Parlamentskorrespondenz Nr. 138 vom 15.02.2017

Kulturausschuss debattiert Lage des österreichischen Musikschaffens

Kulturminister Drozda für Überbrückungsfinanzierung der Verwertungsgesellschaften bei Andauern des Amazon-Rechtsstreits

Wien (PK) – Bessere Bedingungen für österreichische Musikschaffende und die Erhaltung des Erscheinungsbildes der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe waren heute Thema im Kulturausschuss. In einer Aussprache mit den Abgeordneten kündigte Kulturminister Thomas Drozda Gespräche mit den Stakeholdern über neue, effektivere Fördermöglichkeiten an und meinte, sollte der anhängige Rechtsstreit zwischen Amazon und den künstlerischen Verwertungsgesellschaften andauern, werde sein Ressort für eine Überbrückungsfinanzierung sorgen.

Mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP vertagt wurden mehrere Anträge der Grünen und der NEOS. Scharfe Kritik übt der Kultursprecher der Grünen Wolfgang Zinggl weiterhin an den Hochhausplänen auf dem Areal des Wiener Eislaufvereins, die aus seiner Sicht den Weltkulturerbe-Status der Wiener Innenstadt gefährden. Zudem erneuerte er die Forderung nach Ausweitung des parlamentarischen Interpellationsrechts auf Tochterunternehmen von Bundesgesellschaften. Zinggl spricht sich in einem weiteren Antrag zudem für ein neues Urhebervertragsrecht aus. Die NEOS fordern mehr Transparenz in der Gebarung des Leopold-Museums und der zugehörigen Privatstiftung sowie eine Aktualisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF.

Drozda will neue Fördermöglichkeit österreichischen Musikschaffens

Im Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache mit Kulturminister Thomas Drozda standen Probleme der zeitgenössischen österreichischen Musiklandschaft. Kulturminister Thomas Drozda verwies darauf, dass der Bund, beziehe man die Förderung großer Musikeinrichtungen und Festspiele mit ein, insgesamt jährlich an die 120 Mio. € für Musikförderung aufwende. Er werde nach dem Vorbild der Filmwirtschaft auch das Gespräch mit Stakeholdern der Musikbranche suchen, um daraus Vorstellungen zu gewinnen, wie neue Fördermodelle besonders für junge KünstlerInnen und kleine VeranstalterInnen aussehen könnten. Er werde dabei sicher auch Fragen, die das regionale Musikwesen und die die Nachwuchsförderung betreffen, aufwerfen, versicherte er den Abgeordneten Karlheinz Töchterle (V) und FPÖ-Kultursprecher Walter Rosenkranz. Das betreffe auch die Förderungen lokaler Musikvereine und des Musikschulwesens.

Einige Maßnahmen plane die Bundesregierung bereits aufgrund des neuen Regierungsübereinkommens, teilte Drozda den Abgeordneten mit, wie einer Erhöhung der Förderungen von Tourneen. Auch ein Schwerpunkt für Frauen in der Musik sei geplant, erfuhr Gisela Wurm (S). Für Maßnahmen zur Stärkung des Musikstandortes analog zum Filmstandort Österreich sei er aufgeschlossen, versicherte er SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel. Hier sei aber das Wirtschaftsministerium gefragt.

Angesprochen wurde auch die Umsetzung der Festplattenabgabe und die Problemen mit der Firma Amazon, mit der in dieser Frage derzeit ein Rechtsstreit anhängig ist. Drozda sagte, falls der Streit sich hinziehe, wolle er mit einer Überbrückungsfinanzierung für die Verwertungsgesellschaft Austria Mechana eine Auszahlung an die KünstlerInnen ermöglichen. Je nachdem, wie das Urteil letztlich ausfällt, werde er entsprechende Maßnahmen setzen, betonte er gegenüber dem Kultursprecher der Grünen Wolfgang Zinggl. Vorher wolle er aber keine spekulativen Aussagen über Änderungen bei der Festplattenabgabe treffen. Drozda stimmte NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Alm grundsätzlich zu, dass man aufgrund geänderter technischer Bedingungen für die Verbreitung von Musikwerken auch neue Formen der Vergütung suchen müsse. Die digitalen Entwicklungen kämen rasch an einen Punkt, an dem die Frage neuer Finanzierungsmodelle für Verwertungsgesellschaften einer technischen Lösung zugeführt werden könne. Er erwarte eine gesetzliche Umsetzung daher in der nächsten Legislaturperiode.

Gesetzliche Quotenregelung für österreichische Musik, wie FPÖ-Abgeordneter Josef Riemer fordere, seien aufgrund von EU-Vorgaben nicht möglich, sagte Drozda. Der Minister stimmte Abgeordneter Hakel zu, dass sich in anderen Ländern freiwillige Quoten bewährt hätten, auch in Österreich habe man damit bereits erste Erfolge erzielt.

