Parlamentskorrespondenz Nr. 1336 vom 30.11.2016

Rechnungshof rügt Verzögerung bei neuem Lehrerdienstrecht

Wirkung der Reform erst 2060 erwartet - Hammerschmid im Rechnungshofausschuss gegen überhastete Dienstrechtsänderung

Wien (PK) - Als wichtiges Reformpaket, das den Lehrberuf durch höhere Einstiegsgehälter attraktiver machen und mit mehr Lehrverpflichtung einem modernen Schulwesen Rechnung tragen soll, beschlossen SPÖ und ÖVP 2013 ein neues Lehrerdienstrecht. Sowohl Bundes- als auch LandeslehrerInnen werden davon umfasst. Verpflichtend ist es allerdings erst ab 2018/19, bis dahin steht auch noch das alte Dienstrecht zur Wahl, aktive Lehrkräfte sind von den neuen Regelungen überhaupt nicht betroffen. Hier setzt der Rechnungshof (RH) mit seiner Kritik an, nachdem er das neue Lehrerdienstrecht geprüft hat. Der Staat verzichte auf Einsparungsmöglichkeiten in Milliardenhöhe, solange altes und neues Dienstrecht nebeneinander bestehen, verurteilt die Kontrollbehörde die verzögerte Umsetzung der gesamten Reform. Bis 2059/2060 kommt es demnach nur zu 1,12 Milliarden Euro an Einsparungen – das seien um 1,07 Milliarden Euro weniger als möglich.

Im Rechnungshofausschuss des Nationalrats erklärte RH-Präsidentin Margit Kraker, der Dienstrechtswechsel "hätte mehr Potential gehabt, wenn die Reform engagierter angegangen worden wäre". Ohne Änderungen gelange das heimische Schulwesen in puncto Lehrverpflichtung außerdem erst 2060 auf internationales Niveau. Als ersten Schritt riet Kraker dazu, die Unterrichtsverpflichtung auch für LehrerInnen des alten Dienstrechts zu erhöhen. Das Dienstrechtspaket erneut aufzuschnüren lehnt Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid derzeit aber ab; zu vielfältig seien die Anforderungen für Lehrkräfte im Rahmen der laufenden Bildungsreform. Nichtsdestotrotz nehme sie die Anregungen des Rechnungshofs "als Blick von außen aufs System" sehr ernst und wolle sie zum gegebenen Zeitpunkt für Veränderungen nutzen.

Kraker: Optionsrecht für neue LehrerInnen nicht nachvollziehbar

Durchaus honoriert wurde von Kraker, dass der Gesetzgeber bei der Dienstrechtsreform Empfehlungen des Rechnungshofs teilweise aufgegriffen und für Landes- und BundeslehrerInnen ein einheitliches Dienstrecht erstellt hat. In der Realität vermisst sie allerdings die Homogenität im "personalintensiven Bildungsbereich", was zu einem vermehrten Verwaltungsaufwand führe: neben zweierlei Dienstrechten gebe es ja auch Landes- und BundeslehrerInnen, sowie BeamtInnen und Vertragsbedienstete. Hinsichtlich der Dauer bis zur optionslosen Verpflichtung für das Dienstrecht neu sagte sie, offenbar habe dem Nationalrat bei der Beschlussfassung die Vergleichsrechnung gefehlt, um die Auswirkungen eines verzögerten Eintritts der Reform abschätzen zu können. Das bis 2018/19 hinausgeschobene Ende des Optionsrechts ist für sie nicht nachvollziehbar.

Zentral im novellierten Dienst- und Besoldungsschema ist die Erhöhung des Einstiegsgehalts, wohingegen die Gehaltskurve abgeflacht wird. Außerdem ist eine generell längere Unterrichts- und Betreuungspflicht an den Schulen geplant. Scharf kritisiert der Rechnungshof vor diesem Hintergrund, dass neu beginnende Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren die Möglichkeit haben, sich gegen das novellierte Dienstrecht zu entscheiden. Im Schuljahr 2015/16 hätten nur 48 von 1477 neuen BundeslehrerInnen für das reformierte Dienstrecht votiert, heißt es im Prüfbericht (III-312). Die vorgesehene Frist bis zum Schuljahr 2018/19 sei daher unbedingt zu verkürzen. Ohne Änderungen werde die Republik kaum die Hälfte der erwarteten 2,19 Mrd. € an Einsparungen realisieren. Während Andrea Gessl-Ranftl (S) angesichts dieser Erhebungen von Unterrichtsministerin Hammerschmid wissen wollte, ob das neue Lehrerdienstrecht eine "vergebene Chance" oder ein "pädagogischer Meilenstein" ist, fällte Martina Schenk (T) gleich ein harsches Urteil. Das Dienstrecht neu bietet ihrer Meinung nach keinen Anreiz für Strukturreformen wie verstärkte Schulautonomie. Laut Rechnungshof würden zudem ohne Wahloption zwischen Dienstrecht alt und neu für NeueinsteigerInnen in den Lehrberuf doppelt so viel Einsparungen schlagend.

