Parlamentskorrespondenz Nr. 346 vom 29.03.2017

Nationalrat: Grüne setzen sich für leistbares Wohnen ein

Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktionen, Opposition hegt Zweifel an grüner Expertise in Sachen Wohnen

Wien (PK) – Da Wohnen für viele Menschen in Österreich immer mehr zu einem Luxusgut wird, appellierten die Grünen heute im Nationalrat an die gesamte Regierung, endlich entsprechende Maßnahmen zu setzen. Der Alleinerzieherin mit zwei Kindern, die schon mehr als die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden muss, helfen leere Versprechen nichts, beklagte Eva Glawischnig-Piesczek, dieses Thema müsse endlich zur Chefsache erklärt werden! Es sei auch für ihn unbefriedigend, dass es noch zu keiner umfassenden Reform des Mietrechts gekommen ist, erklärte Justizminister Wolfgang Brandstetter. Während es auf der einen Seite einen sogenannten Mietadel mit privilegierten Verhältnissen gebe, hätten es Jungfamilien derzeit sehr schwer auf dem Wohnungsmarkt. Er sei daher froh, dass wieder Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist und an einem Konsens gearbeitet werde.

Glawischnig-Piesczek fordert ein Ende der Versprechungen und konkrete Maßnahmen für die Betroffenen

Eine der brennendsten sozialen Fragen, nämlich leistbaren Wohnraum für die Menschen zur Verfügung zu stellen, werde von der Bundesregierung völlig ignoriert, kritisierte die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek. Ihre Fraktion bekomme täglich Dutzende E-Mails und Briefe, die belegen, dass vor allem AlleinerzieherInnen, Großfamilien und Menschen in schwierigen Lebenssituationen kaum mehr eine Chance haben, günstige Wohnungen zu finden. In Städten wie Wien, Salzburg oder Innsbruck müssen die Menschen mittlerweile sogar einen höheren Lohnanteil für Wohnkosten aufwenden als in Hamburg, Berlin oder auch in München, zeigte die Abgeordnete besorgt auf. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht einzusehen, dass ca. 300.000 MieterInnen ab Anfang April zusätzlich mit einem schweren Belastungspaket, nämlich einer Anhebung der Richtwerte, konfrontiert sind.

Die Grünen haben schon vor längerer Zeit ein Bündel an Maßnahmen vorgeschlagen, das von der Anwendung des Bestellerprinzips bei den Maklerprovisionen bis hin zu einer Vereinheitlichung des Mietrechts reicht; leider habe die Regierung nicht darauf reagiert. Stattdessen finde man im neuen Arbeitsprogramm einen Vorschlag, durch "den der gemeinnützige Wohnbau de facto zu einer Handelsware für Investoren" gemacht werden soll. Laut eines Artikels im "Falter" soll sich besonders der ehemalige Minister Josef Ostermayer für eine Gesetzesänderung in diesem Bereich eingesetzt haen. Damit würden aber Genossenschaftswohnungen zu einem verteuerten Handelsobjekt, gab Glawischnig-Piesczek zu bedenken, "das sei das glatte Gegenteil, von dem, was wir gerade im Wohnungsbereich brauchen".

Justizminister Brandstetter zeigt Verständnis für die Problematik und will Lösung finden

Bundesminister Wolfgang Brandstetter räumte ein, dass das ursprünglich im Regierungsprogramm 2013 enthaltene Ziel, das Mietrecht umfassend zu reformieren, leider noch nicht umgesetzt werden konnte. Dies sei auch für ihn unbefriedigend, da es sich dabei um das letzte größere noch ausständige Vorhaben handle, das in seine Ressortverantwortung falle. Brandstetter gab jedoch gegenüber Glawischnig-Piesczek zu bedenken, dass er als Justizminister nur den zivilrechtlichen Teil des Problems lösen könne, für viele andere Fragen, wie z.B. die Maklerprovisionen, die Gebühren, die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel, seien andere Ministerien oder auch die Länder zuständig. Was die Anhebung der Richtwerte betrifft, so handelt es sich dabei um eine gesetzlich vorgeschriebene Valorisierung, die er vollziehen muss, merkte Brandstetter gegenüber seiner Vorrednerin an. Er habe grundsätzlich wirklich Verständnis für die Sorgen der BürgerInnen und freue sich daher, dass nun wieder Schwung in die Sache gekommen ist. Er habe bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen, dass man sich z.B. das Modell in Deutschland, wo eine Mietpreisbremse eingeführt wurde, näher anschauen könnte; dies sei aber auf wenig Interesse gestoßen. Er und seine MitarbeiterInnen haben sich wirklich sehr darum bemüht, eine Lösung zu finden, bekräftigte er. Letztlich gehe es darum, einen Kompromiss zu finden, der sowohl Marktmechanismen als auch Maßnahmen der sozialen Abfederung berücksichtigt. Aber – in Anlehnung an ein altes Wienerlied – "wenn das Parlament net wü, nutzt des gor nix".

