Parlamentskorrespondenz Nr. 508 vom 03.05.2017

Finanzausschuss beschließt zusätzliche 175 Mio. € für Gemeindeinvestitionen

Opposition vermisst Qualitätskriterien und spricht von Geldverteilungsaktion

Wien (PK) – Mit einer Finanzspritze in der Höhe von 175 Mio. € will die Bundesregierung die Investitionstätigkeit in den Gemeinden in den Jahren 2017 und 2018 ankurbeln. Gefördert werden damit zusätzliche Bauprojekte in den Bereichen Kindergärten, Schulen, Seniorenbetreuung, Sportstätten, thermische Sanierung, öffentlicher Verkehr, Wohnraum, Abfallentsorgung, Kläranlagen oder Breitbandnetze. Die Basis dafür liefert das Kommunalinvestitionsgesetz 2017 (1583 d.B.), das heute mit S-V-F-Mehrheit im Finanzausschuss beschlossen wurde. Bundesminister Hans Jörg Schelling erwartet sich dadurch eine Belebung der regionalen Wirtschaft und die Schaffung von tausenden Arbeitsplätzen insbesondere im Bausektor. Die Opposition bemängelte u.a. die fehlenden Qualitätskriterien und sowie die zu bürokratische Abwicklung der Maßnahme. 

Auf der Tagesordnung standen auch noch der Produktpirateriebericht, der auf die Besorgnis erregende Zunahme bei gefälschten Medikamenten hinweist, ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Indien sowie sechs Anträge der Opposition, die u.a. die Abschaffung von Steuerprivilegien für politische Parteien, die Streichung der Begünstigung für Kohleverstromung oder die Umsatzsteuerrückvergütung bei der Anschaffung von Geräten durch Feuerwehren zum Inhalt hatten. Alle Anträge wurden vertagt.

Investitionsprogramm zur Modernisierung der Infrastruktur in 2.100 Gemeinden 

Im konkreten werden durch das Kommunalinvestitionsgesetz 175 Mio. € in Form von Zweckzuschüssen ausgeschüttet, wobei maximal 25% der Projektkosten gefördert werden. Für jede Gemeinde steht ein bestimmter Betrag zur Verfügung, der je zur Hälfte auf Basis der Einwohnerzahl und dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel berechnet wird. Die einzelnen Summen reichen dabei von 944 € für die kleinste Gemeinde (Gramais in Tirol) bis zu 40,83 Mio. € für die Stadt Wien (genauere Informationen unter: www.bmf.gv.at/top-themen/kommunales-investitionsprogramm-foerderbeitrag-pro-gemeinde.html). Förderungen und Zuschüsse "von dritter Seite" sind zulässig, solange die Gesamtkosten nicht überschritten werden. Die Anträge auf Gewährung eines kommunalen Investitionszuschusses sind von der Gemeinde an die Buchhaltungsagentur des Bundes zu richten und können vom 1. Juli 2017 bis 29. Juni 2018 eingebracht werden. Nicht in Anspruch genommene Beträge sollen dem Strukturfonds zur Unterstützung von finanzschwachen Gemeinden und Abwanderungsregionen zufließen.

Die Grünen standen dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber, hätten sich aber einige Änderungen gewünscht. Nach Auffassung von Bruno Rossmann (G) wäre eine Verteilung der Gelder auf Basis des Bedarfs sinnvoller gewesen. Nun würden gerade strukturschwache Gemeinden wieder nicht gefördert. Was die Siedlungswasserwirtschaft betrifft, so gab er zu bedenken, dass die Anschlussgrade bereits jetzt sehr hoch seien. Ein weiterer Ausbau würde enorm viel kosten und nur der "Baumafia" zugutekommen. Überdies schloss er sich der Meinung des Budgetdienstes des Parlaments an, wonach die gesamtwirtschaftlichen Effekte zu hoch angesetzt seien. Auch Ruperta Lichtenecker (G) hätte sich die Einbindung von Qualitätskriterien gewünscht. Als Beispiele führte sie die Berücksichtigung von Raumordnungs- oder Energieeffizienzzielen an. Ein von ihr diesbezüglich eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit.

