Parlamentskorrespondenz Nr. 1403 vom 14.12.2016

Nationalrat: Technologischer Wandel als Chance für den Wirtschaftsstandort Österreich

Aktuelle Stunde mit Verkehrsminister Jörg Leichtfried

Wien (PK) – Eine Aktuelle Stunde zum Thema "Technologischer Wandel als Chance für den Standort Österreich" bildete den Auftakt der heutigen Nationalratssitzung . Die Abgeordneten sahen die Politik hier gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den digitalen Wandel, der bereits im Gange ist, ökonomisch und sozial verträglich zu gestalten. Das umfasst die Bedingungen für innovative Unternehmen, die Gestaltung von Arbeitsplätzen und die Lohnentwicklung. Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Jörg Leichtfried erklärte, dass sich Österreichs Industriesektor im internationalen Wettbewerb gut gehalten habe. Nun gelte es, die Potenziale der Industrie 4.0 zu nützen. Österreich habe es in der Hand, bei diesen Entwicklungen vorne dabei zu sein. Dabei müsse aber stets der Mensch im Mittelpunkt stehen.

SPÖ: Digitalisierung braucht soziale Agenda

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder stellte einleitend fest, dass Standortpolitik bedeute, die zukünftigen Entwicklungen zu beachten. Digitaler Wandel der Industrie 4.0 heiße immer stärkerer Einsatz von Computertechnik in der Produktionskette. Das verändere Produktionsweisen und das soziale Leben. Die Herausforderung sei dabei, die wissensbasierte Gesellschaft fair zu gestalten. Den Arbeitskräfte drohe vielfach die Prekarisierung und der Verlust von sozialer Sicherheit. Die Digitalisierung brauche daher eine soziale Agenda.

Österreich investiere intensiv in Forschung und Entwicklung. Die Mittel für das Projekt Silicon Austria wurden aufgestockt und auch die Förderung hochinnovativer Start Up Projekte. Der Industriestandort Österreich sei effizient, innovativ, ökologisch und sozial, um im internationalen Wettbewerb aber weiter zu bestehen, müsse er vor der Anwendung unfairer Dumpingmethoden geschützt werden. Schieder sah auch Antworten im Steuersystem erforderlich, um den Industrie- und Wirtschaftsstandort und zugleich lebenswerte Bedingungen zu erhalten.

Wolfgang Katzian (S) hob die massiven sozialen Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle, neuer Abläufe in der Produktion und Änderungen der Wertschöpfungskette hervor. Österreich besitze mit der Plattform 4.0 ein Forum, das sich diesen Herausforderungen widmet. Technologischer Wandel war immer auch ein Kampf um gerechte Verteilung der Arbeit und technischer Fortschritt muss immer auch mit sozialem Fortschritt Hand in Hand gehen, unterstrich Katzian. Jene, die von der Digitalisierung profitieren, müssten auch einen Beitrag zu Sicherung der sozialen System leisten. Das bedeute Regulierungen auf europäischer Ebene, eine Reduzierung der Arbeitszeit und die Sicherung angemessener Einkommen.    

Für die Veränderungen der Arbeitswelt durch das Internet brauche es Rahmenbedingungen, der EU fehle aber derzeit noch ein klarer rechtlicher Rahmen für Internet-Unternehmen, stellte Elisabeth Hakel (S) fest. Antworten brauche man auch im Bereich Ausbildung, gefragt seien vor allem TechnikerInnen. Programmieren müsse früh erlernt und ein Lehrberuf werden. Junge Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, müssten besser unterstützt werden, forderte Hakel. Das Start-Up-Paket solle daher um einen Start-Up Campus in Wien erweitert werden, wo junge Unternehmen mit etablierten Unternehmen in Verbindung treten können.

Leichtfried: Österreichs entscheidet, ob es vorne dabei sein wird

Für Verkehrsminister Jörg Leichtfried steht fest, dass Digitalisierung und Industrie 4.0 faszinierende Möglichkeiten bieten. Österreich sei in der Digitalisierung sehr gut aufgestellt. Bei Breitbandausbau und plane 4G-Mobilfunk gehöre man zu den Frontrunnern in Europa. Österreich habe als ein Land mit immer noch starkem Industriesektor den globalen Wettbewerbe gut bestanden. Nun müsse man aber weiterdenken. Die Industrie 4.0-Anwendungen haben laut einer Studie von McKinsey in Österreich ein Potenzial von 14 Mrd. € an zusätzlichem Umsatz und 10 Mrd. € Effizienzpotenzial. Mit der Plattform 4.0 besitze man ein weltweit einzigartiges Gremium, das Wirtschaft, ArbeitnehmerInnen, Interessensvertretungen, Forschung und Wissenschaft zusammenbringt. "Wir können entscheiden, ob wir nur mitschwimmen, oder ob wir vorne dabei sind", betonte Leichtfried. Hier setze die Bundesregierung klare Schwerpunkte, etwa mit Silicon Austria, damit Österreich ein Standort für Elektronikprodukte auf Weltniveau wird.

