Parlamentskorrespondenz Nr. 345 vom 29.03.2017

Deregulierungsgrundsätzegesetz sorgt für viel Kritik im Nationalrat

Gründung von Ein-Personen-Unternehmen wird vereinfacht

Wien (PK) – Die Gründung von Einzelunternehmen und kleinen Standard-GmbHs soll künftig einfacher werden. Wer einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH ist, wird ab 2018 keinen Notar mehr benötigen und das Unternehmen per Bürgerkarte bzw. Handysignatur registrieren lassen können. Vorausgesetzt, die physische Identifizierung wurde im Zuge der bar zu leistenden Stammeinlage von der Bank vorgenommen. Das hat der Nationalrat in seiner heutigen Sitzung beschlossen. Auch alle weiteren Schritte im Gründungsprozess sollen demnach elektronisch über das Unternehmensserviceportal (USP) abgewickelt werden können. Die Neuregelung für GmbHs ist vorerst allerdings auf drei Jahre befristet und soll vor einer Verlängerung evaluiert werden.

Eingebaut sind die neuen Bestimmungen für vereinfachte Firmengründungen in das Deregulierungsgesetz 2017. Ziel der umfangreichen Sammelnovelle mit insgesamt 25 Gesetzesänderungen sind die Reduktion von Bürokratie für Unternehmen und BürgerInnen, vereinfachte Verwaltungsabläufe und mehr elektronische Kommunikation mit den Behörden. In diesem Sinn wird etwa auch ein Rechtsanspruch auf elektronischen Behördenverkehr eingeführt sowie eine Pflicht für Unternehmen zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung ab 2020 verankert. Erleichterungen gibt es unter anderem auch für Auto- und MotorradfahrerInnen: Bei einem Wohnsitzwechsel im gleichen Kennzeichen-Bezirk wird künftig kein neuer Zulassungsschein mehr benötigt.

Vom Nationalrat verabschiedet wurde darüber hinaus das umstrittene Deregulierungsgrundsätzegesetz. Durch mehr befristete Gesetze, eine systematische Durchforstung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Notwendigkeit und eine präzise Umsetzung von EU-Vorgaben ohne darüber hinausgehende Regelungen soll die Zahl der gesetzlichen Vorschriften insgesamt reduziert und damit die Bürokratie verringert werden.

Die FPÖ nutzte die Debatte über die beiden Gesetze auch dazu, um die Umsetzung von auf Regierungsebene bereits vereinbarten Maßnahmen einzumahnen. Sie konnte sich mit einem Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen. Am Beginn der Sitzung war die Novelle zum Ökostrom-Gesetz mit Zweidrittelmehrheit von der Tagesordnung abgesetzt worden. Das Plenum folgte damit einem gemeinsamen Antrag von SPÖ, ÖVP und Grünen.

Grüne warnen vor Schuss ins eigene Knie

In der Debatte über das Deregulierungspaket sorgte vor allem das Deregulierungsgrundsätzegesetz bei der Opposition für viel Kritik und einiges an Häme. So warf Grünen-Abgeordnete Christiane Brunner der Regierung vor, mit dem Gesetz "Scheinaktivität" zu demonstrieren. Die Grünen würden auch ohne gesetzliche Vorgaben bei jedem Gesetzesvorschlag überlegen, ob er notwendig ist oder nicht und welche Wirkung er habe.

Brunner wertete es zudem als "Schuss ins eigene Knie", würde Österreich in Zukunft EU-Vorgaben nur noch nach Punkt und Beistrich umsetzen und auf "Gold Plating" verzichten. EU-Richtlinien seien ein Minimalkompromiss, mit denen ein Mindeststandard für alle EU-Länder festgelegt werde, Österreich solle aber eine Vorreiterrolle anstreben und sich nicht mit Durchschnitt begnügen, machte sie geltend und nannte als konkrete Bereiche etwa den Klimaschutz oder die Energiewende. Auch der "One in - one out"-Regelung können die Grünen wenig abgewinnen: Durch notwendige neue Regelungen würden andere nicht automatisch überflüssig, machte Wolfgang Zinggl geltend.

