Parlamentskorrespondenz Nr. 1248 vom 17.11.2016

Budgetausschuss: Gesundheitssektor bekommt um 2,1% mehr Mittel

Opposition übt Kritik am Primärversorgungskonzept und sieht Gefahr für niedergelassenen Bereich

Wien (PK) – Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2017 sieht für die Bereiche Gesundheit und Frauen Auszahlungen in der Höhe von rund 1,1 Mrd. € vor, was einem Anstieg von 2,1% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der bei weitem größte Brocken entfällt auf den (variablen) Beitrag zur Finanzierung von Krankenanstalten (635,4 Mio. €), der sich nach dem jeweiligen Steueraufkommen richtet, erläuterte Staatssekretärin Muna Duzdar, die heute die Gesundheitsministerin im Budgetausschuss vertrat. Als weitere Auszahlungsschwerpunkte werden im Bundesvoranschlag u.a. die Krankenversicherungsleistungen im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die Abgeltung des Mehraufwandes durch FLAF-Beiträge, die Dotierung des Zahngesundheitsfonds, die Beiträge für die AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit) und die GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) sowie die Ausgaben für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen angeführt.

Erstmals finanzieller Beitrag der Länder für die Primärversorgung

Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen 2016 haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung auf eine Vertiefung der Gesundheitsreform festgelegt, ist der Analyse des Parlamentarischen Budgetdienstes zu entnehmen. Es wurde vereinbart, dass der Kostendämpfungspfad mit einem jährlichen Anstieg von maximal 3,6% abschmelzend auf 3,2% über die Periode hinweg bis 2021 weiterhin eingehalten werden soll. 200 Mio. € sollen durch eine Finanzierungszusage der Länder und der Sozialversicherung für die Primärversorgung zweckgewidmet werden.

Deutliche Kritik an der Gesundheitspolitik der Regierung kam von Seiten der FPÖ. Während einerseits der niedergelassene Bereich ausgehungert wird, will man auf der anderen Seite das aus ideologischen Gründen betriebene Projekt Primärversorgungszentren mit aller Macht umsetzen, beklagte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Sie warnte zudem davor, sich ein Beispiel an Wien zu nehmen, wo das öffentliche Gesundheitswesen gerade zerschlagen und wichtige Bereiche, wie etwa der Krankenanstaltenverbund (KAV), privatisiert werden sollen. Wenn ÄrztInnen endlich ÄrztInnen anstellen könnten, dann wären viele Probleme gelöst, argumentierte ihr Fraktionskollege Andreas Karlsböck.

Auch die Grünen fanden scharfe Worte für die Gesundheitspolitik, die nach Ansicht von Eva Mückstein (G) derzeit von einem Kampf Bürokratie gegen Ärztekammer geprägt sei. Dies müsse endlich beendet werden, weil dabei nur die PatientInnen auf der Strecke bleiben. Große Sorgen bereitete ihr auch das Primärversorgungskonzept, weil damit ein Parallelsystem entstehe, das Großinvestoren Tür und Tor öffne. Ebenso wie in Deutschland sollte man danach trachten, die kleinteiligen Einheiten besser zu schützen, verlangte Mückstein. Dringenden Handlungsbedarf sah sie auch bei der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung; viele Menschen könnten sich die Behandlung gar nicht leisten.

Eine Gefahr für den niedergelassenen Bereich ortete auch Abgeordnete Waltraud Dietrich (T), da derzeit eine Systemumstellung im Gange sei. Sie machte zudem darauf aufmerksam, dass im Jahr 2025 über 60% der HausärztInnen das Pensionsalter erreichen und somit die PatientInnenversorgung nicht mehr sichergestellt ist.

Die VertreterInnen des Ministeriums gaben zu bedenken, dass beim Primärversorgungskonzept nicht große Zentren im Vordergrund stehen, sondern vor allem die Kooperation von niedergelassenen Medizinern, die Netzwerke bilden sollen. Bundesministerin Oberhauser stehe auch dem Vorschlag, dass ÄrztInnen andere ÄrztInnen anstellen können positiv gegenüber. Erfreulich sei zudem, dass im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen sich die Länder erstmals bereit erklärt haben, einen wesentlichen finanziellen Beitrag zum ambulanten Bereich zu leisten. Was den geforderten Schutz des niedergelassenen Bereichs angeht, so werde das geplante Primärversorgungsgesetz eine Reihe von patientenorientierten Zielvorgaben und Kriterien (z.B. Anzahl von angestellten ÄrztInnen, Wartezeiten, Verfügbarkeit, Öffnungszeiten etc.) enthalten, wurde den Abgeordneten Mückstein und Öllinger (beide G) versichert.