Hammerschmid: Neuverhandlung des Dienstrechts jetzt kontraproduktiv

Zwar sei sie selbst bei den jahrelangen Verhandlungen um ein neues Lehrerdienstrecht nicht dabei gewesen, betonte Unterrichtsministerin Hammerschmid, man habe ihr aber glaubhaft vermittelt, die Dienstrechtsreform sei nicht allein aus budgetären Gründen erfolgt. Vielmehr sollten damit "pädagogisch neue Wege" beschritten werden, schon da die dienstrechtliche Gleichstellung von PflichtschullehrerInnen und Lehrkräften berufs- bzw. allgemeinbildender höherer Schulen mit der vereinheitlichten PädagogInnenbildung korrespondiere. Die "spürbare Anhebung" der Einstiegsgehälter ist für Hammerschmid ein deutliches Zeichen der Wertschätzung, die dem Lehrberuf entgegengebracht werden müsse, gerade in Zeiten der Schulentwicklung. "Das Autonomiepaket steht ganz oben auf der Agenda", umriss die Ministerin in diesem Zusammenhang Eckpunkte der Schulreform, etwa die personelle Autonomie der Schulstandorte bzw. Schulcluster. In Hinblick auf derartige Veränderungen unterstrich sie, das 2013 beschlossene Lehrerdienstrecht jetzt wieder neu zu diskutieren, sei im Moment kontraproduktiv. Immerhin werde durch die Umstellungen von den LehrerInnen viel verlangt.

Wo Lehrverpflichtung endet, beginnen Überstunden

"Im Wesentlichen bleibt das alte Dienstrecht bestehen", erkannte Gerald Hauser (F) wenig Fortschritt in der Bildungsadministration. Konkret wies er auf die unterschiedlichen Wertigkeiten von verschiedenen Fächern nach altem Schema hin. Dadurch könne eine Lehrkraft bereits mit 17 Unterrichtsstunden die volle Lehrverpflichtung erfüllen, so Hauser, der Rest wären Mehrdienstleistungen. Auswirkungen der verzögerten Reform zeigen sich laut RH-Analyse eben bei den Mehrdienstleistungen vulgo Überstunden der LehrerInnen. Im Schuljahr 2014/2015 deckten Dauermehrdienstleistungen (in den Unterrichtsbetrieb fix eingeplante Überstunden) der Bundeslehrkräfte rund 11,8% der gesamten Unterrichtsleistung ab. Ein beträchtlicher Anteil davon entfiel auf systemimmanente Dauermehrdienstleistungen, die der Rechnungshof auf das komplexe System aus Werteinheiten für Unterrichtsstunden zurückführt. Wären BundeslehrerInnen im alten Dienstrecht an die Lehrverpflichtung nach neuem Dienstrecht (durchschnittlich 21,36 Wochenstunden) angepasst worden, hätten sich die fixen Überstunden um beinahe die Hälfte reduziert. Rund 50.510 Wochenstunden an Unterrichtskapazität wären dann nämlich dazugekommen, rechnen die PrüferInnen vor. Ministerin Hammerschmid relativierte die Prüfergebnisse mit dem Hinweis, das Berechnungssystem des neuen Dienstrechts umfasse lediglich zwei Wertegruppen anstatt einer neunteiligen Skala und ein Experte ihres Ressorts fügte an, ab 2035 würden nur noch wenige LehrerInnen nach dem alten Dienstrecht beschäftigt sein. Zur Dokumentation der Arbeitszeiten sagte Hammerschmid, für eine vollständige Auflistung fehlten dem Bundesministerium nicht zuletzt die Daten der LandeslehrerInnen.

Neben den Überstunden bemängelt der Rechnungshof nämlich auch fehlende Aufzeichnungspflichten der Vor- und Nachbereitungszeiten sowie sonstiger Tätigkeiten des Lehrpersonals. Für RH-Präsidentin Kraker wäre gerade für die Beratungstätigkeit durch Lehrkräfte, für die gemäß neuem Dienstrecht zwei Wochenstunden vorgesehen sind, eine Bedarfsabschätzung unbedingt nötig. Dementsprechend müsste eine Dokumentationspflicht der Beratungsstunden eingeführt werden, um daraus die Inanspruchnahmen der qualifizierten Beratung zu evaluieren.

Debatte um Arbeitszeit der LehrerInnen

Andreas Hanger (V) wollte die im Raum stehende Vermutung, österreichische LehrerInnen würden im internationalen Vergleich weniger arbeiten, nicht unkommentiert lassen. Immerhin dürfe das größere Ausmaß an Verwaltungsaufgaben, die PädagogInnen hierzulande auch zu erfüllen hätten, nicht vergessen werden, gab er zu bedenken. Vom Unterrichtsministerium verlangt er eine objektive Studie zur Lehrerarbeitszeit, damit Bedenken restlos ausgeräumt werden. Den Ruf der Grünen nach einem Jahresarbeitszeitmodell erneuerte deren Bildungssprecher Harald Walser (G), Claudia Gamon (N) schlug überhaupt einen bundesweiten Rahmenkollektivvertrag für alle an Schulen tätige Personen vor: "Das Lehrerdienstrecht ist überholt". Ganz so drastisch formulierte Walser es nicht, aber auch er urgierte ein "mutigeres Auftreten" zur Weiterentwicklung der dienstrechtlichen Regelungen. So sollten aktive Lehrkräfte ebenfalls in das neue Dienstrecht übertreten können. De facto sei ihnen das jedoch nicht möglich, selbst wenn sie wollen, nannte er derartige Fälle als Beleg für die "Ungerechtigkeit" an Schulen. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) rei


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