Sowohl Georg Willi (G) als auch Christoph Hagen (T) appellierten an die Regierungsparteien, einen stärkeren Fokus auf die Lesbarkeit von Gesetzen zu richten. Willi zitierte in diesem Zusammenhang aus der vorliegenden Novellierung der Bundesabgabenordnung und meinte, es sei "unerträglich, was wir hier produzieren."

NEOS bezweifeln Sinnhaftigkeit des Deregulierungsgrundsätzegesetzes

Kritik am Grundsatzgesetz, allerdings mit einer etwas anderen Stoßrichtung, kam auch von den NEOS. So zeigte sich Gerald Loacker irritiert darüber, dass es in der Koalition offenbar Leute gebe, die davon ausgehen, dass vorgelegte Gesetze nicht notwendig seien und nicht ausreichend geprüft würde, ob die daraus resultierenden Belastungen für BürgerInnen und Unternehmen angemessen sind. Zudem ist es seiner Meinung nach angesichts der vagen Bestimmungen ein Leichtes, gegen die Intention des Gesetzes zu verstoßen. Es handle sich tatsächlich um nicht viel mehr als um Neujahrsvorsätze, die meist am 7. Jänner schon wieder vergessen sind, hielt er in Anspielung auf ein Interview von SPÖ-Abgeordnetem Christoph Matznetter fest.

Für Loacker ist das vorliegende Gesetz in diesem Sinn selbst ein Fall, das an den eigenen Vorsätzen gemessen werden sollte: Seinem in einen Entschließungsantrag gegossenen Appell an die Regierung, bei der Vorlage von "Deregulierungsgrundsätzegesetzesvorschlägen" darauf zu achten, ob diese notwendig und zeitgemäß sind und ob die angestrebten Wirkungen nicht auch auf andere Weise erreicht werden könnten, wollte sich bei der Abstimmung allerdings nur eine Minderheit der Abgeordneten anschließen.

Zustimmung der FPÖ mit Vorbehalten

Kritisch zum Gesetz äußerte sich auch die FPÖ. Dieses enthalte lediglich Allgemeinplätze, noch dazu "mit Hintertürln", hielt etwa Axel Kassegger fest und machte darauf aufmerksam, dass sich bereits etliche Kabarettisten des Entwurfs angenommen hätten. Für ihn ist das Gesetz nichts anderes als Teil "der Marketing-Show" der Bundesregierung, wie auch generell die Regierungspolitik vor allem von Marketing und Streit geprägt sei. Außer diversen Plänen habe die Regierung bisher nichts vorgelegt, klagte er.

Dass die FPÖ dem Deregulierungsgrundsätzegesetz letztlich dennoch zustimmte, begründete Harald Stefan damit, dass "es nichts Falsches ist, was hier steht". Man könne Selbstverständlichkeiten nicht ablehnen.

SPÖ und ÖVP: Regierung handelt

Klar hinter das Gesetz stellten sich die SPÖ-Abgeordneten Christoph Matznetter und Josef Cap. Dieses sei zwar nicht die Idee der SPÖ gewesen, sagte Matznetter, seiner Meinung nach spricht aber nichts dagegen, die im Gesetz verankerten Vorsätze zu fassen. Man habe nur das in Paragraphen gegossen, was von der Opposition ständig gefordert wird, hält auch Abgeordneter Cap die vorgebrachten Einwände für nicht gerechtfertigt. Dass im Gesetz viele Konjunktive enthalten sind, begründete Matznetter damit, dass Gesetzesbeschlüsse im Sinne des freien Mandats letztlich der Entscheidung der Abgeordneten obliegen.

Auch die Kritik von Abgeordnetem Kassegger an der Regierungspolitik ließ Matznetter nicht gelten. Die "Propaganda" vom Regierungsstillstand wirke nicht mehr, betonte er. Die Regierung handle, auch die Wirtschaft fange an zu wachsen.