SPÖ: Einheitliches Mietrecht ist Gebot der Stunde

Die SPÖ-Abgeordnete Ruth Becher schloss sich der Kritik am Mietrecht, das ihrer Meinung nach derzeit sehr unübersichtlich ist, an. So könne es in der Praxis durchaus vorkommen, dass für jeden Wohnungsmieter in einem Haus unterschiedliche Rechtssituationen gelten, die kaum jemand mehr durchschaue. Auch die juristischen Meinungen darüber sind nicht einheitlich, gab Becher zu bedenken, die Frage der Zulässigkeit von Zuschlägen wird bis zum OGH hinauf oft unterschiedlich bewertet. Auch wenn die Regierung schon einige Verbesserungen erreicht habe, konnte der Plan, ein größtmögliches einheitliches Mietrecht zu schaffen, noch nicht realisiert werden. Dies sei aber gerade in einem Land wie Österreich, wo rund 42% der Menschen in Miete leben, von besonderer Bedeutung. Die größten Probleme gibt es ihrer Einschätzung nach am privaten Wohnungsmarkt, weil dort die Preise um fast 25% gestiegen sind. Bei den Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen lag die Teuerungsrate lediglich bei 11,6% bzw. 12,4%. Becher bedauerte, dass der von SPÖ vorgelegte fundierte Entwurf für eine Neugestaltung des Mietrechts noch keine Zustimmung beim Koalitionspartner gefunden hat, weil offenbar gewichtige Einzelinteressen einer Einigung entgegenstanden. Die jüngste Initiative von Minister Drozda sei daher sehr zu begrüßen, weil viele Maßnahmen, wie z.B. die Neuregelung der Maklergebühren, sofort umgesetzt werden könnten, betonte Katharina Kucharowits (S). Sie erinnerte auch nochmals an die Forderung der SPÖ nach einem Universalmietrecht, das u.a. 5,50 € pro Quadratmeter und klare Definitionen für Zu- und Abschläge vorsieht.

ÖVP: Mehr Neubauten, Mobilisierung des bestehenden Angebots und Förderung von Eigentum

Es sind sich wohl alle darin einig, dass Wohnen ein Grundbedürfnis der Menschen ist und die Politik für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen hat, erklärte Johann Singer (V). Seiner Auffassung nach gebe es in Österreich ein gutes Fundament in diesem Bereich, das aus einem gesunden Mix aus gewerblichem und sozialem Wohnbau besteht. Es sei natürlich richtig, dass die Immobilienpreise in den letzten Jahr stark angezogen haben, aber dafür gebe es vielfältige Gründe. Ein zentraler Faktor sei zweifellos die Tatsache, dass die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot, vor allem in den Ballungsräumen, weit übersteigt. Für die ÖVP stehen daher sowohl die Schaffung von neuem Wohnraum als auch die Mobilisierung des bestehenden Angebots im Vordergrund. Einen besonderen Stellenwert habe das Eigentum, weshalb die Mittel aus der Wohnbauförderung auch in diesen Sektor fließen müssen. Wie seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker bekannte er sich zu einem Mietrecht, das die Interessen von MieterInnen und VermieterInnen ausgewogen widerspiegelt. Statt Einzelmaßnahmen brauche man ein stimmiges Gesamtpaket, das Investitionen fördert und nicht behindert. Die Einführung von Mietzinsobergrenzen sei aber abzulehnen. Nur ein funktionierender Markt trage zum Wohle aller bei, unterstrich Steinacker.

FPÖ beklagt Untätigkeit der Regierung und fordert einheitliches Mietrecht im Interesse aller Beteiligten

Nur ein höheres Angebot führe zu niedrigeren Preisen, stellte der freiheitliche Abgeordnete Philipp Schrangl einleitend fest. Zu den aktuellen Problemen habe natürlich auch der starke Zustrom von MigrantInnen nach Österreich beigetragen. Außerdem spüre man spätestens seit dem Jahr 2011, was völlig überzogene Mietpreisdeckelungen oder das Streichen von Steuererleichterungen für sinnvolle Investitionen anrichten können. Laut Statistik Austria sind die Mieten seit diesem Zeitpunkt um durchschnittlich 15% gestiegen, zeigte Schrangl auf. Obwohl dringender Handlungsbedarf bestehe, verharre die Regierung seit Jahren in Untätigkeit. Eine schnelle Linderung könnte etwa die Streichung der Mietvertragsgebühren bringen; dazu werden die Freiheitlichen einen Antrag einbringen, kündigte er an. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm zeigte sich verwundert, dass die Grünen, die Mitschuld an der Misere haben, sich plötzlich des Themas Wohnen annehmen. Denn gerade dort, wo sie an der Regierung sind – in Wien, Salzburg und Tirol – seien die Immobilienpreise am stärksten gestiegen. Außerdem war schon vor vielen Jahren klar, dass der Zuzug von hunderttausenden Menschen zu riesigen Problemen führen wird. Schließlich präsentierte Wurm noch einen umfassenden Forderungskatalog, der von einer gezielten Förderung von Mehrpersonenhaushalten, einer Verringerung des Leerstands, einer Förderung des Eigentums, einer Bauoffensive im Sozialbereich bis hin zu einem einheitlichen Mietrecht reicht.

