Parlamentskorrespondenz Nr. 1391 vom 07.12.2016

Pflegefonds wird bis zum Jahr 2021 auf 417 Mio. € aufgestockt

Ehemalige Kriegsgefangene erhalten kleines Rentenplus

Wien (PK) – Der Pflegefonds wird bis zum Jahr 2021 verlängert und schrittweise auf 417 Mio. € aufgestockt. Außerdem wird der Bund in den nächsten Jahren jeweils 6 Mio. € zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung beisteuern und sich weiter an der Förderung der 24-Stunden-Betreuung beteiligen. Für entsprechende Regierungspläne hat der Sozialausschuss des Nationalrats heute grünes Licht gegeben. Die Beschlüsse fielen mit breiter Mehrheit. Sozialminister Alois Stöger freute sich auch über die Sicherstellung der Anwesenheit von Pflegepersonal in der Nacht. Auch der vorgesehenen Erhöhung der monatlichen Entschädigungszahlung an ehemalige Kriegsgefangene stimmten die Abgeordneten zu.

18 Mio. € jährlich für Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung

Die Verlängerung des Pflegefonds (1331 d.B.) geht auf eine Vereinbarung zwischen Bund, Länder und Gemeinden im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen zurück. Demnach soll der Fonds im kommenden Jahr wieder mit 350 Mio. € dotiert werden. Danach ist eine schrittweise Anhebung der Mittel um rund 4,5% jährlich vorgesehen. 2018 werden 366 Mio. €, 2019 382 Mio. €, 2020 399 Mio. € und im Endausbau 2021 schließlich 417 Mio. € zur Verfügung stehen. Wie bisher übernimmt der Bund zwei Drittel der Kosten.

Mit den Mitteln des Pflegefonds werden Aufwendungen der Länder und Gemeinden für Langzeitpflege finanziert. Neu ist, dass künftig auch eine mehrstündige Alltagsbegleitung im häuslichen Umfeld sowie Entlastungsdienste für pflegende Angehörige abgerechnet werden können. Damit will man unter anderem eine selbstbestimmte Lebensführung von demenzkranken Menschen fördern, erfuhr Judith Schwentner (G) von Sozialminister Alois Stöger. In Form von mobilen Diensten sollen so Angehörige bei der Pflege entlastet werden.

Zusätzlich zum Pflegefonds werden für die nächste Finanzausgleichsperiode 2017 bis 2021 jährlich 18 Mio. € für ein erweitertes Angebot im Bereich der Hospiz- und Palliativbetreuung bereitgestellt, wobei sich Bund, Länder und Sozialversicherungsträger diese Summe zu je einem Drittel teilen. Im Rahmen einer Ausschussfeststellung wurden Konkretisierungen zur operativen Abwicklung festgehalten.

Die Forderung der Grünen, einen Inklusionsfonds einzurichten, wurde bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht berücksichtigt, kritisierte Helene Jarmer (G) und wollte daher eine stärkere Zweckbindung der Länder. Beispielsweise liegt es im Entscheidungsbereich der Länder, ob persönliche Assistenz auch im Freizeitbereich zur Verfügung gestellt wird. Solche Regelungen müssten dringend vereinheitlicht werden. Jarmer drängte außerdem auf bessere arbeitsrechtliche Beschäftigungsverhältnisse für persönliche AssistentInnen.

Auch SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) hält es für notwendig, auf die Länder einzuwirken, dass die Gelder tatsächlich bei der persönlichen Assistenz ankommen. Die Länder seien nicht zu einer Bund-Länder-Übereinkunft über die Mittelverwendung bereit gewesen, sagte Sozialminister Stöger dazu. Pflege und persönliche Assistenz schütze pflegebedürftige Menschen vor dem Heim, hob Franz-Joseph Huainigg (V) hervor, daher müssten weitere Schritte gesetzt werden. Im Rahmen einer parlamentarischen Initiative wolle er sich dafür einsetzen, die persönliche Assistenz auszubauen.