Auch Michaela Steinacker (V) verwahrte sich gegen den Vorwurf, dass die Regierung Scheinmaßnahmen setze. Vielmehr würden mit dem Deregulierungsgesetz 2017 konkrete Erleichterungen für Unternehmen beschlossen. Als Beispiele nannte sie die vereinfachte Unternehmensgründung und den forcierten Einsatz von elektronischen Signaturen. Auch ihr Fraktionskollege Rouven Ertlschweiger sieht viele Punkte im Gesetz, die den Betroffenen das Leben erleichtern. Bürokratie und Bevormundung gebe es in Österreich genug, meinte er, mit dem vorliegenden Gesetz würde der Forderung nach mehr Augenmaß Rechnung getragen. Auch insgesamt hält er es für zweckmäßig, Gesetze in regelmäßigen Abständen dahingehend zu prüfen, ob sie noch sinnvoll sind.

Politik will Bürgerkarte für Unternehmen attraktiver machen

Bei der Verabschiedung des Deregulierungsgesetzes 2017 wurde, wie bereits im Verfassungsausschuss angekündigt, ein Abänderungsantrag berücksichtigt. Dieser sieht insbesondere Erleichterungen für Unternehmen vor, die die Bürgerkarte bzw. die Handysignatur zur Identitätsfeststellung von Kunden verwenden wollen. Wer eine bürgerkartentaugliche Umgebung einsetzt, kann demnach künftig vom Innenministeruim als Stammzahlenregisterbehörde bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK bzw. verschlüsselte bPK) anfordern, wobei dafür ein Kostenersatz vorgesehen werden kann.

Ausdrücklich begrüßt wurde das Deregulierungspaket nicht nur von den ÖVP-Abgeordneten Steinacker und Ertlschweiger, sondern auch von Angela Lueger (S). Wer das Gesetz ablehne, stimme gegen mehr Service für BürgerInnen, gegen eine Entlastung von Unternehmen und gegen eine Effizienzsteigerung der öffentlichen Verwaltung, hielt sie fest. Zudem sei es sinnvoll, die elektronische Kommunikation mit den Behörden auszuweiten, auch wenn Österreich bereits Vorreiter in Sachen E-Government sei. Besonders begrüßte Lueger in diesem Zusammenhang die künftig mögliche Ausstellung so genannter Apostillen (diplomatischer Beglaubigungen) in elektronischer Form.

Was die vereinfachte Firmengründung für Ein-Personen-Unternehmen betrifft, wertete es Steinacker als sinnvoll, die Novelle zum GmbH-Gesetz vorerst nur befristet zu beschließen und deren Auswirkungen vor einer Verlängerung zu evaluieren.

Opposition begrüßt Teile des Gesetzespakets

Teile des Gesetzespakets erhielten auch die Zustimmung der Opposition. Die NEOS würden jeden Schritt der Deregulierung begrüßen, und sei er auch noch so klein, betonte etwa Gerald Loacker. Ihm und seinem Fraktionskollegen Nikolaus Alm gehen die vorgesehenen Deregulierungsschritte allerdings nicht weit genug. Man hätte auch Mehr-Personen-GmbHs mit standardisierter Satzung die Möglichkeit einer elektronischen Gründung eröffnen können, meinte Alm. Generell sollte man sich seiner Meinung nach überlegen, ob eine GmbH überhaupt noch ein Stammkapital benötigt. Begrüßt wurden die Erleichterungen für Selbständige auch von Christiane Brunner (G).

Die Gesetzesänderungen seien zum Teil gut, zum Teil nicht gut, fasste Harald Stefan die Position der FPÖ zusammen. Es sei zwar durchaus sinnvoll, den elektronischen Datenverkehr zu forcieren, angesichts zunehmender Hacker-Angriffe und anderer Gefahren für die Datensicherheit müsse man aber behutsam vorgehen, mahnte er. In diesem Sinn hält es Stefan etwa für heikel, Firmengründungen per Handysignatur und Bürgerkarte zu ermöglichen. Er sieht auch die Gefahr von Missbrauch gegeben. Stefan hält überdies die Beratung durch einen Notar bei Firmengründungen für zweckmäßig.

Eine ähnliche Meinung vertraten auch die fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler und Gerhard Schmid. Doppler äußerte sich in diesem Sinn über die dreijährige Befristung GmbH-Gesetz-Novelle erfreut.

