Parlamentskorrespondenz Nr. 482 vom 27.04.2017

ORF bilanzierte erstmals seit sieben Jahren wieder negativ

Marktanteil blieb stabil, Programmaufträge wurden erfüllt

Wien (PK) – Nach sechs positiven Bilanzen in Folge hat der ORF im Jahr 2016 erstmals wieder Verluste geschrieben. Grund dafür sind Verzögerungen bei einem geplanten Immobilienverkauf. Das geht aus dem Jahresbericht 2016 des ORF hervor, den Kanzleramtsminister Thomas Drozda dem Nationalrat vorgelegt hat (III-384 d.B. und III-621-BR d.B.) . Demnach wurde im vergangenen Jahr ein negatives Ergebnis vor Steuern (ETB) in der Höhe von 29,7 Mio. € erzielt. Für das laufende Jahr ist das ORF-Direktorium allerdings wieder zuversichtlich, es wird eine ein ausgeglichene Bilanz erwartet. Zufrieden ist die ORF-Spitze mit den erzielten Marktanteilen und Reichweiten, auch der gesetzliche Programmauftrag und weitere Programm-Verpflichtungen des Senders wurden laut Bericht zur Gänze erfüllt.

Sowohl im Fernseh- als auch im Radiobereich ist der ORF weiter unangefochten Marktführer. Im TV-Bereich konnte die ORF-Sendergruppe (ORF eins, ORF 2, ORF III, ORF Sport+) im Jahr 2016 einen Marktanteil von 35,1% und eine durchschnittliche Tagesreichweite von 3,6 Millionen ZuseherInnen ab 12 Jahren erzielen. Damit blieben die Werte gegenüber 2015 (35,3%) und 2014 (35,2%) weitgehend stabil. Allerdings musste ORF eins trotz reichweitenstarker Sportgroßereignisse ein kleines Minus von 0,1% beim Marktanteil (11,7%) hinnehmen. Auch der Marktanteil von ORF 2 ging geringfügig zurück (2016: 21,2%, 2015: 21,4%).

Im fünften kompletten Sendejahr weiter behaupten konnten sich die beiden ORF-Spartensender ORF III und ORF Sport+. Der Kultur- und Informationskanal ORF III kam auf eine durchschnittliche Tagesreichweite von 611.000 Personen. Der Sportkanal, der insbesondere über Sportbewerbe mit Österreich-Bezug berichtet, die in der Regel weniger im medialen Rampenlicht stehen, konnte im Tagesschnitt 226.000 ZuseherInnen erreichen.

Mehr Information und Sport in ORF eins und ORF 2

Was die Programmstruktur von ORF eins und ORF 2 betrifft, ist 2016 neben dem Bereich Sport (8%) auch der Anteil der Information (25%) im Vergleich zum Jahr 2015 gestiegen. Das ORF-Direktorium führt das nicht zuletzt auf die sich in die Länge ziehende Bundespräsidentenwahl sowie besondere weltpolitische Ereignisse wie den Brexit, die US-Wahl, den Putschversuch in der Türkei und die Terroranschläge in Europa zurück. Der Bereich Unterhaltung ging demgegenüber von 49% auf 47% zurück. 5% des Programms entfielen auf das Programmfeld Kultur (4%) und Religion (1%), 7% auf den Bereich Wissenschaft, Bildung und Lebenshilfe, 8% auf den Bereich Familie.

Rechnet man ORF III und ORF Sport+ hinzu, ergibt sich, gerundet, folgende Verteilung: Information 18%, Unterhaltung 32%, Kultur 20%, Sport 31%. Damit sieht der ORF den gesetzlichen Auftrag, ein differenziertes Gesamtangebot in einem angemessenen Verhältnis bereitzustellen, als erfüllt an. Auch alle anderen Verpflichtungen, etwa im Hauptabendprogramm zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr in der Regel eine anspruchsvolle Sendung zur Wahl anzubieten sowie ausreichend Sendungen mit Österreich-Bezug bzw. mit europäischen Bezug auszustrahlen und österreichische Produktionen zu fördern, ist man laut Bericht nachgekommen.

Besonders hervorgehoben wird von der ORF-Spitze – neben der Informationskompetenz des ORF –auch der große Erfolg von ORF-Eigenproduktionen mit stark österreichischen Inhalten wie "Vorstadtweiber", "Landkrimis", "Pregau" und "Das Sacher". Ebenso stießen ausgewählte Sportgroßereignisse wie die Olympischen Sommerspiele und die Fußball-EM sowie Unterhaltungsevents wie die Jubiläumsstaffel der "Dancing Stars" auf breites Publikumsinteresse. Programmschwerpunkte hat es unter anderem zum Weltfrauentag, zum 200-Jahr-Jubiläum Salzburgs und zum Thema Lebensmittelverschwendung gegeben.