Zur Frage von Ulrike Weigerstorfer (T), welchen Einfluss die Abkommen CETA und TTIP auf den Kulturbereich haben, stellte Drozda fest, CETA verweise ausdrücklich auf das UNESCO-Kulturabkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, es sei keine Gefährdung der Kulturlebens zu befürchten, für TTIP sehe er ohnehin derzeit keine Aussichten auf einen Abschluss.

Grüne sehen Wiens Weltkulturerbe-Status weiterhin in Gefahr

Neuerlich scharfe Kritik übte der Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl an Hochhausplänen in der Wiener Innenstadt, die dazu führen könnten, dass Wien den Status "Weltkulturerbe" für die Wiener Innenstadt unwiederbringlich verliert. Er erneuerte den Antrag, dass der Kulturminister dagegen auftreten soll (1811/A(E)) und fragte nach, was hier geschehen sei.

Grundsätzlich bestand in der Debatte Übereinstimmung zwischen den Fraktionen, dass die Frage der Umsetzung des Bauprojekts bei der Stadt Wien angesiedelt ist. ÖVP-Kultursprecherin Maria Fekter meinte, Zinggl müsse daher auch auf kommunaler Ebene auf seine ParteifreundInnen einwirken. Nikolaus Alm sah die anhaltende Debatte als Zeichen eines Versagens der Wiener Stadtpolitik. Er teile die Bedenken gegen das konkrete Projekt nicht, sondern befürchte eher, dass das Schlagwort "Weltkulturerbe" zum Vorwand genommen werde, um eine moderne Stadtentwicklung zu behindern.

Harald Troch (S) meinte hingegen, er teile den Standpunkt Zinggls und sehe das Projekt sehr kritisch. Positiv sei, dass eine Debatte in Gang gebracht wurde und die Nachdenkpause bereits eine Änderung in die richtige Richtung angestoßen habe. Wendelin Mölzer (F) befürchtete, dass die Nachdenkpause nichts gebracht habe. Vielmehr öffne der geplante neue Flächenwidmungsplan Tür und Tor für weitere Hochhausprojekte rund um die Wiener Innenstadt.

Kulturminister Thomas Drozda erklärte, er habe viele Gespräche in der Frage des Weltkulturerbes geführt, seine Zuständigkeit stoße aber an Grenzen. Er habe wenig Verständnis für die derzeitige Situation, in der er grundsätzlich für die Einhaltung der Verträge zum Schutz des Weltkulturerbes verantwortlich gemacht werde, da ein Staatsvertrag der UNESCO mit der Republik Österreich bestehe. Aufgrund des Föderalismus habe er aber begrenzte Möglichkeiten der Einflussnahme. Um diesen Widerspruch zu lösen, trete er grundsätzlich dafür ein, in Fragen des Weltkulturerbes eine klare Bundeskompetenz zu schaffen.

Walter Rosenkranz (F) stimmte dem Minister zu, dass der grundsätzliche Widerspruch in der Verteilung von Verantwortung und Kompetenzen für den Erhalt des Weltkulturerbes gelöst werden müsse. ÖVP-Abgeordnete Maria Fekter und ihr Parteikollege Friedrich Ofenauer zeigten sich hingegen skeptisch, dass eine Bundeskompetenz für den Erhalt des Weltkulturerbes die Lösung darstellen könne, da damit faktisch viele Fragen des Baurechts und der Flächenwidmung im Zuständigkeitsbereich der Länder berührt wären.

Was die Einholung eines internationalen Gutachtens zum geplanten Dachausbau in der Wiener Schwertgasse sowie den Kataster historischer Dachstühle in Wien betreffe, so stehe er selbstverständlich auf dem Standpunkt, dass beide auch Verbindlichkeit haben sollten, teilte der Kulturminister Abgeordnetem Zinggl mit. Zu den Vorwürfen von Verstößen gegen Compliance-Richtlinien bei Auftragsvergaben durch das Bundesdenkmalamt, die Zinggl ebenfalls angesprochen hatte, stellte Drozda fest, eine Überprüfung habe diese Vorwürfe nicht erhärtet.

Grüne für Ausweitung des Interpellationsrechts von Abgeordneten auf Tochtergesellschaften von Bundesbetrieben

Erneut auf der Agenda des Kulturausschusses stand ein Antrag der Grünen, der als Konsequenz für die Entwicklungen bei den Bundestheatern zu sehen ist. Abgeordneter Wolfgang Zinggl erklärte, das parlamentarische Interpellationsrecht müsse auf Tochterunternehmen von im Bundesbesitz befindlichen Gesellschaften ausgeweitet werden (241/A(E)). Das betreffe vor allem die Tochtergesellschaften der Bundestheater-Holding. Die Forderung nach Ausweitung des Interpellationsrecht wurde von Nikolaus Alm (N) nachdrücklich unterstützt.