FPÖ-Abgeordneter Hubert Fuchs kritisierte vor allem die verwaltungs- und kostenintensive Abwicklung der "Geldverteilungsaktion", zumal vor kurzem erst ein Deregulierungsgesetz beschlossen wurde. Sein Fraktionskollege Axel Kassegger sprach von einem "Zuckerl", das noch dazu auf Pump finanziert werde. Von einer großen, strategisch durchdachten Investitionsmaßnahme könne keine Rede sein.

Auf wenig Gegenliebe fielen die kritischen Kommentare bei den VertreterInnen der Regierungsparteien, die die Regierungsvorlage ausdrücklich begrüßten. SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer etwa fragte sich, was man gegen zusätzliche Mittel für die Gemeinden haben könne. Die Gelder kämen allen Kommunen zugute und stellen einen Anreiz dar, die Infrastruktur zu verbessern und auszubauen.

Schelling: Wichtige Investitionen zur Modernisierung und Stärkung der Gemeindeinfrastruktur

Das Kommunalinvestitionsgesetz müsse im Kontext zum Finanzausgleich gesehen werden, wo es etwa einen Topf für strukturschwache Gemeinden gibt, erklärte Bundesminister Hans Jörg Schelling. Aus diesem Grund seien nicht nur Mehrfachförderungen zugelassen, sondern auch Gemeindekooperationen möglich. Der Ressortchef hielt den Kritikern zudem entgegen, dass die Vorlage sehr wohl Qualitätskriterien enthält, zumal genau definierte Verwendungsbereiche festgelegt wurden. Keine Förderungen gebe es etwa für die Anschaffung von Fahrzeugen, Personalkosten oder Eigenleistungen der Gemeinden. Auch der Verteilungsschlüssel sei ein deutlicher Fortschritt, da sowohl die Einwohnerzahl als auch der abgestufte Bevölkerungsschlüssel berücksichtigt werden. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen, habe der jeweilige Bürgermeister zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um ein neues (zusätzliches) Projekt handelt. Aus seiner Sicht sei auch gewährleistet, dass die Anträge einfach abgewickelt werden können, bekräftigte Schelling.

In einer – mehrheitlich angenommen - Ausschussfeststellung wird noch die Bezeichnung "im Eigentum der Gemeinde" näher definiert und festgelegt, dass die widmungsgemäße Verwendung des Zuschusses bis spätestens 31. Jänner 2021 nachzuweisen ist.

Produktpirateriebericht 2016: Negativrekord bei Medikamentenfälschungen

Der österreichische Zoll hat im Jahr 2016 1.947 Sendungen mit Plagiaten aufgegriffen. Der Originalwert der dabei beschlagnahmten 67.535 gefälschten Produkte betrug mehr als 2,7 Mio. €, geht aus dem von Finanzminister Hans Jörg Schelling vorgelegten Produktpirateriebericht 2016 (III-375 d.B. ) hervor. Den größten Anteil machen dabei Medikamentenfälschungen aus, wo es 2016 einen Negativrekord gegeben hat. Bei 900 Aufgriffen wurden insgesamt 53.389 Medikamentenplagiate, die hauptsächlich aus Indien stammen, beschlagnahmt. Am häufigsten gefälscht werden Potenzmittel, Diätpillen und Haarwuchsmittel. 

Von allen Seiten gelobt wurde die Tatsache, dass 30% aller Aufgriffe in der EU im Jahr 2015 auf das Konto des österreichischen Zolls gingen; dies belege die gute Arbeit der dort tätigen BeamtInnen. Einig waren sich die Abgeordneten auch darin, dass verstärkt auf Aufklärung und Prävention gesetzt werden müsse, da immer mehr gefälschte Medikamente, die oft eine Gefahr für die Gesundheit darstellen, im Umlauf sind. Diese stellen vor allem für junge Leute, die verstärkt auf Lifestyle-Präparate zurückgreifen, ein großes Risiko dar, meinte Abgeordnete Gabriele Tamandl (V). Auch Robert Lugar vom Team Stronach forderte mehr Aufklärung in diesem Bereich und trat für eine Kampagne ein, die den Jugendlichen durch Negativbeispiele vor Augen hält, dass sie mit ihrer Gesundheit russisches Roulette spielen. SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr warnte aber davor, dieses Problem mit den Generika zu vermischen. Gerade viele Entwicklungsländer seien darauf angewiesen, ihre Bevölkerung mit günstigen Medikamenten versorgen zu können. Dieser Meinung schloss sich auch Christoph Matznetter (S) an.

