Parlamentskorrespondenz Nr. 364 vom 30.03.2017

Brandstetter will 115 offene Stellen bei der Justizwache sukzessive nachbesetzen

Fragestunde im Nationalrat zu aktuellen Justizthemen

Wien (PK) – Wolfgang Brandstetter will die Personalsituation im Bereich des Strafvollzugs und bei der Justizwache verbessern. In der Fragestunde des Nationalrats kündigte der Justizminister heute an, die derzeit noch offenen 115 Stellen sukzessive nachzubesetzen und sprach sich darüber hinaus auch für Maßnahmen zum stärkeren Schutz der BeamtInnen gegen Aggressionsakte von Häftlingen aus. Zudem bekannte sich Brandstetter zu Vorbeugungsmaßnahmen gegen islamistische Radikalisierung in den Strafanstalten und bestätigte ferner seine Pläne, schärfer gegen staatsfeindliche Gruppierungen vorzugehen. Weiteres Thema war u.a. die Vorratsdatenspeicherung, wo der Ressortchef dem österreichischen Lösungsvorschlag gute Chancen auf Zustimmung innerhalb der EU einräumte. Das Demonstrationsrecht wiederum ist Brandstetter "heilig", es gehe aber darum, Missbräuche zu vermeiden.

Brandstetter: Mehr Schutz für BeamtInnen gegen Aggressionsakte von Häftlingen

Brandstetter berichtete von einem starken Zulauf an InteressentInnen für die Arbeit bei der Justizwache und im Strafvollzug, meinte aber, es sei nicht einfach, die zugesagten neuen Planstellen zu besetzen. Derzeit seien noch 115 Stellen offen, diese sollen nun sukzessive nachbesetzt werden, informierte der Minister ÖVP-Abgeordneten Nikolaus Berlakovich. Besonders wichtig ist Brandstetter auch der Schutz des Justizpersonals gegen Aggressionsakte von Häftlingen. Nachdem man bereits die Sicherheitsausrüstung der BeamtInnen verbessert habe, seien nun auch gesetzliche Änderungen geplant. So sollen Aggressionen gegen BeamtInnen als solche strafrechtlich sanktioniert und mit einer höheren Strafdrohung geahndet werden.

Schärferes Vorgehen gegen staatsfeindliche Grupperungen

Brandstetter will überdies auch den Schutz der BeamtInnen vor Angriffen staatsfeindlicher Gruppierungen intensivieren. Zu diesem Zweck ist in Ergänzung zum bestehenden Straftatbestand der staatsfeindlichen Verbindung ein neuer Straftatbestand geplant, der es ermöglicht, aktive Handlungen, die gegen BeamtInnen gerichtet sind und eindeutig auf einer staatsfeindlichen Haltung beruhen, zu ahnden, teilte der Minister ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker mit. Mit Gesinnungsstrafrecht habe dieser Tatbestand nichts zu tun, erwiderte Brandstetter auf Bedenken des NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak.

70 Häftlinge in Österreichs Justizanstalten haben terroristischen Hintergrund

Die Gefahr einer islamistischen Radikalisierung in den Haftanstalten, vor der FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan gewarnt hatte, ist nach den Worten Brandstetters in Österreich größer als in vielen anderen europäischen Staaten. Angesichts des Umstandes, dass rund 70 Häftlinge einen terroristischen Hintergrund aufweisen, sei besondere Vorsicht geboten. Der Minister setzt nun im Kampf gegen die Radikalisierung vor allem auf die enge Kooperation der BeamtInnen mit dem Verein DERAD, der sich für Dialog und Deradikalisierung einsetzt und, wie Brandstetter betonte, keinerlei seelsorgerische Zwecke verfolgt. Große Bedeutung komme zudem auch der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zu.

Ministerium will Standortstruktur der Justizanstalten optimieren

Was Absiedlungsgerüchte in Bezug auf die Strafanstalt Stein betrifft, betonte Brandstetter, es gehe ihm nicht um Einzelfälle, sondern generell um eine optimale Standortstruktur der Justizanstalten in Österreich. An einem nachhaltigen Gesamtkonzept werde derzeit gearbeitet, auf regionalpolitische Aspekte könne dabei allerdings nur bedingt Rücksicht genommen werden. Wo immer bei Justizanstalten Veränderungen geplant sind, werde jedenfalls der Konsens mit den betroffenen Gemeinden gesucht, versicherte der Minister dem Kremser FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz.

