Parlamentskorrespondenz Nr. 97 vom 06.02.2017

EU will stärkere Akzente in der Nachbarschaftspolitik setzen

Sebastian Kurz legt außenpolitische Jahresvorschau der Union vor

Wien (PK) – Die Europäische Union will ihren Fokus verstärkt auf die Nachbarschaftspolitik richten und damit auf die im Zuge der Flüchtlingsbewegung zunehmende Interdependenz zwischen der Union und ihren Nachbarstaaten reagieren. Das von Sebastian Kurz vorgelegte aktuelle außenpolitische Jahresprogramm der Union (III-352 d.B. und III-615-BR/2017) unterstreicht überdies auch den Zusammenhang von Entwicklungszusammenarbeit und Migration, wobei Österreich vor allem die Frage der Kooperation der Partnerstaaten bei der Rückführung abgelehnter AsylwerberInnen anspricht. Zum Thema EU-Erweiterung stellt das umfangreiche Papier einmal mehr klar, dass die westlichen Balkanstaaten auch 2017 eine außen- und europapolitische Priorität Österreichs bleiben.   

Differenzierung und gemeinsame Verantwortung im Umgang mit den Partnerländern

Der Bericht enthält zunächst ein Bekenntnis zu einer Nachbarschaftspolitik, die auf stärkerer Differenzierung und mehr gemeinsamer Verantwortung aufbaut. Damit soll einerseits der Erkenntnis, dass nicht alle Partner EU-Regeln und Standards übernehmen wollen, und andererseits den Wünschen der einzelnen Länder hinsichtlich Art und Ausrichtung der Partnerschaften mit der Union Rechnung getragen werden, heißt es programmatisch. In diesem Sinn will die EU die Bemühungen um Förderung guter Regierungsführung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sowie den Kampf gegen Korruption fortsetzen. Zudem zielt die EU-Nachbarschaftspolitik auch auf eine stärkere Einbindung der Nachbarn der Nachbarn ab.    

Europäische Perspektive als Motor für Reformen auf dem Westbalkan

Die Erweiterung bleibt auf der Agenda der Union. Die Erfahrung zeige, dass die europäische Perspektive nach wie vor der wichtigste Motor für die Stabilisierung und Entwicklung der Länder des westlichen Balkans ist, betont der Bericht. Gerade für Österreich sei die Region aufgrund der geographischen Nähe, der aktuellen Herausforderungen durch die Migration, der engen wirtschaftlichen Verflechtung und historischen Verbundenheit von besonderer Bedeutung. Die Union setzt dabei auf Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen als Wegbereiter für Reformen und kündigt ferner für 2017 eine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit Montenegro und Serbien im Sinne einer Öffnung weiterer Verhandlungskapitel an.

Türkei: Österreich will maßgeschneiderte Partnerschaft statt Vollbeitritt

Die Türkei wird im Bericht einmal mehr als "Sonderfall" bezeichnet. Österreich setzt sich weiterhin für eine maßgeschneiderte Partnerschaft der EU mit Ankara anstelle eines Vollbeitritts ein. Unter Hinweis auf die dramatischen Entwicklungen im Gefolge des Putschversuchs erinnert das Papier an die Forderung Wiens nach einem aktiven Einfrieren der Beitrittsverhandlungen, über die auf EU-Ebene allerdings kein Konsens erzielt werden konnte. Seitens der Union wurde dazu in einer Vorsitzerklärung allerdings ausdrücklich betont, dass unter den derzeit herrschenden Umständen nicht in Betracht gezogen werden könne, neue Verhandlungskapitel zu eröffnen.

Russland-Sanktionen: Kurz für schrittweise Lockerung bei sichtbaren Fortschritten

Was den Konflikt in der Ostukraine betrifft, bezeichnet der Bericht die Umsetzung des Minsker Abkommens weiterhin als vorrangiges Ziel. Die Union werde sich auch 2017 für eine nachhaltige Lösung der Krise einsetzen, die auf der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine beruhen muss, heißt es dazu. Die Sanktionen gegen Russland sollen im Sommer 2017 neuerlich überprüft werden. Österreich plädiert in diesem Zusammenhang für ein System des Ansporns anstelle eines Systems der Bestrafung. Für jeden sichtbaren Fortschritt bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sollte demnach eine schrittweise Lockerung der Sanktionen erfolgen.

Migration: Österreich pocht auf Rückführungsabkommen mit den nordafrikanischen Staaten

Die Entwicklungszusammenarbeit wiederum will Österreich mit einer klaren Erwartungshaltung gegenüber den Partnerländern verbinden, wobei der Bericht von Sebastian Kurz vor allem auch den Konnex mit der Migrationspolitik anspricht. Wenn ein Drittstaat bei der Rückführung abgelehnter AsylwerberInnen keine Kooperation zeigt, sollte er mit Abstrichen bei den EZA-Mitteln aus der EU zu rechnen haben, unterstreicht der Bericht die Haltung des Außenministeriums. Österreich unterstützt ausdrücklich den Plan der Union, die gezielte Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten im Bereich Migration 2017 weiter auszubauen und dabei Maßnahmen im Kampf gegen Schlepper und zum Aufbau von Schutzkapazitäten in Nordafrika zu setzen. Große Bedeutung misst Wien in diesem Zusammenhang dem Abschluss formeller Rückführungsabkommen mit den betroffenen Staaten zu. (Schluss) hof