Grüne: Streit der Regierung in Sachen Mietrecht geht zu Lasten der Bevölkerung

Wenn man sich die Bilanz der jahrelangen Verhandlungen der Bautensprecher der Regierungsparteien, die noch immer ohne Ergebnis geblieben sind, anschaut, dann müsse man auch den heutigen Ankündigungen sehr skeptisch gegenüber stehen, urteilte Albert Steinhauser von den Grünen. Unter diesen Versäumnisse leiden vor allem die jungen Leute, die Familien und die Mittelschicht, die "nicht in den sozialen Wohnbau kommen". Ein Hauptgrund für die steigenden Preise sei die Tatsache, dass der Großteil der Wohnungen nicht mehr unter den Schutz des Mietrechts fallen, argumentierte er. Außerdem haben die enormen Preissteigerungen dazu geführt, dass man sich mit ehrlicher Arbeit keine Eigentumswohnung mehr leisten könne. Die Grünen haben sich seit Jahrzehnten intensiv dafür eingesetzt, dass Wohnen leistbar bleibt, unterstrich Gabriela Moser (G), die entsprechenden Anträge wurden leider aber immer wieder vertagt. Im Gegensatz dazu seien schwarz-blau geführte Regierungen dafür verantwortlich zu machen, dass gemeinnützige Wohnungen im großen Stil verkauft und die Zweckwidmung der Wohnbaugelder gelockert wurde. Natürlich gibt es einen massiven Interessengegensatz zwischen Immobilienwirtschaft und Mieterschützern, aber diese Aufgabe muss das Parlament lösen, forderte sie mit Nachdruck.

NEOS: Grüne tragen Mitverantwortung für teures Wohnen

NEOS-Mandatar Gerald Loacker schloss sich den Forderungen der Grünen nach Abschaffung der Mietvertragsgebühren und der Abrechnung der Maklergebühren nach dem Bestellerprinzip an. Dort wo die Grünen aber Verantwortung tragen, nämlich in Salzburg, Tirol oder Vorarlberg, da bringen sie, wie z.B. im Hinblick auf die Zweckwidmung der Mittel aus der Wohnbauförderung, nichts weiter, urteilte er. Was die Preissteigerungen betrifft, so sollte man auch bedenken, dass die öffentliche Hand dazu einen Beitrag leiste. So seien etwa die Betriebskosten in Wien, wo auch die Grünen mitregieren, um 10% höher als im Bundesschnitt. Dies sei bemerkenswert, denn eigentlich sollte es möglich sein, auf "kleiner Fläche viele Menschen zu versorgen, als auf großer Fläche weniger". Das angeblich so soziale Wohnen im Gemeindebau sei inzwischen für viele Menschen mit kleinem Einkommen gar nicht mehr leistbar, zeigte Loacker auf. Wenn man sich die heutige Debatte anhört, dann gibt es weder eine Einigkeit in Bezug auf die Problemanalyse noch in Bezug auf die Lösungen, konstatierte Claudia Angela Gamon (N). Ihrer Ansicht nach gibt es ein klares Angebotsproblem, da der öffentliche und geförderte Wohnbau an den Bedürfnissen den Menschen vorbeiproduziert. Außerdem kritisierte die Mandatarin das aktuelle Mietrecht, weil es viel zu sehr in das Privateigentum eingreift.

Team Stronach: Die von den Grünen propagierte Einwanderungspolitik ist Hauptursache für Probleme am Wohnungsmarkt

Auch Robert Lugar vom Team Stronach zweifelte die Expertise der Grünen in Sachen billiges Wohnen an. Dies zeige allein schon das Beispiel des Abgeordneten Peter Pilz, der seit 40 Jahren um 144 € komfortabel in einem Gemeindebau lebe. Da gerade die Grünen immer die größten BefürworterInnen einer verantwortungslosen Einwanderungspolitik waren, seien sie auch die Hauptverursacher von jenen Problemen, über die heute gesprochen wird. Es sei kein Wunder, dass viele Menschen in Wien überhaupt keine günstige Wohnung mehr finden, wenn man hunderttausende Migranten und Flüchtlinge nach Österreich lässt. Um den Druck auf Wien ein wenig zu reduzieren, sollte man zumindest jene Asylanten, die hier bleiben dürfen, dazu verpflichten, am Land zu wohnen, schlug Lugar vor. Außerdem müsste man im Umland von Wien endlich Bauland aufschließen. Wie das Beispiel Wohnbau deutlich zeige, müsse endlich Schluss sein mit leeren Versprechungen, mit der Überbürokratisierung und der Politisierung in allen Lebensbereichen, plädierte Leopold Steinbichler (T).

Rupert Doppler (o.F.) machte darauf aufmerksam, dass AlleinverdienerInnen und junge Familien im besonderen Maße und den explodierenden Wohnungspreisen leiden. Die Politik sei daher dringend gefordert, endlich gegenzusteuern. Dieser Meinung schloss sich auch Gerhard Schmid (o.F) an, denn Bildung und Wohnraum sind die Grundlagen für einen erfolgreichen Lebensweg. (Fortsetzung Nationalrat) sue