Parlamentskorrespondenz Nr. 290 vom 16.03.2017

Länderkammer beschäftigt sich mit außenpolitischer Agenda Österreichs und der EU

Keine Einwände gegen EU-Partnerschaftsabkommen mit Neuseeland und Kasachstan; Kurz fordert Entscheidung über Kürzung der Familienbeihilfe

Wien (PK) – Im Zentrum der heutigen Bundesratsdebatte über die Außenpolitische Agenda Österreichs und der EU stand die Flüchtlings- und Migrationskrise im Jahr 2015. Außenminister Sebstian Kurz machte dabei einmal mehr im Parlament geltend, dass das staatlich organisierte "Weiterwinken" von Flüchtlingen die falsche Politik gewesen sei. Zumal es nicht dazu geführt habe, dass im Mittelmeer weniger Menschen ihr Leben verlieren. Nach Schließung der Westbalkanroute kommen laut Minister um 98% weniger AsylwerberInnen über diesen Weg nach Österreich. Nun sei es notwendig, diese Politik auch bei der Mittelmeerroute anzuwenden, meinte Kurz. Wer an der EU-Außengrenze illegal ankommt, müsse gestoppt, versorgt und zurückgeschickt werden. Er spricht sich für einen entsprechenden gemeinsamen Weg der Union aus.

Thema war in der Länderkammer auch die von der ÖVP angestrebte Kürzung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder. Kurz hofft dabei auf eine baldige Entscheidung. "Irgendwann ist es notwendig, sich zu entscheiden", forderte er in Richtung Koalitionspartner ein.

Beim Thema Brexit sei es essentiell, dass die EU gegenüber Großbritannien geschlossen auftritt und alle 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Verhandlungsposition einnehmen. In der Frage, wohin sich die Union entwickeln soll, bekräftigte Kurz seine Vorschläge zum Modell der Subsidiarität.

Von der Länderkammer wurden außerdem zwei EU-Partnerschaftsabkommen mit Neuseeland und Kasachstan einhellig gebilligt.

Opposition bemängelt EU-Arbeitsprogramm 2017

Kritik am EU-Arbeitsprogramm des Außenressorts für 2017, dessen Fokus etwa auf stärkere Akzente in der Nachbarschaftspolitik liegt, äußerten die BundesrätInnen der Opposition. Für die Freiheitliche Monika Mühlwerth (F/W) enthält das Programm zu viele Absichtserklärungen, die sich stets wiederholen würden. Bereits seit Jahren höre man, dass die EU bürgernäher und effizienter werden müsse, bemängelte sie. Für Mühlwert ist die EU außerdem in vielen Bereichen überschießend: "Sie schafft es nicht, die EU-Außengrenzen zu sichern, aber weiß, wie eine Allergen-Verordnung funktioniert". Bedenken äußerte sie außerdem gegenüber Balkan-Erweiterungsplänen der EU. Gegenüber der Türkei fordert sie klare Worte von der Union, EU-Fördergelder sollten außerdem an Rückführungsabkommen geknüpft werden.

Ebenfalls kritisch, aber inhaltlich konträr zur FPÖ äußerte sich Heidelinde Reiter (G/S). Ein wichtiger Fokus im Bericht sei zwar Migration, die ganze Thematik sei aber lediglich von Sicherheitspolitik dominiert, bedauerte sie. Es sei traurig und schade, dass Lösungen wie die Behebung von Problemherden nicht ernsthaft diskutiert würden. Neben klaren Positionierungen Österreichs vermisst Reiter im Bericht v.a. auch Themen wie die Hungersnot in Afrika.

