof bilden soll. Beim Burgtheater werde es einen Follow-Up-Prüfung geben, kündigte die Rechnungshofpräsidentin an.

Abgeordnete konstatieren umfassendes Kontrollversagen

Niko Alm (N) stellte, wie auch Erwin Angerer (F), die Frage nach einer möglichen, zumindest indirekten, Mitverantwortung des derzeitigen Kulturministers für die negative Entwicklung am Burgtheater nach 2008. Drozda habe nämlich als Mitglied der Bestellungskommission daran mitgewirkt, die kaufmännische Geschäftsführung an Silvia Stantejsky zu übertragen, obwohl diese wesentliche Ausschreibungskriterien nicht erfüllte. Auch der Rechnungshof habe diesen Bestellungsvorgang als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Angerer fügte hinzu, der Bericht zeichne ein erschreckendes Bild des Burgtheaters als "Selbstbedienungsladen", wobei dieses System schon länger bestanden haben dürfte. Er fragte, ob der Kulturminister auch den Zeitraum vor 2008 überprüfen lassen werde, in dem er selbst kaufmännischer Direktor des Burgtheaters war. Alm thematisiert zudem das Thema der "Dienstkarten". Durch großzügige Vergabe von Kartenkontingenten seien dem Theater laut seiner Rechnung bis zu 1,7 Mio. € an Einnahmen aus dem Kartenverkauf entgangen.

Wolfgang Zinggl (G) zog Parallelen zur Causa Hypo. In beiden Fällen seien viele Mitverantwortliche benannt worden, aber niemand als wirklich schuldig. Ein Grund, dass sein solches System sich etablieren konnte, seien mangelnde Kontrollmechanismen. Auch das Parlament konnte aufgrund der Beschränkung seines Interpellationsrechts nicht zeitgerecht reagieren, daraus müssen Konsequenzen gezogen und das Fragerecht des Parlaments ausgeweitet werden. Kein Verständnis hatte Zinggl dafür, dass Empfehlungen betreffend einer verbesserten Compliance-Kultur so lange zur Umsetzung brauchen. Er hinterfragte auch das Prämiensystem für Manager von Bundestheatern, seiner Ansicht nach sind solche nicht gerechtfertigt, auch nicht als Teil von Zielvereinbarungen. Die Erreichung von Zielvorgaben sollte schließlich durch das Gehalt bereits abgegolten sein.

Claudia Durchschlag (V) befand, der Bericht zeige ein "beschämendes Ergebnis". Es müsste eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Unternehmen, das letztlich zu 100% im Eigentum der Republik ist, gesetzliche Vorgaben einhält. Sie wollte wissen, ob gegen die frühere Geschäftsführung Haftungsansprüche geltend gemacht werden. Grundsätzlich sei zu fragen, wieso der Aufsichtsrat so lange nicht reagiert habe, eine Frage, die auch Martina Schenk (T) beschäftigte. Schenk fragte sich auch, ob die Umsetzung der Empfehlungen mehr als eine formale sei.

SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel betonte, dass die Causa umfangreich aufgearbeitet wurde. Die MitarbeiterInnen des Burgtheaters hätten die Hauptlast der Effizienzsteigerungen zu tragen. Ihr sei es wichtig, dass es zu keinerlei Prekarisierung oder Lohndumping bei den Bundestheatern kommt. Eine offene Frage sei, ob der kulturpolitische Auftrag an die Theater den Realitäten entspreche oder eventuell abgeändert werden müsse. Ihr Fraktionskollege Johann Hell stellte die Frage, ob die Rolle der Bundestheater-Holding nun ausreichend definiert sei oder ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.

Drozda: Gesetzliche Maßnahmen ausreichend, Compliance wird umgesetzt

Kulturminister Thomas Drozda sah die gesetzlichen Änderungen bei der Organisation der Bundestheater-Holding und ihrer Töchter als gerechtfertigt und zielführend an. Auch die Entlassungen, die im Burgtheater und der Bundestheater-Holding ausgesprochen wurden, seien aufgrund der Fakten unumgänglich gewesen. Die Empfehlungen des Rechnungshofs seien zu 90 Prozent bereits umgesetzt, die restlichen entweder in Umsetzung, oder es gebe noch keinen Anlassfall für sie. Ausständig sei einzig noch die Einsetzung eines Compliance-Verantwortlichen, hier befinde er sich aber in Gesprächen mit dem Bundestheater-Konzern, sagte der Minister. Bis Jahresende werde auch dieser Punkt erledigt sein. Zudem seien klare Antikorruptionsrichtlinien in Kraft.