Die Ausschussmitglieder waren einhellig über die Umsetzung der Forderungen der Parlamentarischen Enquete zum Thema Würde am Ende des Lebens erfreut, auch wenn die Oppositionsparteien weiteres Umsetzungspotential sehen. Das Pflegefondsgesetz bekam zahlreiche Zusprüche der Ausschussmitglieder und wurde mehrheitlich, ohne die Zustimmung der NEOS, beschlossen. Nach Meinung von Gerald Loacker ist dies keine langfristige Lösung, BürgerInnen bräuchten mehr Rechtssicherheit.

Steuerungselemente sollen Qualität der Pflege sicherstellen

Begleitend zur Verlängerung des Pflegefonds werden zusätzliche Steuerungselemente in das Pflegefondsgesetz aufgenommen, etwa was die Transparenz erbrachter Leistungen sowie Qualitätsvorgaben betrifft. So muss in stationären Pflegeeinrichtungen genug diplomiertes Pflege- und Gesundheitspersonal zur Verfügung stehen und auch während der Nachtstunden zumindest eine qualifizierte Fachkraft anwesend bzw. rasch verfügbar sein. Überdies werden die Länder verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Vorschreibung von Kostenbeiträgen im Bereich mobiler Betreuungs- und Pflegedienste soziale Aspekte berücksichtigt werden. Ab Pflegegeldstufe 4 soll pflegebedürftigen Personen die Aufnahme in eine stationäre Einrichtung ohne weitere Prüfung offenstehen. Pflege liege grundsätzlich im Aufgabenbereich der Länder, so Königsberger-Ludwig, durch Nachtanwesenheit und Berichtspflichten würden aber Schritte in Richtung Vereinheitlichung gesetzt.

Darüber hinaus wird im Gesetz ein Ausgabenpfad für Pflegesachleistungen nach Vorbild der Gesundheitsreform verankert. Damit soll die Kostendynamik im Pflegebereich mit jährlich 4,6% begrenzt bleiben. Diese Kostendeckelung kann nach Meinung von Judith Schwentner (G) ohne Leistungskürzungen nicht eingehalten werden.

Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung wird verlängert

Was die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung betrifft, haben sich der Bund und die Länder darauf geeinigt, auf eine Kündigung der bestehenden Vereinbarung bis zum Ende der neuen Finanzausgleichsperiode zu verzichten. Damit wird deren Laufzeit de facto bis Ende 2021 verlängert. Der Sozialausschuss hält das für sinnvoll, die neue Vertragsklausel (1351 d.B.) wurde mit breiter Mehrheit, ohne die Zustimmung der NEOS, genehmigt. Ziel der Vereinbarung ist es, die staatliche Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung für pflegebedürftige Menschen langfristig sicherzustellen. Gemäß den Erläuterungen haben im Jahr 2015 durchschnittlich 21.900 Personen eine Förderung erhalten. Für die nächsten Jahre wird eine jährliche Steigerung der LeistungsbezieherInnen von rund 9% erwartet.

Mit der Beibehaltung der 24-Stunden-Betreuung wird laut Gertrude Aubauer (V) ein gutes Signal an ältere Menschen gesendet. Judith Schwentner (G) pochte auf eine weitere qualitative Verbesserung. Die Pflege sollte in Form eines reglementierten Gewerbes ausgeübt werden.

Gemeinsam mit der Novelle zum Pflegefondsgesetz und der Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung standen mehrere Oppositionsanträge zur Diskussion, die jedoch keine Mehrheit fanden. So forderten sowohl die Grünen (1836/A(E)) als auch das Team Stronach (1236/A(E)) einen bundesweit einheitlichen Personalschlüssel für Alten- und Pflegeheime. Der FPÖ geht es – neben einer Pensionserhöhung von 1,3% – um eine jährliche automatische Anpassung des Pflegegelds an die Inflation und eine regelmäßige Valorisierung der Steuerfreibeträge für behinderte Menschen (1092/A(E), 1866/A(E)). Dies sei insbesondere wichtig, weil das Einkommen pensionsbegründend sei, argumentierte Werner Neubauer (F), beim Pflegegeld habe es in den letzten Jahren einen Realverlust von über 30% gegeben.