Anders als jenes von der Opposition fiel hingegen das Urteil der SPÖ- und ÖVP-Bundesräte aus. "Ein Arbeitsprogramm ist eben ein Arbeitsprogramm", entgegnete etwa Edgar Mayer (V/V) der Ankündigungskritik seitens der FPÖ. Für ihn sind es nicht nur Absichtserklärungen oder Kopien aus dem vorigen Jahr. "Das Programm klingt gut, ist gut und ist inhaltlich hervorragend", sagte er. Grundsätzlich unterstütze er das Vorhaben der stärkeren Nachbarschaftspolitik auch am Westbalkan, es sei aber noch zu früh, um in dieser Region über Beitrittsverhandlungen zu reden. Eine große Herausforderung für Österreich sieht Mayer in den herankommenden Brexit-Verhandlungen. Punkte, die vorangetrieben werden sollten, seien v.a. die Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationskrise sowie Verhandlungen rund um Rückübernahmeabkommen.

Die Kritik der Opposition ließ auch Stefan Schennach (S/W) nicht gelten. Viele Vorhaben seien mehrjährige Programme, außerdem habe Österreich in vielen Bereichen – etwa, wenn es um Atomkraftwerke in Ungarn geht – klare Stellungnahmen abgegeben, machte er in Richtung Mühlwerth und Reiter geltend.

Bundesrat blickt auf Flüchtlingskrise 2015 zurück

Einen Rückblick auf das Jahr 2015, und hier vor allem auf die Flüchtlings- und Migrationskrise im Sommer bzw. Herbst, machten die BundesrätInnen auf Grundlage des Außen- und Europapolitische Bericht 2015. "Der Migrationsstrom ist 2015 über uns hereingebrochen", meinte dazu Monika Mühlwerth (F/W). Das "Durchwinken" sei keine gute Lösung gewesen, zudem könne Österreich nicht die ganze Welt retten. Die Probleme der EU seien seitdem mannigfaltig, ihre eigentlich wichtigste Aufgabe sei der Schutz der EU-Außengrenzen. In Sachen Russland-Sanktionen forderte Mühlwerth zudem eine Politik mit Augenmaß ein. Auch bei der Integrationspolitik fand die Bundesrätin klare Worte: "Wer nicht integrationswillig und -fähig ist, muss wieder Nachhause fahren".

Für Susanne Kurz (S/S) steht fest, dass Österreich zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 keine andere Handlungsalternative gehabt habe. "Was hätten wir tun sollen, als ihnen eine Unterkunft zu geben?", so Kurz. Sie glaube jedenfalls nicht an einfache Antworten. Essentiell sei neben der Sicherung der EU-Außengrenzen die Beseitigung der Krisenherde sowie Entwicklungszusammenarbeit bzw. humanitäre Hilfe vor Ort. Die Ursachen für die Flucht nach Europa müssten in den Griff bekommen werden. "Grenzen, Mauern und Zäune werden verzweifelte Menschen auf Dauer nicht aufhalten", sagte sie.

Auch Ewa Dziedzic (G/W) sprach sich dafür aus, dass sich Österreich aktiv dafür einsetzt, Konflikte zu lösen und neue Krisen zu verhindern. Sie stimmt mit dem Außenminister überein, wonach Österreich trotz aktueller Entwicklungen seine langfristigen Ziele in Europa und der Außenpolitik nicht aus den Augen verlieren sollte. Das bedeutet beispielsweise die Annäherung an den Westbalkan und die Fortsetzung der guten Tradition als Brückenbauer und Ort des Dialogs.

Für Ernst Gödl (V/St) hat die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 schonungslos aufgezeigt, wo die Schwächen der Europäischen Union liegen. Nach wie vor gebe es kein System, um die Außengrenzen wirksam zu kontrollieren oder Asylanträge einheitlich zu behandeln. Als Fehleinschätzung bewertete Gödl auch die "Politik des Durchwinkens", die Probleme noch verschärft hätte. Die Problemfelder aus 2015 seien Österreichs Herausforderungen von heute.

EU baut Partnerschaft mit Neuseeland und Kasachstan aus

Vom Bundesrat gebilligt wurden zwei Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Neuseeland sowie Kasachstan. Sie sollen bessere Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Handels- und Investitionsbeziehungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten schaffen. Ziel der beiden Abkommen ist außerdem die verbesserte politische Zusammenarbeit bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen, die von gemeinsamen Interesse sind.

