Parlamentskorrespondenz Nr. 457 vom 21.04.2017

Parlament: TOP im Nationalrat am 26. April 2017

Aktuelle Stunde, EU-Erklärung, Zusatzrente für misshandelte Heimkinder, neues Versammlungsrecht, Erleichterung bei Rot-Weiß-Rot-Karte

Wien (PK) – In der kommenden Woche tritt der Nationalrat an zwei Tagen zusammen. Beschlossen werden am Mittwoch nach einer Aktuellen Stunde und einer EU-Erklärung von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vor dem Brexit-Sondergipfel am 29. April als erster Tagesordnungspunkt eine Zusatzrente für misshandelte und missbrauchte Heimkinder. Dem auf Initiative von Nationalratspräsidentin Doris Bures abgehaltenen Staatsakt, bei dem seitens Politik und Kirche im vergangenen November ein symbolisches Zeichen zur Anerkennung der Leiden jener ehemaligen Heimkinder gesetzt wurde, die unter staatlicher bzw. kirchlicher Obhut Opfer von Gewalt wurden, folgt damit ein weiterer, konkreter Schritt.

Den Nationalrat passiert nächste Woche auch bereits das neue Versammlungsrecht, auf der Tagesordnung stehen außerdem Gesetze für einen erleichterten Zugang von Studierenden und Start-ups zur Rot-Weiß-Rot-Karte sowie Lockerungen im Lohn-und Sozialdumpinggesetz für die Transportbranche. Mit einem Abkommen zwischen Österreich und Albanien sollen Versicherungslücken geschlossen werden.

Kein Glück werden die NEOS mit dem Versuch haben, die Zwangsmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer abzuschaffen. Die Grünen wollen wiederum bei der Wirtschaftskammer ansetzen. Strafgelder von Vergehen gegen die Gewerbeordnung sollten aus ihrer Sicht nicht in die Kammer fließen. Die Initiative zur Änderung der Gewerbeordnung wird in einer Ersten Lesung diskutiert.

Die Sitzungen beginnen sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag um 9.00 Uhr.

Aktuelle Stunde

Das Thema für die Aktuellen Stunde "Eliteunis für alle durch faire Studienplatzfinanzierung" haben diesmal die NEOS ausgewählt.

EU-Erklärung

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geben im Vorfeld des Sondergipfels der EU-Staats- und RegierungschefInnen eine Erklärung ab. Der Sondergipfel am 29. April dient der Festlegung der Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen.

Zusatzrente für misshandelte Heimkinder

Mit einem auf Initiative von Nationalratspräsidentin Doris Bures abgehaltenen Staatsakt im Parlament haben Politik und Kirche im vergangenen November ein symbolisches Zeichen zur Anerkennung der Leiden jener ehemaligen Heimkinder gesetzt, die unter staatlicher bzw. kirchlicher Obhut Opfer von Gewalt wurden. Nun folgt dieser "Geste der Verantwortung" ein weiterer, konkreter, Schritt. Der Sozialausschuss des Nationalrats stimmte mit S-V-G-N-Mehrheit dem Vorhaben der Regierung zu, den Betroffenen ab Juli 2017 eine Rente zu gewähren. Wer in Heimen des Bundes, der Länder und der Kirche missbraucht bzw. misshandelt wurde, wird ab Erreichen des Regelpensionsalters bzw. ab Pensionsantritt eine monatliche Zahlung von 300 € erhalten. Dieser Betrag soll brutto für netto gelten.

Man rechnet damit, dass davon zunächst etwa 2.000 Personen Gebrauch machen werden. Insgesamt geht die Regierung von rund 7.000 Fällen aus, die jährlichen Kosten werden auf vorläufig 8 Mio. € geschätzt.

Noch verhandelt wird über eine Ausdehnung des Bezieherkreises. Zudem ist noch offen, inwieweit eine Kürzung der Mindestsicherung durch den Rentenbezug verhindert werden kann. Bei einem öffentlichen Hearing im Sozialausschuss forderten die geladenen ExpertInnen auch eine zentrale und offizielle Anlaufstelle für alle Betroffenen.

Erleichterter Zugang von Studierenden und Start-ups zu Rot-Weiß-Rot-Karte

Ein erleichterter Zugang ausländischer Studierender und Start-up-GründerInnen zum österreichischen Arbeitsmarkt, neue Regelungen für Saisoniers und eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen für den konzerninternen Transfer von Schlüsselarbeitskräften an EU-Recht, das sind die Eckpunkte einer Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, die neben SPÖ und ÖVP voraussichtlich auch die Stimmen der Grünen erhalten wird. Änderungen gibt es dabei auch für Saisoniers und ErntehelferInnen.