Die alternde Gesellschaft stelle eine große Herausforderung für das österreichische Rechtssystem dar, stellte Waltraud Dietrich (T) fest und wollte neben einheitlichen Standards bei den Pflegedienstleistungen in ganz Österreich auch Rechtssicherheit schaffen. Schließlich sei Heimpflege die günstigste Form der Pflege, meinte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Die ÖVP konnte den Forderungen nicht zustimmen. Sie sind entweder bereits erfüllt oder nicht machbar, meinte Franz-Joseph Huainigg.

Monatliche Entschädigungszahlung für Kriegsgefangene wird erhöht

Mit SP-VP-FP-T-Mehrheit stimmte der Sozialausschuss einem Gesetzespaket (1342 d.B.) zu, das unter anderem eine Erhöhung der Opferrenten für ehemalige Kriegsgefangene ab 2017 um rund 15% vorsieht. Je nach Dauer der Kriegsgefangenenschaft sollen die BezieherInnen künftig zwischen 17,50 € und 43 € monatlich  erhalten, zugutekommen soll das rund 13.000 Personen.

Begründet wird der Schritt damit, dass die Geldleistungen für Kriegsgefangene die einzigen im Rahmen des Sozialentschädigungsrechts sind, die keiner jährlichen Valorisierung unterliegen. Seit der Einführung im Jahr 2001 hat es demnach nur ein einziges Mal eine Aufrundung von durchschnittlich 50 Cent gegeben. Wie eine Aufstellung des Sozialministeriums zeigt, ist die Zahl der LeistungsbezieherInnen in den letzten Jahren sukzessive zurückgegangen, und zwar von 57.593 im Jahr 2006 auf 17.056 im Jahr 2016.

Mit dem Gesetzespaket wird darüber hinaus im Verbrechensopfergesetz eine Rechtsgrundlage für die Förderung von Projekten für Verbrechensopfer geschaffen. Zudem wird Sozialminister Alois Stöger – in Einvernehmen mit dem Finanzminister – ermächtigt, dem Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) als Ausgleich für geringe Veranlagungserträge Zuschüsse zu gewähren. Gemäß den finanziellen Erläuterungen sind dafür in den Jahren 2017 und 2018 vorsorglich jeweils 240.000 €, in den drei Jahren danach jeweils 200.000 € eingeplant. Der Verband hat für die Vertretung der Interessen der deutschsprachigen Heimatvertriebenen in Österreich und den Betrieb des Begegnungszentrums "Haus der Heimat" im Jahr 2002 eine einmalige Zuwendung von 4 Mio. € zur Veranlagung erhalten, weitere Förderungen durch den Bund sind nach geltender Gesetzeslage ausgeschlossen.

Geändert wird schließlich auch das Heeresentschädigungsgesetz. Dabei geht es um die Zuerkennung einer Witwen- bzw. Waisenrente im Falle des Todes eines im Dienst verunfallten Bundesheerangehörigen, auch wenn der Tod in keinem kausalen Zusammenhang mit dessen schwerer Beschädigung steht. Die Gesamtkosten für das Gesetzespaket werden mit 0,8 Mio. € im Jahr 2017 und 0,73 Mio. € im Jahr 2018 beziffert, 2021 sollen es noch 570.000 € ein.

Ein im Zuge der Beratungen eingebrachter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag betrifft die Kontaktdatenbank des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen, auf die künftig auch bestimmte Bedienstete des Sozialministeriums Zugriff haben. Durch die Übermittlung von Sterbedaten aus dem Zentralen Personenstandsregister soll die Datenbank aktuell gehalten werden.