Das umfangreiche Vertragswerk des Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kasachstan knüpft an den Beitritt Kasachstans zur WTO an und soll vor allem bessere Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Handels- und Investitionsbeziehungen schaffen. Betont werden im Abkommen zugleich die Aspekte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie nachhaltige Entwicklung.

Peter Oberlehner (V/O) meinte, dass Kasachstan für Österreich als Exportland ein wichtiger Markt sowie hinsichtlich internationaler Interventionen bei der atomaren Abrüstung ein verlässlicher Unterstützer sei. Die Verlässlichkeit Kasachstans etwa in den Handelsbeziehungen betonte ebenfalls Ewald Lindinger (S/O). Im Import spiele v.a. das Erdöl mit 25% des österreichischen Bedarfs eine wichtige Rolle. Das Abkommen schaffe ein besseres Umfeld für die Wirtschaft, außerdem gebe es dadurch mehr Rechtssicherheit und Transparenz.

Der Ausbau guter Handelswege sei zwar prinzipiell nicht schlecht, es dürfe aber nicht auf Umweltstandards vergessen werden, mahnte Christoph Längle (F/V) trotz Zustimmung seiner Fraktion ein. Eine intakte Natur müsse in Kasachstan erhalten bleiben. In Handelsfragen sei es wichtig, dass das Land Vorgaben der WTO umsetzt.

Geht es nach Ewa Dziedzic (G/W), reicht Handel allein nicht aus, um eine Region zu stärken. Kasachstan müsse sich nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene vorwärtsbewegen, sondern auch in menschenrechtlichen und demokratischen Belangen.

Neuseeland als wichtiger sicherheitspolitischer Partner für Europa

Neben der politischen Zusammenarbeit bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen soll mit Neuseeland auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit gestärkt werden.

Unter anderem ist der Abbau technischer Handelshemmnisse geplant, in den Bereichen Forschung, Bildung, Migration und Terrorismusbekämpfung soll es zu mehr sektoralen Kooperationen kommen.

Neuseeland sei nicht nur als beliebtes Reiseziel, sondern v.a. aus wirtschaftlichen Überlegungen ein für die Europäische Union und damit für Österreich bedeutendes Land, machte Peter Oberlehner (V/O) mit Verweis auf die positive Handelsbilanz geltend. Das Land sei bei internationalen Konflikten aber auch ein wichtiger Partner im pazifischen Raum. In politischer Hinsicht müsse man froh sein, verlässliche Kooperationspartner für friedliche Lösungen zu finden, meinte ebenfalls Hubert Koller (S/St). Außerdem verwiesen beide BundesrätInnen auf die seit über zehn Jahren bestehende und gute Zusammenarbeit zwischen der EU und Neuseeland, die nunmehr in ein Abkommen mündet. Der nächste Schritt sei ein Freihandelsabkommen, so Koller.

Neuseelands Rolle zur Förderung von Frieden und Sicherheit in der Welt sowie zur Bekämpfung von Terrorismus unterstrich außerdem Thomas Schererbauer (F/O). Neuseeland stehe Österreich mit seiner westlichen Ausrichtung kulturell näher, als man glaube.

Für die Grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic (G/W) ist Neuseeland ein wichtiger Partner, wenn es um Völker- und Menschenrechte geht. Positiv strich Dziedzic die seit 2014 dort bestehende Möglichkeit auf Klima-Asyl heraus. Neuseeland habe hier Weitblick, den Europa ihrer Meinung nach annehmen sollte. Grundsätzlich sprach sie sich gegen den Fokus von Einwanderungsstopps in den beiden EU-Abkommen aus. Einwanderung sei ein globales Phänomen im 21. Jahrhundert, es müssten dafür endlich geeignete Lösungen gefunden werden. (Fortsetzung Bundesrat) keg


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