Demnach sollen ErntehelferInnen erst ab 2019 in die Pensionsversicherung einbezogen werden. Begründet wird das damit, dass man bei landwirtschaftlichen Produkten mit Deutschland konkurrenzfähig bleiben will. Dort gebe es die Möglichkeit, SaisonarbeiterInnen bis zu 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage sozialversicherungsfrei zu beschäftigen. Diese Frist werde erst mit 2019 auf zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage reduziert und gleichzeitig der tarifvertragliche Mindestlohn in der Landwirtschaft erhöht. Derzeit sind ErntehelferInnen in Österreich nur kranken- und unfallversichert, das ist künftig EU-rechtlich nicht mehr zulässig.

Noch offen ist, wann die ergänzenden Bestimmungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, etwa was die Visaerteilung betrifft, vom Innenausschuss beschlossen werden.

Wohl nicht durchsetzen werden sich die Grünen als auch die NEOS aber mit ihrer Forderung, AsylwerberInnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen, wenn das Asylverfahren länger dauert. Nach Meinung der Grünen verstößt Österreich mit den geltenden Restriktionen gegen eine EU-Richtlinie, der zufolge AsylwerberInnen nach neun Monaten ein effektiver Arbeitsmarktzugang zu gewähren ist.

Abgelehnt werden so gut wie sicher auch zwei Entschließungsanträge der FPÖ. Sie zielen zum einen auf mehr Transparenz bei der Vergabe von AMS-Kursen und anderen Angeboten zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt ab. Zum anderen fordert die Oppositionsfraktion, die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt der bedarfsorientierten Mindestsicherung auf Basis eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur deutschen Notstandshilfe "Hartz IV" zu überprüfen.

Lockerungen im Lohn-und Sozialdumpinggesetz für die Transportbranche

Um Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Unternehmen in Österreich zu unterbinden, hat die Politik in den vergangenen Jahren strenge gesetzliche Regelungen beschlossen. Nun werden die Schrauben für die Transportbranche allerdings wieder etwas gelockert. Durch eine Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz kommen für die Transportbranche bürokratische Erleichterungen bei grenzüberschreitenden Entsendungen, und zwar sowohl für den Bereich der Personenbeförderung als auch jenen der Güterbeförderung.

Gemäß den neuen Bestimmungen müssen Transportunternehmen geplante grenzüberschreitende Entsendungen nach Österreich künftig nur noch pauschal für jeweils sechs Monate melden. Nachweise von Lohnunterlagen reichen künftig zudem auch elektronisch. Das Sozialministerium geht davon aus, dass sich die Unternehmen damit knapp 3 Mio. € pro Jahr an Verwaltungskosten ersparen werden. Wenig Verständnis für die Lockerungen haben FPÖ und Grüne.

NEOS gegen Zwangsmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer

Die NEOS pochen in einer Entschließung darauf, die Zwangsmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer abzudrehen. Mit den von den Mitgliedern zu zahlenden Beiträgen von 0,5% des Bruttogehalts würde nicht nur Vertretungsarbeit für ArbeitnehmerInnen geleistet, vielmehr würde damit ein Vermögen angehäuft, das keine sinnvolle Verwendung findet, kritisieren sie. Diese Mittel würden von MitarbeiterInnen der Arbeiterkammer dann beispielsweise für völlig unsinnige Preisvergleichsstudien, etwa von Faschingskrapfen, eingesetzt.

Die Oppositionsfraktion drängt außerdem darauf, die Arbeiterkammer zu verpflichten, einen Bescheid auszustellen, wenn sie einem Arbeitnehmer keinen Rechtsschutz in einer arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheit gewähren. Damit hätten Betroffene die Möglichkeit, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung zu ergreifen, argumentieren die NEOS. Unterstützung kam bisher nur von den Freiheitlichen und dem Team Stronach.

Team Stronach will ausländischen PensionistInnen Ausgleichszulage streichen

Auf Ablehnung im Nationalrat wird zudem ein Antrag vom Team Stronach stoßen, in dem es fordert, in Österreich lebenden ausländischen PensionistInnen die Ausgleichszulage zu streichen. Es komme nämlich immer wieder vor, dass sich faktisch mittellose Personen einen Aufenthaltstitel erschleichen, indem sie über Umwege ausreichende Existenzmittel nachweisen, um in weiterer Folge dann Sozialleistungen, etwa in Form der Ausgleichszulage, zu beanspruchen, so die Argumentation. Die Oppositionsfraktion will grundsätzlich verhindern, dass sich Menschen aus ärmeren EU-Ländern in Österreich niederlassen.