Scharfe Kritik der Grünen an Förderung des VLÖ

Scharfe Kritik an der Förderung des Verbands der Volksdeutschen Landsmannschaften übte Grün-Abgeordneter Karl Öllinger. Er wies darauf hin, dass im "Haus der Heimat" wiederholt Neonazis und Rechtsextreme aufgetreten seien. Unter anderem etwa der Gründer und Vorsitzender einer europäischen Neonaziorganisation und ein aktiver Propagandist der Apartheid der aus der deutschen Bundeswehr wegen Rechtsextremismus ausgeschlossen wurde. Zwar seien künftig Prüfungen durch das Sozialministerium vorgesehen, gestand Öllinger zu, diese seien aber nur im Nachhinein möglich. Zudem sei es nicht so, dass das "Haus der Heimat" am Tropf hänge, es gebe kräftige Förderungen durch private Sponsoren. Im Übrigen schieße man auch den privaten Pensionkassen wegen geringer Veranlagungserträge keine Mittel zu.

Ablehnend zu diesem Teil des Gesetzespakets äußerte sich auch Gerald Loacker (N). Normalerweise erhielten Einrichtungen und Organisationen nur unter bestimmten Auflagen Förderungen, mit der seinerzeitigen Einmalzahlung an den VLÖ sei man von diesem Prxis aber abgerückt.

Sozialminister Alois Stöger bekräftigte, er wolle nicht neonazistische Aktivitäten mit staatlichen Mitteln fördern. Er sei aber die Aufsichtsbehörde des Stiftungsfonds und stehe vor dem Problem, dass das gewählte Konstrukt nicht funktionsfähig sei. Man dürfe das Kapital nicht angreifen, gleichzeitig gebe es keine Veranlagungserträge.

Stöger betonte, es gehe um Menschen, die vertrieben wurden und in Österreich Schutz und Heimat fanden. Sie hätten es sich verdient ihren Verlust und ihre Erfahrungen in der Kindheit benennen zu dürfen. Stöger ersuchte Öllinger allerdings, Wahrnehmungen über dubiose Aktivitäten an das Sozialministerium weiterzuleiten.

Begrüßt wurde die Förderung von Michael Hammer (V). Das "Haus der Heimat" feiere dieser Tage sein zwanzigjähriges Jubiläum, erklärte er. Die Aufrechterhaltung des operativen Betriebs wäre durch die geringen Veranlagungserträge nicht möglich.  

Mindestsicherung: Grüne pochen auf Grundsatzgesetz des Bundes

Beendet wurden die rund fünfstündigen Beratungen des Sozialausschusses mit der Ablehnung zweier Anträge der Grünen zum Thema Mindestsicherung. Um bundesweit einheitliche Standards für die bedarfsorientierte Mindestsicherung sicherzustellen, hatte sich Abgeordnete Judith Schwentner neuerlich für ein Grundsatzgesetz des Bundes ausgesprochen (1927/A(E)). Außerdem drängte sie auf eine Beibehaltung des Krankenversicherungsschutzes für MindessicherungsbezieherInnen auch nach Auslaufen der geltenden Bund-Länder-Vereinbarung Ende dieses Jahres (1926/A(E)). Finanzielle Zuschüsse vom Bund sollten demnach nur jene Länder erhalten, die sich weiter an die darin vereinbarten Mindeststandards halten.

Die NEOS befürworteten diese Schritte und auch August Wöginger (V) zeigte sich trotz ablehnender Stimme gesprächsbereit. Sozialminister Stöger hielt dazu fest, dass es bei der Nichteinhaltung von Grundsatzgesetzen des Bundes durch die Länder keine Rechtsfolgen gebe. Aber auch das deutsche Arbeitslosengeldmodell "Hartz IV" sei nicht die richtige Lösung, stimmte er Peter Wurm (F) zu. (Schluss Sozialausschuss) gs/gro