Parlamentskorrespondenz Nr. 1298 vom 24.11.2016

Nationalrat: Zusätzliche Forschungsmilliarde kommt erst im Finanzrahmen ab 2018

Forschung und Entwicklung erhalten laut Budgetplan 2017 über 4 Mrd. €

Wien (PK) – Das Wissenschaftsbudget wächst laut Budgetplan nächstes Jahr um 84 Mio. € auf über 4 Mrd. € an. Im Nationalrat unterstrichen heute sowohl SPÖ als auch ÖVP, die Wissenschaftspolitik bewege sich in die richtige Richtung, wenn auch die SozialdemokratInnen besonders bei den Betreuungsverhältnissen an den öffentlichen Universitäten noch einigen Nachbesserungsbedarf sehen. Dabei dürfe es nicht weniger Studierende geben, sondern die Zahl der Lehrenden müsse steigen. Die ÖVP setzt wiederum darauf, mit Zugangsbeschränkungen die Rahmenbedingungen an den Hochschulen zu verbessern; auch werden seitens der Volkspartei Kooperationen verschiedener Unis propagiert.

Zu gering bemessen ist das nächstjährige Budget in den Augen der Oppositionsparteien. Von der Grundlagenforschung über die öffentlichen Universitäten bis hin zur Studienförderung seien die diversen Posten chronisch unterdotiert. Auch die finanzielle Ausstattung des Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (FWF) lasse zu wünschen übrig. Verweise auf die angekündigte Forschungsmilliarde, die von 2018 bis 2021 fließen soll, reichten FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach nicht aus.

Budgetsteigerung in verschiedenen Bereichen

Budgetiert sind für die Wissenschaft 2017 insgesamt 4,36 Mrd. €. Die vorgesehenen Steigerungen des Budgets verteilen sich auf mehrere Bereiche (1260d.B.). So sind zusätzliche Auszahlungen für den Klinischen Mehraufwand vorgesehen, etwa für Baumaßnahmen am AKH-Wien. 2017 werden hier 42,5 Mio. € mehr ausgegeben, von 2016 bis 2020 werden es rund 220 Mio. € sein. Für den Ausbau des Fachhochschulsektors gibt es 13 Mio. € extra. Es erfolgt auch eine Erhöhung der Grundbudgets der Universitäten um 5 Mio. € und der sonstigen Transfers an sie um 20 Mio. €. Das Budget der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird um 5 Mio. € erhöht.

Mitterlehner: Zukunftsorientierte Entwicklung des Forschungssektors

"Unsere Ausrichtung im Bereich Forschung und Entwicklung ist zukunftsorientiert", betonte heute Reinhold Mitterlehner in seiner Funktion als Wissenschaftsminister. Zwar sei die Budgetentwicklung fraglos von der Wirtschaftssituation abhängig, Wissenschaft und Forschung habe die Regierung dennoch einen "überdurchschnittlichen Stellenwert" bei der Budgetierung eingeräumt. Eine Unterdotierung des FWF, wie von der Opposition moniert, konnte Mitterlehner nicht erkennen, vielmehr habe es hier beträchtliche Steigerungen gegeben. Wiewohl die Effizienz der Mittelvergaben punktuell zu steigern sei, befinde man sich auf einem sehr guten Weg. Das zeige die Forschungsmilliarde zur Unterstützung der Grundlagenforschung, die nur im Bundesfinanzrahmen abgebildet werden könne, wie der Vizekanzler erklärte.

In den letzten zehn Jahren habe man eine "dramatische" Steigerung der Studierenden um 100.000 Personen gesehen, ging Mitterlehner näher auf die Veränderungen in der Universitätslandschaft ein. Die höchsten Zuwachsraten verzeichneten die – derzeit noch wenigen – Privatuniversitäten im Land. Der Wissenschaftsminister folgert daraus den Auftrag, auf mehr Planungssicherheit bei Finanzierung und Personal öffentlicher Universitäten zu achten; das sei in der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode mit den Universitäten gewährleistet. Platzmängel an Universitäten, die Studierende zwingen, Vorlesungen am Boden sitzend zu verfolgen, gebe es nur noch im Einzelfall, immerhin investiere man intensiv in Renovierungen, nicht zuletzt bei den Studierendenheimen. Im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien würden Baumaßnahmen zum Erhalt der hohen Qualität umgesetzt. Zur Studienplatzfinanzierung meinte der Minister, diese sei gemäß dem Finanzrahmen weiterzuentwickeln, wünschenswert wären 25 Mio. € zusätzlich. Bei den Fachhochschulen seien ebenfalls neue Studienplätze geplant.

Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandorts notwendig

"Durchaus erfreulich" nannte Karlheinz Töchterle (V) das vorliegende Budgetkapitel. Bei der Forschungsquote liege Österreich europaweit an zweiter Stelle. Aus gutem Grund plan man also, den Forschungsförderungsfonds auf fast 300 Mio. € pro Jahr "gewaltig aufzustocken". Sigrid Maurer (G) kritisierte hingegen, die Grundlagenforschung sei viel zu schwach dotiert; "solange der Bundesfinanzrahmen nicht vorliegt, ist das nicht im Budget enthalten", bezog sie sich konkret auf den Bundesvoranschlag 2017. Seit Jahren werde der FWF ausgehungert, bekräftigte Claudia Gamon (N), sie befürwortete aber grundsätzlich die von Mitterlehner angekündigte Studienplatzfinanzierung.

Als Voraussetzung für eine positive Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandorts Österreich mahnte Töchterle ungeachtet seiner positiven Sicht auf das vorliegende Budget weitere Anstrengungen ein. Nötig seien neben einer erhöhten Universitätsfinanzierung auch entsprechende Rahmenbedingen, um das Geld zielgerichtet einzusetzen. Der ehemalige Wissenschaftsminister sprach sich in diesem Zusammenhang für flächendeckende Zugangsregelungen zu Hochschulen aus, zumal sich Universitäten für immer mehr Studierende öffnen würden. Nur so seien Infrastruktur und Lehrpersonal auf die Zahl der StudentInnen abzustimmen. Die Studienplatzfinanzierung sei ein Instrument dafür.

Eine hohe soziale Durchlässigkeit im tertiären Sektor attestierte Andreas Karlsböck (F) dem österreichischen Universitätsbereich. Allerdings würden viele, "die sich's richten können", Privatunis besuchen, wohingegen die große Masse an öffentlichen Universitäten studiere, sodass dort wiederum die Angebotsqualität sinke. Nicht zuletzt, um den schlechten Betreuungsverhältnissen beizukommen, brauche der Hochschulsektor mehr Mittel; eine Hochschulausgabenquote von 2% des BIP würde dazu beitragen. Als "Budget der Fortschreibung mit wenig Impulsen" titulierte Axel Kassegger (F) den Bundesvoranschlag für Wissenschaft und Forschung und er bezweifelte, dass damit das Ziel, Innovation Leader zu sein, erreicht werde. Die Forschungsmilliarde ab 2018 sei zum jetzigen Zeitpunkt kaum relevant. Ein Dorn im Auge sind den Freiheitlichen auch ausländische Studierende, die als AbsolventInnen wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Bei EU-BürgerInnen sollte die Europäische Union hier zum Ausgleich die Kosten refinanzieren, empfahl Karlsböck.

Plenum beleuchtet Situation Studierender

Das erste Wirkungsziel des Wissenschaftsressorts, die Steigerung der AbsolventInnenzahl, nahm Maurer (G) ins Visier. Derzeit fehlten dafür geeignete Rahmenbedingungen, konstatierte sie eine "chronische Unterfinanzierung der Universitäten", die unter anderem zu Platzproblemen, Betreuungsmängeln und unzureichenden Kursangeboten führten. Außerdem würden zwei Drittel der Studierenden pro Woche halbtags arbeiten müssen, da das Stipendiensystem unzureichend sei. Von den versprochenen 25 Mio. € zur Aufstockung der Studienförderung finde sich im Budget keine Spur. Als Konsequenz sieht Maurer ein drohendes Absinken der Studierendenzahl. Maurers Parteikollegin Ruperta Lichtenecker rechnete anhand von Zahlen aus der Schweiz und aus Bayern vor, Österreich stehe in Bezug auf die für Studierende aufgewendeten Ressourcen am schlechtesten da. Deswegen müssten die Investitionen in Forschung, Wissenschaft und Innovation erhöht werden, appellierte sie mit einem Entschließungsantrag, in dem ein Entwurf für ein Forschungsfinanzierungsgesetz gefordert wird.

Moderate Erhöhungen mit dem Scherpunkt Infrastruktur macht Andrea Kuntzl (S) im Budget aus, in ihren Augen eine durchaus positive Entwicklung. Unbedingt notwendig wertet sie allerdings eine Verbesserung der Betreuungsverhältnisse, ohne jedoch die Studierendenzahlen zu senken. Immerhin benötige das das Land gut ausgebildete Kräfte. Die Aufstockung der FH-Mittel hob Kuntzl freudig hervor, weil Fachhochulen viel mehr berufsbegleitende Angebote als Universitäten anböten, was der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler bestätigte. Hingegen bedauerte die SPÖ-Mandatarin unisono mit Grünen-Mandatarin Maurer, die zur Verfügung gestellten Mittel für die Studienförderung fänden sich im Budgetentwurf nicht. Ebenso kritisierte Kuntzl die Reduktion der Studentenheimförderung und appellierte, hier noch Gelder umzuschichten.