Bei all dem müsse aber der Mensch im Mittelpunkt stehen, betonte Leichtfried. Die zentrale Frage sei daher, was der Wandel für Arbeitsplätze und ArbeitnehmerInnen bedeutet. Er sehe dabei weniger die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen, da laufend neue Jobs entstehen. Diese Entwicklung biete die große Chance, industrielle Produktion wieder nach Österreich zurückzuholen. Die Herausforderungen liegen in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung, um die neuen Berufe auch ausüben zu können. Digitale Kompetenz sei dabei als ein Bündel von verschiedenen Kompetenzen zu verstehen, die in verschiedenen Bereichen erworben werden. Für Leichtfried ist es ein zentrales Anliegen, das Interesse an Technik zu fördern, vor allem auch von Frauen.

ÖVP sieht Chance in der Flexibilisierung der Arbeitswelt

Die Chancen des technologischen Wandels betonte Eva-Maria Himmelbauer (V). Dazu sei die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen wichtig, etwa der Ausbau der Infrastruktur mit Bedacht auf künftige Entwicklungen, wie die 5G- Mobilfunknetze. Eine der Herausforderung sei auch, innovative Unternehmen zu fördern. Arbeitsformen verändern sich, Berufswechsel werde in Zukunft häufiger vorkommen. Lebenslanges Lernen sei ebenso bereits Realität wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die auch von ArbeitnehmerInnen gewünscht wird. Ein besonders wichtiges Thema ist Bildung und der Erwerb von Kompetenzen. Derzeit fehlen Fachkräfte im IKT-Bereich.

Politik muss sich Zukunftsthemen widmen, sagte Andreas Hanger (V), dazu gehört die Digitalisierung, die den Arbeitsalltag verändert. Auch die Shared Economy biete Chancen, wenn Wettbewerbsgleichheit für traditionelle Anbieter hergestellt wird. Chancen sieht Hanger für eine selbständige Gestaltung der Arbeitszeit, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für den ländlichen Raum.

FPÖ: Regierung muss sich den Herausforderungen endlich stellen

Auch Gerhard Deimek (F) sah technologischen Wandel zuerst einmal als Chance. Durch Big Data und Industrie 4.0 Hier entstünden auch neue Sicherheitsfragen. Die Bundesregierung stellt sich seiner Ansicht nach dieser industriellen Revolution jedoch nicht, weder bei der Infrastruktur, wie dem Breitbandausbau, noch im Bildungssystem. Die Bildungsstandards würden im Gegenteil sinken, beklagte Deimek. Die MINT-Fächer müssen daher mehr gefördert und höheres Prestige erhalten als geisteswissenschaftliche Orchideenfächer. Deimek sieht nicht zuletzt durch Mangel an Innovation Österreichs Industrie unter Druck stehen. Um sich den Herausforderungen stellen zu können, müsse die Politik mehr Personen mit Erfahrung aus der Industrie in beratende Funktionen holen.

Die Verbesserung der Rahmenbedingungen, wie Infrastruktur und Bildungssystem müssen laufend geschehen, betonte Andreas Karlsböck (F). Das Bildungssystem zeige jedoch immer schlechtere Ergebnisse. Karslböck sieht darin ein Versagen der Pädagogik. Diese müsse wieder mehr auf Fördern und Fordern abstellen. Das Erfolgsmodell Fachhochschule zeige vor, wie es gehe. Die FPÖ werde demnächst auch ein Programm für den akademischen Nachwuchs präsentieren. Österreich müsse die geistige Stagnation Überwinden und eine leistungsorientierte Universitätslandschaft schaffen. Es gelte auch, bürokratische Hürden zu beseitigen, die die Ansiedlung kreativer Unternehmen behindern. Nur so könne ein neuer Gründerzeitgeist entstehen.