Vorratsdatenspeicherung nur unter strengster rechtsstaatlicher Kontrolle

Bei der Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung, zu der Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser kritisch Stellung bezog, bekennt sich der Justizminister zu den Vorgaben des EuGH. Der österreichische Lösungsansatz sieht nun die Möglichkeit vor, anlassbezogen bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes die Vorratsdaten zu speichern und dann im Falle einer Konkretisierung dieses Verdachtes mit richterlicher Kontrolle darauf zuzugreifen. Dieses Modell sei innerhalb der EU bereits auf große Zustimmung gestoßen, berichtete Brandstetter. Handlungsbedarf ortet der Ressortleiter auch bezüglich der Überwachung von verschlüsselter Internetkommunikation. Hier gehe es darum, Lücken zu schließen, die sich durch die neuen technischen Möglichkeiten ergeben haben. Voraussetzung ist für Brandstetter auch in diesem Fall strengste rechtsstaatliche Kontrolle.    

Brandstetter gegen Missbräuche bei der Ausübung des Demonstrationsrechts

  

Das Demonstrationsrecht ist Brandstetter als Grundrecht "heilig". Es gelte aber zu verhindern, dass dieses Recht nicht in einer Art und Weise missbraucht wird, die die BürgerInnen nicht mehr verstehen, gab der Minister auf Einwände Albert Steinhausers (G) zu bedenken. Konkret geht es Brandstetter um eine Abwägung zwischen den Interessen derer, die ihr Anliegen publik machen wollen, und den Interessen der von der Demonstration Betroffenen, die unter Umständen Nachteile erleiden. So sei etwa eine Blockade der Wiener Innenstadt problematisch, könne diese doch allgemein zu einem Verlust der Akzeptanz des Demonstrationsrechts führen.

Erwachsenenschutzgesetz: Allfälliger Mehrbedarf durch Rücklagen gedeckt

In einem Vorgriff auf die Plenardebatte über das Erwachsenenschutzgesetz ließ Brandstetter SPÖ-Abgeordne Ulrike Königsberger-Ludwig wissen, dass die ausreichende Finanzierung der Erwachsenenschutzvereine gesichert ist. Der Minister rechnet für die nächsten Jahre nicht mit Finanzierungsproblemen bei der Umsetzung der Reform und betonte, allfällige zusätzliche Aufwendungen könnten durch die Rücklagen seines Ressorts bedeckt werden. Eine  entsprechende Bewilligung seitens des Finanzministers liege bereits vor. Sollte man dennoch frische Budgetmittel brauchen, sei es Sache des Nationalrats, die notwendigen Beschlüsse zu fassen.

Weitere Themen: Sammelklage, Unterhaltsrecht, Rehabilitierung der Homosexuellen, Privatstiftungen

Der Minister nahm in der Fragestunde auch zu einer Reihe von aktuellen Vorhaben seines Ressorts Stellung. So arbeite man nun mit voller Kraft an einer Regelung der Sammelklage, auf die SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim drängte. Orientieren will sich Brandstetter dabei an Best Practice-Modellen anderer Staaten. Zum Ruf Christoph Hagens (T) nach einer Modernisierung des Scheidungs- und Unterhaltsrechts, stellte Brandstetter klar, Neuerungen im Scheidungsrecht seien nicht vorgesehen, man arbeite aber an einer Reform des Kindes-Unterhaltsrechts. Was die von Harald Troch (S) geforderte volle Rehabilitierung der Homosexuellen betrifft, sieht Brandstetter keinen neuen Regelungsbedarf. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Gesetzesbeschluss aus dem Jahr 2015 und die darin enthaltene Verurteilung jeder Form der Diskriminierung. Die Arbeiten an einer Reform des Privatstiftungsrechts wiederum stehen nun vor dem Abschluss, teilte der Minister ÖVP-Abgeordnetem Georg Vetter mit. Entsprechende Adaptierungen seien vor allem im Interesse des Wirtschaftsstandortes geboten, um eine Abwanderung von Privatstiftungen zu vermeiden. (Fortsetzung Nationalrat) hof