Das Budget sei unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen erstellt worden, gab Beatrix Karl (V) zu bedenken. Dennoch wachse die Finanzierung der Universitäten in der Leistungsvereinbarungsperiode der nächsten drei Jahre um mehr als 600 Mio. € an, eine Investition, die sich lohne. Zudem setze man Maßnahmen, die Studienplatzberatung zu optimieren und forciere Kooperationen der Unis mit der Wirtschaft bzw. mit anderen Hochschulen, wobei in interuniversitären Zusammenschlüssen Studiengänge gemeinsam angeboten würden. Verbesserungen seien erfolgt, etwa bei älteren Studierenden oder Studierende mit Betreuungsaufgaben, räumte Katharina Kucharowits (S) ein, immer noch gebe es jedoch keine Aufschlüsselung der sozialen Verhältnisse Studierender. "Das Leben für viele Studierende ist nicht immer so rosig", sagte sie mit Hinweis auf Lebenserhaltungskosten, die mit den derzeitigen Stipendien nicht gedeckt würden.

Streitfall Mittelverteilung

"In keinerlei Art und Weise" reiche das Budget für die angestrebte Wissenschafts- und Forschungspolitik aus, ortet Claudia Angela Gamon (N) unter anderem ein großes Problem bei den erhöhten Zahlungen für den Klinikbau in den Bundesländern. Neubauten wie die ihrer Ansicht nach nur wegen landespolitischer Begehrlichkeiten errichtete Medizinische Fakultät in Linz würden unnötig Mittel beanspruchen. Der Ärztemangel in Oberösterreich sei nicht zu bestreiten, brach Manfred Hofinger (V) hingegen eine Lanze für die Linzer Med-Fakultät. Generell brauche das Land zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs ausreichend Förderung des tertiären Bereichs, gerade auch der Fachhochschulen (FH), die zielgerichtete Ausbildungen gewährleisteten. In diesem Zusammenhang regte der ÖVP-Mandatar eine eigene FH für den landwirtschaftlichen Bereich an.

Den Ausbau der Fachhochschulstudienplätze begrüßte Harry Buchmayr (S) ebenfalls, wobei er vor allem die Bedeutung der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) hervorhob. Eine "FH-Agrar", wie von der ÖVP angeregt, bezeichnete Buchmayr hingegen als "abenteuerlich", gebe es doch ausreichend Expertise an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien.

Die großen Herausforderungen der Zukunft könnten nur mit Wissenschaft und Forschung bewältigt werden, hielt Philip Kucher (S) mit Verweis auf Entwicklungen wie den Klimawandel fest. Wiewohl vieles noch besser werden müsse, dürfe man nicht die vielen richtigen Schritte, die bereits gesetzt wurden, übersehen. Besonderes Augenmerk schenkte Kucher jungen ForscherInnen, die oft nicht mit Drittmitteln ihr Auslangen fänden – hier sei auf die Forschungsmilliarde zu hoffen. Eine insgesamt erfreuliche Entwicklung im Wissenschaftsbereich macht Elmar Mayer (S) aus. Getragen werden sollte davon auch die neue PädagogInnenbildung; darauf habe die Politik zu achten. Hinsichtlich Forschung erinnerte Mayer an das Ziel von 2% des Bruttoinlandsprodukz BIP, das bei Forschung und Entwicklung erreicht werden sollte – mit der Forschungsmilliarde bis 2021 sei das machbar, nicht zuletzt durch private Investitionen.

Im Großen und Ganzen sei es gelungen, ein passables Budget für adäquate Rahmenbedingungen der universitären Lehre zu schaffen, gestand Ulrike Weigerstorfer (T) der Regierung zu. Dennoch wertete sie unter anderem immer noch Zustände wie Platzmängel an Universitäten als nicht zufriedenstellend. Problematisch findet sie auch, dass Österreichs Wissenschaftsbudget zwischen mehreren Ressorts "gestückelt" ist. Das Wissenschaftsministerium verwaltet rund 77% der Budgetmittel des Bundes für Wissenschaft und Forschung. Weitere 7% der Forschungsmittel werden über das Wirtschaftsministerium aufgebracht, die restlichen 16% vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) budgetiert. Weigerstorfer fügte auch das Bildungsressort an und verurteilte diese Finanzierungskonstruktion als "kontraproduktiv". (Fortsetzung Nationalrat) rei