Durchschnittlich 300.000 Zuschauer bei "Guten Morgen Österreich"

Für das neu eingeführte Frühfernsehen auf ORF 2 "Guten Morgen Österreich", das live aus einem mobilen Studio ausgestrahlt wird, weist der Bericht durchschnittlich 300.000 ZuseherInnen aus. Damit habe man die Marktführerschaft in der Morgenzone zurückgewinnen können. Zudem haben mehr als 19.000 Menschen das mobile Studio vor Ort besucht, insgesamt machte es in 167 Gemeinden in ganz Österreich Station.

Einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags leisteten 2016 wieder die ORF-Landesstudios, wird im Bericht betont. Die Sendung "Bundesland heute" erreichte eine durchschnittliche Reichweite von knapp über einer Million ZuschauerInnen und einen gesamtösterreichischen Marktanteil von 52%, wobei "Vorarlberg heute" (66%) und "Kärnten heute" (64%) erneut am erfolgreichsten waren. Schlusslicht sind Wien (34%) und Niederösterreich (40%). In Kärnten, der Steiermark und im Burgenland kommt auch den Volksgruppensendungen große Bedeutung zu.

Erweitertes Angebot für gehörlose und blinde Menschen

Erneut ausgebaut wurde das Angebot des ORF für gehörlose und stark hörbehinderte Menschen. So wurden in ORF eins und ORF 2 im vergangenen Jahr bereits 12.204 Sendestunden untertitelt, das entspricht einer Untertitelungsquote von 69,47% (2015: 67,57%). Neu ist etwa die Untertitelung der täglichen "ZiB 20" und des "ZiB-Magazins". Die "Zeit im Bild" und das Servicemagazin "heute konkret" werden auf ORF 2 Europe (ORF 2E) zusätzlich in Gebärdensprache gedolmetscht und stehen in dieser Form auch in der ORF-TVthek zur Verfügung. ORF III erreichte eine Untertitelungsquote von 36,83%.

Als spezielles Service für blinde und stark sehbehinderte Menschen bietet der ORF Audiotranskriptionen an. Neben Sportübertragungen werden vor allem auch Spiel- und Fernsehfilme in einer Hörversion ausgestrahlt. Insgesamt umfasste das Angebot 2016 bereits 1.460 Programmstunden, davon 250 Stunden Live-Audiokommentar der Olympischen Spiele in Rio und der Fußball-EM in Frankreich. Als "Hörfilme" wurden unter anderem der historische Zweiteiler "Das Sacher" und die 11. Staffel der Soko Donau angeboten.

Rekordjahr für 3sat

Unverändert fortgesetzt wurden die Kooperationen mit anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. So steuerte der ORF weiter Programm und Koproduktionen für 3sat, ARTE und ARD-Alpha bei. 3sat, das Gemeinschaftsprogramm von ARD, ORF, SRF und ZDF, feierte laut Bericht 2016 das erfolgreichste Jahr seines Bestehens: mit 1,2% konnte in Deutschland der beste Marktanteil seit der Gründung erzielt werden. In Österreich stieg der Marktanteil auf 1,8%, in der Schweiz auf 0,9%. Die durchschnittliche Tagesreichweite in Deutschland, der Schweiz und Österreich lag bei 6,3 Millionen SeherInnen, das sind um 500.000 mehr als 2015. ARTE erreichte 2016 in Österreich einen Marktanteil von 1%, das Österreich-Fenster von ARD-alpha 0,3%.

Marktanteil der ORF-Radioflotte liegt weiter bei 71%

Für die ORF-Radioflotte (Ö1, Ö3, FM4, Regionalradios) weist der Bericht täglich über 4,7 Millionen HörerInnen und einen Marktanteil von 71% aus. Das ist derselbe Wert wie im Jahr 2015. Erfolgreichster Sender ist – mit durchschnittlich 2,55 Millionen täglichen HörerInnen und einem Marktanteil von 31% bzw. von 38% in der Kernzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen – nach wie vor Ö3. Die Regionalradios erreichten zusammen einen Marktanteil von 33%, wobei Radio Kärnten mit 51% in der Kernzielgruppe ab 35 Jahren wieder die Nase vorn hatte. Auffallend ist die unterschiedliche Musik-Programmierung der neun Bundesländerprogramme: Während etwa Radio Salzburg zu 51% Unterhaltungsmusik und Schlager spielte und nur zu 19% Pop waren es bei Radio Wien 84% Pop.