Abkommen zwischen Österreich und Albanien über soziale Sicherheit

Außerdem auf der Tagesordnung steht ein Abkommen zwischen Österreich und Albanien zur sozialen Sicherheit. Damit sollen Versicherungslücken von Personen, die sich vorübergehend im anderen Staat niedergelassen haben bzw. in beiden Ländern erwerbstätig waren, geschlossen und Doppelversicherungen vermieden werden. Im Bereich der österreichischen Pensionsversicherung geht man von 18 Neuzugängen im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens und durchschnittlich fünf Neuzugängen in den Folgejahren aus.

Versammlungsrecht

Mit der Novelle zum Versammlungsgesetz wird es in Zukunft rund um Demonstrationen eine Schutzzone von bis zu 150 Meter geben. Zudem erhält die Regierung die Möglichkeit, Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten. Die Neuerungen bleiben aber umstritten. Der Innenausschuss hat den diesbezüglichen Antrag der Koalition einer zweiwöchigen Begutachtung unterzogen, dabei wurden rund 40 Stellungnahmen abgegeben. Die Debatte im Ausschuss brachte keinerlei Annäherungen der Positionen, dem Plenum werden auch keine substantiellen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Antrag vorgelegt.

Die Opposition lehnt den Entwurf einhellig ab, man befürchtet, das Demonstrationsrecht von AusländerInnen werde übermäßig eingeschränkt. SPÖ und ÖVP wiederum versichern, die Versammlungsfreiheit werde nicht angetastet, und betonen, das Versammlungsrecht werde praktikabler; es gehe um Rechtssicherheit und darum, die Arbeit der Polizei zu erleichtern. Innenminister Wolfgang Sobotka hielt dazu im Ausschuss fest, die Änderungen zielten darauf ab, die bestmögliche Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. Er kündigte auch eine Enquete zum Versammlungsrecht an, da man sich überlegen müsse, wie man unbeteiligt Dritte besser schützen und die Verantwortlichkeit des Versammlungsleiters präzisieren könne.

Ziel der neuen Schutzzone ist die Gewährleistung des ungehinderten Ablaufs von Demonstrationen. Weder am Ort einer rechtmäßigen Versammlung noch innerhalb des Schutzbereichs darf künftig eine andere Versammlung abgehalten werden. Damit wollen die Regierungsparteien die Störung oder Verhinderung einer Versammlung durch Gegendemonstrationen verhindern. Das Ausmaß des Schutzbereichs ist von der Behörde vorab festzulegen, zu berücksichtigen sind dabei etwa die Zahl der erwarteten TeilnehmerInnen sowie der zu erwartende Verlauf der Versammlung. Wird kein ausdrücklicher Schutzbereich angeordnet, gilt eine allgemeine Schutzzone von 50 Metern, das betrifft auch sogenannte Spontanversammlungen. Maximal darf eine Schutzzone jedenfalls 150 Meter betragen.

Um Behörden ausreichend Zeit für die Prüfung und für vorbereitende organisatorische Maßnahmen zu geben, wird die Frist zur Anmeldung einer Versammlung von 24 auf 48 Stunden verlängert. Ist die Teilnahme eines Vertreters bzw. einer Vertreterin eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation an der Versammlung geplant, verlängert sich diese Frist auf eine Woche.

Deutlich ausgeweitet wird die Möglichkeit, politische Kundgebungen von Nicht-EU-BürgerInnen zu verbieten. Demnach kann die zuständige Behörde eine Versammlung künftig dann untersagen, wenn sie "der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft", wie es im Wortlaut nunmehr heißt. Ist der Auftritt eines ausländischen Politikers oder eines anderen Vertreters eines ausländischen Staates bei einer derartigen Versammlung geplant, liegt es im Ermessen der Bundesregierung, ein Verbot zu verhängen. Die Grundrechte sehen die Regierungsparteien durch die neue Bestimmung nicht verletzt: Auch die Europäische Menschenrechtskonvention erlaube es, die politische Tätigkeit von AusländerInnen bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen, wird in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf hervorgehoben.

Erste Lesung: Gewerbeordnung und Wirtschaftskammer

Eine Erste Lesung gibt es schließlich über eine Initiative der Grünen, in der sie sich gegen die Weitergabe von Strafgeldern an die Wirtschaftskammer aussprechen. Derzeit werden eingehobene Strafgelder von Vergehen gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung

von der Bezirksverwaltungsbehörde an die Wirtschaftskammer weitergegeben, was die Oppositionsfraktion als Querfinanzierung der Wirtschaftskammer durch den Steuerzahler kritisiert. Die Grünen verlangen eine Änderung der Gewerbeordnung. Die Kammer soll Mittel für die Unterstützung von Unternehmen aus ihren gewöhnlichen Einnahmen aufbringen und nicht als "Zubrot" von den Bezirksverwaltungsbehörden einfordern, so der Antrag, der dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wird. (Schluss) keg/jan