Was seine Verantwortung für die Zeit vor 2008 betrifft, so habe er das Haus in einem guten finanziellen Zustand übergeben. Erst danach sei der Spielbetrieb und die Zahl der Premieren über das wirtschaftlich tragbare Maß ausgeweitet worden, mit dem bekannten desaströsen Ergebnis. Die Bestellung von Silvia Stantejsky habe einem Wunsch der damaligen Direktion entsprochen, zudem habe Stantejsyk als Theaterfachfrau den besten Ruf genossen. Es gab keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, ansonsten hätte er diese Entscheidung sicher nicht mitgetragen, betonte Drozda. Er werde jedenfalls keine weitere Prüfung des Rechnungshofs beauftragen, sagte der Minister dezidiert. Das Burgtheater sei das bestgeprüfte Theater Österreichs. Das System der Dienstkarten halte er ebenfalls für fragwürdig, grundsätzlich sei es sinnvoll, dass es diese in gewissen Fällen gibt. Im derzeitigen Umfang sei dies aber abzustellen.

Kraker: Missachtung aller Vorschriften führte fast zu Insolvenz des Burgtheaters

Wie Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker festhielt, behandelte die vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer beauftragte Prüfung der Burgtheater GmbH die Geschäftsjahre 2008/09 bis zum Jahr 2013/14. In diesem Zeitraum hat die Tätigkeit der beiden mittlerweile entlassenen Mitglieder der Geschäftsführung des Burgtheaters dazu geführt, dass das Fremdkapital der Burgtheater GmbH von 11,83 Mio. € (2007/08) auf 30,56 Mio. € (2012/13) stieg. Hatte das Eigenkapital im Geschäftsjahr 2007/08 noch 15,66 Mio. € betragen, war hingegen für 2012/13 ein Minus von 10,29 Mio. € zu verzeichnen. Entgegen ihrer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung hätten die früheren Mitglieder der Geschäftsführung kein entsprechendes Internes Kontrollsystem eingerichtet. Eine Insolvenz des Hauses konnte aufgrund der finanziellen Verluste nur mit Mühe abgewendet werden. Infolgedessen sieht Kraker die Entlassung des künstlerischen Geschäftsführers Matthias Hartmann und der kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky als unumgänglichen Schritt an.

Nicht nachvollziehbare Leistungen und Fehlbeträge

Die Burgtheater GmbH zahlte dem früheren künstlerischen Geschäftsführer ab der Vorbereitungszeit 2006 bis zu seiner Entlassung 2014 ca. 2,23 Mio. € aus, ohne dass Auszahlungen immer ein nachvollziehbarer Leistungsgrund zugeordnet wurde. Hartmann beauftragte zudem Stantejsky im Juli 2009, Bargeld in Höhe von 273.000 € in der Hauptkasse der Burgtheater GmbH zu verwahren, sagte Kraker. Im Anschluss daran fehlte dieser Betrag und hatte ohne entsprechende Dokumentation die Vermögenssphäre der Burgtheater GmbH verlassen, hält der Bericht des Rechnungshofs fest. Das Verfahren dazu sei noch anhängig, Fragen der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen sind damit noch offen. Die arbeitsrechtlichen Verfahren ruhen derzeit für die Dauer einer Prüfung der Causa durch die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, teilte RH-Präsidentin Kraker mit.

Nicht belegte "Akonti", Missachtung der Vier-Augen-Prinzips

Die Burgtheater GmbH zahlte im Prüfzeitraum ca. 21,14 Mio. € an Beschäftigte oder Werkvertragsnehmer aus und bezeichnete diese Auszahlungen als "Akonti". Für 80% dieser Buchungen bzw. 14,62 Mio. € an Auszahlungen lagen keine Belege vor, stellte der Rechnungshof fest. Die Hauptkasse zahlte im Prüfzeitraum insgesamt 37 Mio. € in bar aus, meist unter Missachtung des Vier-Augen-Prinzips. Die Hauptkassa arbeitete intransparent, die Folge war laut Rechnungshof eine hohe Anfälligkeit für Korruption, Verlust und fehlende Ordnungsmäßigkeit.

Die Kontroll- und Steuerungsmechanismen des Burgtheaters wie auch der Bundestheater-Holding waren insgesamt unzureichend, befand Kraker. So überschritt im Geschäftsjahr 2009/10 die Burgtheater GmbH das für Produktionen genehmigte Budget von 6,33 Mio. € um 5,82 Mio. €., der Aufsichtsrat befasste sich mit dieser Überschreitung des Produktionsbudgets aber erst im Mai 2013. Die Quartalsberichte stellten nur einen Bruchteil der Investitionen dar, der Aufsichtsrat fragte zu den unterjährig aufgetretenen Planabweichungen der Liquidität nicht nach. Die Jahresabschlüsse enthielten wesentliche Fehldarstellungen, wie buchhalterisch hohe Nutzungsdauer und Buchwerte von nicht mehr gespielten Bühnenproduktionen. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) sox


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