Der Marktanteil von Österreich 1 ging von 6% auf 5% zurück. In der Zielgruppe ab 35 konnte der Sender eine Tagesreichweite von 10,5% erzielen. Im Schnitt wurde Ö1 von 616.000 Personen täglich gehört. Auf durchschnittlich 280.000 HörerInnen pro Tag und einen Marktanteil von 2% kam der mehrheitlich fremdsprachige Sender FM4.

Mit dem vorliegenden Bericht werden auch fehlerhafte Zahlen aus den vergangenen Jahren berichtigt: Gemäß den neuen, auditierten, Daten des Radiotests sanken die Marktanteile der ORF-Radioflotte zwischen 2011 und 2015 in kleinen Schritte von 74% auf 71%. Der durchschnittliche tägliche Radiokonsum für das Jahr 2016 wird mit 184 Minuten angegeben, 130 Minuten davon entfielen auf die ORF-Radios.

ORF.at: Mehr als 80 Millionen Visits pro Monat

Neue Rekordwerte erzielte das Webangebot des ORF. Demnach konnte das ORF.at-Netzwerk – Webangebot und APPs – pro Monat durchschnittlich mehr als 80 Millionen Visits verzeichnen, was einem Plus von 21,3% gegenüber 2015 entspricht. Insgesamt wurden mehr als 167.000 Beiträge bzw. Storys bereitgestellt. Auch die ORF-TVthek befindet sich weiter auf Erfolgskurs: 26,3 Millionen Online-Videos haben die UserInnen, vorrangig aus der ORF-TVthek, aber auch von anderen ORF.at-Seiten abgerufen. Die stärksten Monate waren der Mai und der Juni, im Schnitt nutzten 1,4 Millionen UserInnen im 2. Quartal des Vorjahrs das Angebot der TVthek.

Weiter zu den beliebtesten ORF-Medien gehört der ORF-Teletext. Pro Woche nutzen rund 1,5 Millionen LeserInnen das Angebot. Neu ist eine APP, die den Servicedienst auch aufs Smartphone bringt. Mit der "ZiB 100" wurde zudem eine weitere multimediale Innovation eingeführt: Das kompakte Nachrichtenformat ist nach der TV-Ausstrahlung sowohl online auf ORF.at und auf mobile.ORF.at als auch via Facebook, Twitter und WhatsApp verfügbar. Erweitert wurde zudem das Angebot von "Additional Content", so werden etwa Langfassungen von ZiB2-Interviews und Live-Streams von Pressekonferenzen bereitgestellt. Eine neue Restart-Funktion der ORF-TVthek ermöglicht es, bestimmte Sendungen schon während ihrer Live-Ausstrahlung von Beginn an neu zu starten.

Erlöse aus Werbeeinnahmen erstmals seit Jahren wieder gestiegen

Was die wirtschaftlichen Kennzahlen betrifft, konnten die strukturellen Kostensteigerungen im Jahr 2016, dem letzten der fünfjährigen Gebührenperiode, nicht mehr zu Gänze durch Einsparungen bedeckt werden, wie im Bericht hervorgehoben wird. Sie sollten, so wie Sonderbelastungen aus neuen gesetzlichen Bilanzierungsregeln und diversen Restrukturierungsmaßnahmen, durch einen Einmalertrag eines Immobilienverkaufs gedeckt werden. Dieser wurde aus betriebswirtschaftlichen Gründen – sinnvollere längere Eigennutzung der Liegenschaft – letztlich aber nicht bis zum Dezember 2016 realisiert. Dadurch ergab sich das erwähnte negative Bilanzergebnis in der Höhe von knapp 30 Mio. €.

Positiv haben sich die Werbeeinnahmen entwickelt: Nach 221 Mio. € im Jahr 2015 konnten im vergangenen Jahr 229,8 Mio. € erlöst werden, wobei 214,6 Mio. € auf den Rundfunk und 15,3 Mio. € auf Online-Werbung entfielen. Darüber hinaus wurden 39,4 Mio. € mit Sonderwerbeformen erzielt. Aus Programmverwertungen konnte der ORF 10,5 Mio. €, aus Koproduktionen und Lizenzen 21,3 Mio. € erwirtschaften. Die Werte sind nicht testiert, weisen laut Bericht aber bereits eine sehr hohe Genauigkeit auf.

Auf die ORF-Landesstudios entfielen im Jahr 2016 14,2% der dem ORF insgesamt zur Verfügung stehenden Budgetmittel und 18,4% der Programmkosten.

Eigene Kapitel im Bericht widmen sich dem Angebot des ORF für Volksgruppen, den Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Senders im Bereich "Human Broadcasting", den technischen Reichweiten der Radio- und Fernsehprogramme sowie dem ORF-internen Qualitätssicherungssystem. (Schluss) gs