Mehrfach von der Opposition kritisiert wurde die Vermengung unterschiedlichster Themen im Deregulierungsgesetz. Verwaltungsvereinfachungen seien grundsätzlich positiv, man sollte die entsprechenden Gesetzesänderungen aber in den zuständigen Fachausschüssen beraten und nicht Kraut und Rüben in einer Sammelnovelle zusammenmischen, klagte etwa Team-Stronach-Abgeordneter Hagen. Inhaltlich hält er einzelne Punkte im Gesetz für "brauchbar".

Ähnliche Kritik kam von Harald Stefan (F) und Sigrid Maurer (S). Maurer beurteilte zudem den Einsatz bereichsspezifischer Personenkennzeichen im Bereich privater Unternehmen skeptisch. Schon jetzt würden private Unternehmen zu viele Daten von KundInnen sammeln. Sie sehe nicht ein, warum die "Datensammelwut" auch noch staatlich unterstützt werden solle. Bedenklich ist für Maurer außerdem die künftige Pflicht für Unternehmen, an der elektronischen Zustellung teilzunehmen. Die Beweislast, dass man eine Benachrichtigung nicht bekommen habe, liegt bei einem selbst, dadurch werde der Rechtsschutz eingeschränkt.

Thema in der Debatte war schließlich auch der Arbeitnehmerschutz. Birgit Schatz (G) sieht nicht ein, warum Unternehmen künftig nicht mehr verpflichtet sind, alle Gesetze und Verordnungen zum Arbeitnehmerschutz im Betrieb aufzulegen oder elektronisch zur Verfügung zu stellen. Ihr zufolge bringt dieser Schritt lediglich eine Einsparung von 10 € für ein Unternehmen. Angesichts der Bedeutung des Arbeitnehmerschutzes sei dies ein schlechtes Geschäft, nicht nur für die ArbeitnehmerInnen, sondern letztlich auch für die UnternehmerInnen selbst.

Massive Kritik der FPÖ an Regierungspolitik

Die FPÖ nutzte die Debatte darüber hinaus dazu, um der Regierung massive Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik und in der Integrationspolitik vorzuwerfen. Unter anderem forderte Klubobmann Heinz-Christian Strache ein generelles Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, auch in Kindergärten und Schulen, und ein rigoroses Vorgehen gegen Islamisten. Es wäre zudem eine Selbstverständlichkeit, Sozialleistungen nur an jene auszuzahlen, die zuvor bereits in den Sozialtopf eingezahlt haben, hielt er fest.

Mit einem Entschließungsantrag wollte die FPÖ der Koalition "die Chance geben zu beweisen", dass sie es mit dem neuen Regierungsprogramm ernst nimmt, wie Strache erklärte. Der von Abgeordnetem Stefan vorgelegte Antrag enthielt unter anderem die Forderung, Gesetzesvorlagen für eine Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und für eine gestaffelte Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, je nach Lebenshaltungskosten, vorzulegen. Zudem drängt die FPÖ darauf, dass Sozialhilfeleistungen an nichtösterreichische StaatsbürgerInnen erst nach fünfjähriger Einzahlung ins System gewährt werden und Deutschklassen für Flüchtlinge eingerichtet werden. Weiters werden der Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und ein rigoroses Abfangen von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer verlangt. Der Brexit dürfe keine höheren EU-Beiträge Österreichs zur Folge haben.

Der Entschließungsantrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 125 Nein-Stimmen, bei 40 Ja-Stimmen, abgelehnt. Die Regierung habe sich im neuen Regierungsprogramm nicht nur auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, sondern auch vereinbart, dass man nicht gegen den jeweiligen Koalitionspartner stimme, unterstrich ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Daran halte sich seine Fraktion. Im Übrigen bedankte er sich bei der FPÖ "für die Werbeeinschaltung für Sebastian Kurz", der seiner Einschätzung nach klar vorgibt, in welche Richtung es gehen solle.

Das Deregulierungsgesetz selbst wurde mehrheitlich beschlossen, wobei es in Zweiter Lesung für die einzelnen Teile des Pakets unterschiedliche Mehrheiten gab. Begleitend zum Gesetz fassten die Abgeordneten auch eine Entschließung: Sie hat einen beschleunigten Abschluss der vom Finanzministerium bereits begonnenen Arbeiten zur elektronischen Prüfung und Vergabe von Steuernummern (UID) zum Ziel. (Fortsetzung Nationalrat) gs