Finanzminister Hans Jörg Schelling stellte eingangs klar, dass bei der Produktpiraterie nie Generika im Fokus standen, sondern nur Fälschungen. Wie im Bericht nachzulesen ist, werden derzeit Medikamente in Großmengen in die EU geschmuggelt und über eigens aufgebaute Vertriebsnetze in Europa verteilt. Das größte Problem stellen dabei sogenannte Fulfillment Center dar, die als Drehscheibe agieren und die Lagerhaltung sowie den Versand von Onlinebestellungen abwickeln, erläuterte er. Aus diesem Grund habe sein Haus eine Initiative mit den deutschen Zollbehörden gestartet, um dagegen besser vorgehen zu können. Generell sei der internationale Informationsaustausch sowie ein sensiblerer Umgang mit dieser Materie in allen europäischen Ländern von großer Bedeutung. Auf technischer Ebene sei etwa der Einbau von Chips in Verpackungsfolien vorstellbar, um die Versandwege besser verfolgen zu können. Schelling war aber gleichzeitig überzeugt davon, dass Information und Aufklärung der Öffentlichkeit einen noch höheren Stellenwert erhalten müssen. - Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Indien einstimmig beschlossen

Eine – mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen beschlossene - Regierungsvorlage bringt eine Anpassung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Indien an die OECD-Standards. Damit wird künftig auch eine – eingeschränkte - Amtshilfe bei der Vollstreckung sichergestellt (1609 d.B.).

Die steuerlichen Beziehungen mit Indien werden derzeit durch ein Doppelbesteuerungsabkommen aus 1999 geschützt. Dieses Abkommen entspricht laut Bundeskanzleramt nicht dem OECD-Standard betreffend Transparenz und Amtshilfe beim Informationsaustausch. Außerdem sehe das Abkommen keine Amtshilfe auf dem Gebiet der Vollstreckung von Steuern vor und sei daher aus österreichischer Sicht revisionsbedürftig, heißt es in den Erläuterungen zum neuen Staatsvertrag.

Der bilaterale Informationsaustausch mit Indien soll nun weiter verbessert werden. Obwohl seit 2015 ein Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen gilt, ist dieses auf die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer beschränkt. Das nunmehr vorliegende Abkommen betrifft hingegen Steuern jeder Art. Zudem ermöglicht die Novelle nun auch die Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuern. Diese beschränkt sich allerdings auf Abgabenansprüche, die durch ungerechtfertigte Befreiungen oder reduzierte Steuersätze entstanden sind. Laut Finanzministerium werden keine finanziellen und personellen Wirkungen erwartet.

Opposition fordert zahlreiche Steuerbegünstigungen – alle Anträge vertagt

Zahlreiche Oppositionsanträge standen am Ende der Tagesordnung des Finanzausschusses. Während die FPÖ für eine Steuerentlastung von Feuerwehrgeräten eintritt, wollen die Grünen die Umsatzsteuerfreigrenze für KleinunternehmerInnen inflationsbereinigen und die Steuer für Damenhygieneprodukte senken. Außerdem treten sie für eine Förderung von umweltfreundlichem Verhalten auf dem Weg zur Arbeit ein. Von Seiten des Team Stronach kam ein Anstoß, um Steuerprivilegien von Parteien entgegenzuwirken. So facettenreich die Themen auch waren, so hatten sie eines gemein: allesamt wurden vertagt, teils weil die Regierungsparteien darüber noch Gespräche führen wollen, teils aus Zeitgründen.

FPÖ: Feuerwehrgeräte steuerlich entlasten

Die FPÖ-Abgeordneten beantragten einmal mehr eine Umsatzsteuerrückvergütung bei der Anschaffung von Einsatzgeräten der Feuerwehren (367/A(E)). Unterstützung erhielten die Freiheitlichen durch Robert Lugar (T).