Zur Kritik von Abgeordneter Dietrich am "Mystery Shopping" führte ein Ressortvertreter aus, dass auch bisher schon Kontrollen möglich waren. Zwischen 2011 und 2016 habe die Wiener Gebietskrankenkasse zwölf Ordinationen überprüft; in sechs Fällen wurden die Vertragsverhältnisse gekündigt.

Eine Erhöhung um 32,6% gibt es bei den Krankenversicherungsleistungen im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS), die im Jahr mit 59 Mio. € budgetiert sind. Die BMS ist zwar Angelegenheit der Länder, der Bund ersetzt aber die Mehrkosten, die durch den Zugang zu Leistungen für die BMS-BezieherInnen und deren Angehörige entstehen. Ein Beamter des Ressorts wies Abgeordnete Judith Schwentner (G) darauf hin, dass aufgrund der Nichteinigung über ein bundesweites Modell nun mehrere Optionen geprüft werden.

Für die die Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) stehen im Jahr 2017 10,8 Mio. € zur Verfügung. Das System funktioniere einwandfrei und klaglos, erklärte Staatsekretärin Muna Duzdar, nach der Anwendung in den Krankenanstalten werde als nächster Schritte der Roll-out im niedergelassenen Bereich erfolgen.

Eine Ausstattung der E-Cards mit Fotos sei derzeit nicht geplant. Der Hauptverband sehe darin keine optimale Lösung, zumal der technische Aufwand in einem fragwürdigen Verhältnis zum Nutzen stehe. Außerdem sei die Kontrolle durch die Ausweispflicht sichergestellt.

Präventionsmaßnahmen von Brustkrebs-Screening bis Nichtraucherschutz

Für die Bereiche Gesundheitsvorsorge und Verbrauchergesundheit (Mutter-Kind-Pass, Impfkonzept, Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit etc.) sind im Voranschlag 2017 insgesamt 73,250 Mio. € vorgesehen. Da sich diesbezügliche Maßnahmen auf verschiedene Ressorts und Töpfe verteilen, strebe man eine Themenbündelung an, erklärte eine Ressortvertreterin. Nach dem Schwerpunkt Ernährung habe man nun den Fokus auf Chancengerechtigkeit bei Kindern gelegt. In diesem Zusammenhang wies Staatssekretärin Duzdar auf das erfolgreiche Programm "Frühe Hilfen" hin, an dem auch das Gesundheitsministerium beteiligt ist. Dabei gehe primär darum, Familien in belasteten Situationen auf eine niederschwellige Weise zu unterstützen. Ein gutes Zeugnis wurde auch dem Brustkrebs-Screening ausgestellt, wo die betroffene Zielgruppe der 45- bis 70-jährigen Frauen erreicht wurde. Außerdem gebe es erstmals eine Qualitätssicherung sowohl im technischen als auch im Befundungsbereich.

Auf eine Frage der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm wurde von Seiten des Ministeriums darauf hingewiesen, dass das vor fast 20 Jahren ins Leben gerufene kostenfreie Kinderimpfprogramm kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut wird. Die letzte Erweiterung stellte die HPV-Impfung (Humane Papillom Viren) dar, wo man bereits kurz nach der Einführung eine Durchimpfungsrate von 50% erzielen konnte. Damit sei Österreich ein Vorreiter in Europa. Es sei aber richtig, dass es generell eine gewisse Impfmüdigkeit gebe. Aus diesem Grund habe man eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben, um maßgeschneiderte Kampagnen – wie dies etwa bei den Masern ("Masern sind kein Kinderspiel") gelungen ist - entwickeln zu können. Auch bezüglich der Einführung eines elektronischen Impfpasses werden Überlegungen angestellt.

Zur Versorgungslage in Bezug auf stationäre Kinderrehabilitation teilte ein Vertreter des Ministeriums mit, dass zwei von vier Versorgungszonen noch offen sind. Im Norden und im Süden gebe es aber bereits insgesamt sieben Standorte. Im Hinblick auf den Ausbau des Mutter-Kind-Pass-Angebots soll im Rahmen einer Arbeitsgruppe erörtert werden, ob z.B. zahnärztliche Untersuchungen aufgenommen werden sollen.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) wurde darüber informiert, dass man bei der Tabakprävention auf einem guten Weg sei; die Zahl an jugendlichen RaucherInnen gehe permanent zurück. Weiters stellten die Abgeordneten Detailfragen zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge, dem IVF-Fonds (In-vitro-Fertilisation), dem Gender-Budgeting sowie den Maßnahmen zur Bekämpfung der Geflügelpest. (Fortsetzung Budgetausschuss) sue

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/fachinfos/budgetdienst. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums www.bmf.gv.at.