Grüne: Innovation braucht Offenheit

Tempo und Dynamik des Strukturwandels nehmen zu, stellte Ruperta Lichtenecker (G) fest. Das bedeute neue Anforderungen in der Arbeitswelt und Herausforderungen für das Sozial- und Steuersystem. Big Data als neuer Rohstoff werfe die Frage der Datensicherheit auch. Auch Fragen wie Klimaschutz, demographische Entwicklung und Migration brauchen Antworten durch Innovation. Innovation setze jedoch Offenheit voraus, das bedeute auch, dass man technische und geisteswissenschaftliche Fächern nicht gegeneinander ausspielen dürfe, meinte sie in Richtung von Abgeordnetem Deimek. Das Parlament können einen wichtigen Beitrag durch den Ausbau der Technikfolgenabschätzung in der Gesetzgebung leisten. Lichtenegger forderte eine digitale Strategie 2025, um an die Spitze zu kommen und dort bleiben.

Matthias Köchl (G) sah viele offene Fragen, wenn es um die Rahmenbedingungen der neu entstehenden Sharing Economy geht. Im Vordergrund müsse immer der Mensch stehen. So gebe es neue ethische Fragen, die durch die Automatisierung und durch soziale Medien entstehen. Die Schulung von Medienkompetenz sieht Köchl als unumgänglich an. Befassen müsse man sich auf mit der Frage der angemessene Bezahlung der Arbeitskräfte in neuen Berufsfeldern und wer bei verstärktem Einsatz von Robotern künftig die Arbeits- und Sozialabgaben bezahle.

NEOS: Chancen der Sharing Economy nützen

Für Nikolaus Alm (N) ist es wichtig, die Chancen der Digitalisierung zu erkennen. Durch sie würden ökonomische Nischen nutzbar und könnten Kapazitäten anders verteilt und neue Märkte erschlossen werden. Die Folgen seien bereits jetzt sichtbar, im Medienbereich gebe es durch die Änderung des Werbemarkts starke Umbrüche. Teilweise habe Österreich die Entwicklungen bereits verschlafen, meinte Alm. Die Frage sei daher, wie die Gesetzgebung hier Schritt halten und auf die Zukunft gerichtet planen könne. Das sei notwendig, um die Chancen, die sich aus der Shared Economy ergeben, nutzen zu können.

Die Diskussion über den digitalen Wandel werde stark von Buzzwords und Phrasen dominiert, die oft eine grundsätzlich negative Haltung gegenüber Veränderung zum Ausdruck bringen, meinte seine Fraktionskollegin Claudia Angela Gamon (N). Diese Einstellung müsse verändert und die kreative Zerstörung als Voraussetzung der Entstehung von Neuem akzeptiert werden. Neue Möglichkeiten der Beschäftigung sind für Gamon ein solcher positiver Effekt. Allerdings sei es auch die Fähigkeit der Gesellschaft, zu bewerten, was an den Entwicklungen positiv oder negativ ist und wie wissenschaftliche und technische Innovationen am besten eingesetzt werden. Gamon nannte dazu das Beispiel der Gentechnik. Hier muss eine öffentliche Debatte darüber geführt werden, die aber leider zu wenig stattfinde.

Team Stronach: Nicht Ängste schüren, sondern Lösungen finden

Robert Lugar (T) begann mit einem historischen Rückblick und konstatierte, dass die Verdrängung von traditioneller Arbeit durch Maschinen immer Teil des technischen Fortschritts war, ebenso, dass dafür andere Arbeitsplätze entstanden sind. Die Sozialdemokratie schüre jedoch vor allem die Ängste vor diesen Entwicklungen. Das wahre Problem sieht Lugar in einer Politik, die nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Aus seiner Sicht überwiegen die positiven Seiten des digitalen Wandels, er biete längerfristig die Chancen, dass unangenehme Arbeiten von Maschinen übernommen werden.

Äußerst kritisch sieht Leopold Steinbichler (T) den digitalen Marktplatz des Internets. Dieser sei nicht nur die Chance neuer Vertriebsmöglichkeiten, sondern berge auch Gefahren, wie die Steuervermeidung der großen Internet-Konzerne oder zunehmende Internet-Kriminalität. Österreich dürfe sich nicht einem Raubtier-Kapitalismus ausliefern, der die Menschlichkeit aus den Betrieben vertreibe. Mit nachhaltiger Produktion habe Österreich aber die Chance, ein erfolgreiches Gegenmodell zu schaffen.

Der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler stellte die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Mittelpunkt seiner Wortmeldung. Dazu gehöre aber auch, dass diese Arbeit entsprechend bezahlt wird und den Lebensunterhalt sichern kann. (Fortsetzung Nationalrat) sox