Die FPÖ will ein Fiskalmodell schaffen, das für den Ankauf von für den Einsatz notwendigen Geräten durch Feuerwehren eine Umsatzsteuerrückvergütung vorsieht und damit die Feuerwehren an die Rettungsorganisationen angleicht. Walter Rosenkranz (F) argumentierte im Ausschuss, mehr als 3,3 Millionen Menschen seien in Österreich als freiwillige Helfer ehrenamtlich tätig und leisteten einen unbezahlbaren Beitrag für die Gesellschaft. Außerdem würden die Hilfsorganisationen über Spenden und Förderungen der Länder und Gemeinden finanziert. Es sei daher unverständlich und inakzeptabel, Feuerwehren bei der Anschaffung ihrer Geräte durch die Umsatzsteuer zusätzlich zu belasten.

Den Einwand von Finanzminister Hans Jörg Schelling, die von der FPÖ angestrebte Regelung sei europarechtlich nicht möglich, ließ Rosenkranz nicht gelten und forderte diesbezüglich mehr politischen Willen ein. Hermann Lipitsch (S) hingegen erinnerte an das Katastrophenfondsgesetz, durch das 95 Mio. € für die Anschaffung von neuem Gerät zur Verfügung gestellt werden, und meinte, man müsse sich genau überlegen, wie man das gestalten könnte. Hermann Schultes (V) appellierte in diesem Zusammenhang, die Feuerwehren aus der Politik herauszuhalten, unterstrich aber die Notwendigkeit, diese mit allen Kräften zu unterstützen. Der Antrag wurde schließlich mit Mehrheit der beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP vertagt.

Damenhygieneprodukte – Grüne wollen ermäßigten Steuersatz anwenden

Ebenso vertagt wurde der Antrag der Grünen (1548/A(E)), Damenhygieneprodukte wie Tampons und Binden mit dem ermäßigten Steuersatz von 10% und nicht wie derzeit mit 20% zu belasten. Aygul Berivan Aslan (G) betonte, dabei handle es sich um Produkte des täglichen Bedarfs, daher sollten diese wie Lebensmittel, Medikamente oder Bücher steuerlich behandelt werden. In Irland und Kanada würde keine Steuer dafür eingehoben, in Frankreich betrage der Satz 5,5%.

Während Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar das für einen falschen Ansatz hält, gab Gabriele Tamandl zu bedenken, dass es in einigen anderen Bereichen ebenfalls zu Ungleichbehandlungen komme – etwa von jungen Familien, die einen großen Bedarf an Babywindeln haben, oder auch von Personen, die von Inkontinenz betroffen sind. Sie war sich mit den SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer und Christoph Matznetter einig, dass es nach der Steuerreform 2016 wenig zielführend sei, einzelne Produkte herauszugreifen. Vielmehr schlug sie vor, sich darüber Gedanken zu machen, bei welchen Produktgruppen man den Steuersatz von 20% auf 10% senken könnte und begründete damit auch die Vertagung.

Aus Zeitgründen wurden dann die restlichen vier Anträge, die sich auf der Tagesordnung befanden, einstimmig vertagt - unter Zusicherung, dass diese wieder auf dem Programm des nächsten Finanzausschusses stehen werden. Das betraf zunächst die beiden Initiativen der Grünen, betriebliche Zuwendungen für gesunde und umweltfreundliche Mobilität von MitarbeiterInnen steuerlich zu entlasten (1955/A(E)) sowie die Grenze zur Umsatzsteuerbefreiung für KleinunternehmerInnen inflationsbereinigt ab 2018 in vier Stufen anzuheben (2114/A(E)). Auch der Vorstoß des Team Stronach nach Abschaffung steuerlicher Privilegien politischer Parteien und deren Vorfeldorganisationen bleibt auf der Agenda des Ausschusses (1796/A(E)) ebenso wie der Antrag der NEO zur Streichung der steuerlichen Begünstigung für die Stromerzeugung aus Kohle (1023/A(E)). (Schluss) sue/jan