ÖVP-Abgeordnete Beatrix Karl verwies darauf, dass das Interpellationsrecht gemeinsam mit dem Thema Informationsrecht im Verfassungsausschuss diskutiert wird. Maria Fekter (V) sagte, sie trete für mehr Information der Abgeordneten ein, doch sei wichtig, dass sichergestellt ist, dass diese in weiterer Folge mit vertraulichen Informationen, wie etwa Betriebsgeheimnissen, auch tatsächlich die Vertraulichkeit wahren. In der Vergangenheit sei das oft nicht der Fall gewesen. Kulturminister Thomas Drozda betonte, er spreche sich für die konsequente Umsetzung der Informationsfreiheit aus. Derzeit werde auf Ebene der Klubs darüber diskutiert, er selber trete mit Nachdruck gegen jede Geheimniskrämerei auf.

Grüne: Urhebervertragsrecht zugunsten von Kunstschaffenden verbessern

Wolfgang Zinggl setzt sich auch für eine Stärkung von Kunstschaffenden in Vertragsverhandlungen ein (1812/A(E)). Die derzeitige Rechtslage erzeuge eine Schieflage zwischen den VerhandlungspartnerInnen, was die UrheberInnen zu vielen Zugeständnisse nötigt, kritisiert er. So würden etwa Urheberrechte immer pauschal abgetreten und Ausstellungen nicht vergütet. Zinggl sieht die Notwendigkeit für ein neues Urhebervertragsrecht, das KünstlerInnen eine bessere Verhandlungsposition und einen gerechten Anteil an der Verwertung ihrer Werke sichert.

ÖVP-Kultursprecherin Maria Fekter vertrat die Ansicht, das Vertragsrecht dürfe nicht leichtfertig eingeschränkt werden. Der Justizminister werde demnächst Gespräche mit betroffenen Gruppen führen, um weitere Verbesserungen für KünstlerInnen zu diskutieren. Ihre Fraktionskollegin Martina Diesner-Wais wies auf die ausstehende EU-Richtlinie zum Urhebervertragsrecht hin. Skeptisch stand FPÖ-Kultursprecher Walter Rosenkranz dem Vorschlag der Grünen gegenüber, da dieser auf eine Art Kollektivvertrag für KünstlerInnen hinauslaufe.

Katharina Kucharowits (S) und SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel betonten, das Urhebervertragsrecht müsse dringend reformiert werden. Ein Vorschlag seitens des Justizministers werde hoffentlich bald vorliegen. Wolfgang Zinggl (G) kritisierte, mit Verweis auf eine zu erwartenden EU-Richtlinie werde die Frage immer weiter verschoben. Österreich sollte jedoch endlich selbstständig tätig werden, um ein aktuelles Urheberrecht zu erreichen. Dem stimmte auch Ausschussobmann Nikolaus Alm zu.

NEOS für transparentere Gebarung des Museums und der Sammlung Leopold

Das Leopold Museum agiere nach dem Prinzip einer Privatstiftung, sei aber strukturell ein Bundesmuseum, kritisieren die NEOS. Für Institutionen diese Art gelte derzeit aber weder das parlamentarische Interpellationsrecht noch das Kunstrückgabegesetz des Bundes. Diese Sicht teilt auch Wolfgang Zinggl (G). Die NEOS fordern daher neue rechtliche Rahmenbedingungen für Kulturstiftungen nach dem Privatstiftungsgesetz (943/A(E)). Zu überlegen sei auch, das Interpellationsrecht auf jene Privatstiftungen, in die der Bund die Mehrheit der Stiftungsvorstände entsendet, auszuweiten, sagte Nikolaus Alm (N) und bekräftigte die Forderungen seiner Vorgängerin im Ausschuss, NEOS-Mandatarin Beate Meinl-Reisinger. Elisabeth Hakel (S) verwies auf das geplante Weißbuch Museen, das Fragen wie den Status des Leopold-Museums ansprechen werde, und war für die Vertagung des Antrags.

NEOS wollen Teilnahme der BürgerInnen an Festlegung der ORF-Inhalte

Eine Aktualisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF hält NEOS-Abgeordneter Nikolaus Alm für dringend geboten. Seine Vorstellung dazu ist die Teilnahme der BürgerInnen an einer laufenden Aktualisierung und Neudefinition eines Katalogs öffentlich-rechtlicher Inhalte des ORF. Dazu solle per Gesetz ein von Parteipolitik befreiter "Public Value"-Beirat der GebührenzahlerInnen eingerichtet werden (1539/A(E)).

Skeptisch standen Maria Fekter (V) und Walter Rosenkranz (F) dem Antrag der NEOS gegenüber, da unklar sei, wie der Beirat besetzt werden sollte und welche Befugnisse er hätte. Elisabeth Hakel (S) sah den Kulturausschuss nur partiell als zuständig, das Thema wäre im Verfassungsausschuss zu behandeln. Wolfgang Zinggl sprach sich daher für die Zuweisung an den Verfassungsausschuss aus. Dieser Antrag kam aber, da dem Vertagungsantrag von Hakel stattgegeben wurde, nicht zur Abstimmung. (Schluss) sox


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