Parlamentskorrespondenz Nr. 621 vom 24.05.2017

EU-Grundrechte im Telekommunikationsbereich sollen nachgeschärft werden

EU-Unterausschuss diskutiert Vorschläge der Kommission

Wien (PK) – Die technologischen Entwicklungen im Bereich der elektronischen Kommunikation, die tiefgreifenden Umwälzungen des Digitalsektors, ihre Auswirkungen auf Privatbereich und Wirtschaft und die notwendigen gesetzlichen Antworten auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit dem digitalen Binnenmarkt beherrschten heute den ersten Teil des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Konkret ging es dabei um Vorschriften zur Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation - Bundesminister Jörg Leichtfried sprach in diesem Zusammenhang von einer "lex specialis" zur Datenschutz-

Grundverordnung. Ferner stand der Kodex für die elektronische Kommunikation zur Debatte. Das Gremium europäischer Regierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) soll zudem mehr Aufgaben erhalten und zu einer eigenen Agentur umgewandelt werden.

Die Abgeordneten begrüßten die Initiativen grundsätzlich, sahen aber noch Regelungsbedarf in Detailfragen. Einhellig abgelehnt wurde die Errichtung einer eigenen Agentur für elektronische Kommunikation.

Gleiche Spielregeln für alle Netz-Dienste

Zunächst diskutierten die Ausschussmitglieder über die Änderung der e-Datenschutz-Richtlinie, die in Zukunft als Verordnung direkte Rechtskraft in den Mitgliedstaaten haben soll. Diese gewährleistet den Schutz von Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere die Achtung des Privatlebens, die Wahrung der Vertraulichkeit der Kommunikation und den Schutz personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation. Außerdem stellt sie den freien Verkehr von elektronischen Kommunikationsdaten, -geräten und -diensten in der Union sicher. Mit den Bestimmungen wird in Bezug auf die Kommunikation das in der Charta der Grundrechte der EU verankerte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens umgesetzt.

Eine Evaluierung der geltenden Richtlinie hat nun ergeben, dass zwar die Ziele und Grundsätze nach wie vor Gültigkeit haben, der gesetzliche Rahmen aber den technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen seit dem Jahr 2009 nicht mehr Rechnung trägt. Neue Internetdienste, die eine interpersonelle Kommunikation ermöglichen – etwa Whatsapp, Facebook Messenger, Skype - sind nur mehr mangelhaft geschützt. Der Gesetzesvorschlag enthält daher keine grundlegenden Neuerungen, sondern stellt eine Weiterentwicklung bestehender Regelungen dar und betrifft auch "neue" Marktteilnehmer. Allerdings sollen die Bestimmungen nunmehr in einer in den Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwendenden Verordnung erlassen werden und nicht mehr Teil einer Richtlinie sein.

Persönlichkeitsrechte besser absichern

Der Entwurf sieht umfassende Anonymisierungs- und Löschungsverpflichtungen vor, wenn keine ausdrückliche Zustimmung zur Verarbeitung vorliegt bzw. die Daten für Abrechnungszwecke benötigt werden. Elektronische Kommunikation muss vertraulich bleiben. Sollten NutzerInnen ihre ausdrückliche Zustimmung zur Verarbeitung von Kommunikationsdaten geben, können Unternehmen damit auch neue Dienste anbieten. In der vorgeschlagenen Verordnung wird auch geregelt, wann die Verarbeitung von Kommunikationsdaten ausnahmsweise gestattet ist und wann die Einwilligung der NutzerInnen erforderlich wird. Was Cookies betrifft, so sollen die Regeln vereinfacht werden, da es derzeit zu einer Überflutung der NutzerInnen mit Zustimmungsanfragen kommt. Browser-Einstellungen mit entsprechender Vorabinformation für die NutzerInnen sollen in Hinkunft für Zustimmung oder Ablehnung ausreichen. Keine explizite Zustimmung ist für nicht in die Privatsphäre eindringende Cookies notwendig, wie beispielsweise Cookies, die sich den Inhalt des Warenkorbs während des Onlineshoppings merken oder vom Anbieter selbst nur zur Zählung der Website-BesucherInnen verwendet werden. Jedenfalls sollen die NutzerInnen über ihre Daten weiterhin selbst entscheiden können.

Ferner soll der Schutz vor unerbetenen Nachrichten verbessert werden. Für Werbeanrufe können die Mitgliedstaaten festlegen, ob diese grundsätzlich verboten sind oder die Möglichkeit der Nutzung einer Do-not-call Liste vorgesehen wird. Die Kommission möchte für Werbeanrufe eine besondere Vorwahl festlegen, die den Anruf als Werbeanruf kennzeichnet. Eine Nummernunterdrückung wäre dann nicht mehr zulässig und die Nummer muss erreichbar sein. Zur Vollziehung der Vertraulichkeitsregeln sollen laut Entwurf die Datenschutzbehörden zuständig sein, die bereits nach der allgemeinen Datenschutz- Grundverordnung eingerichtet wurden. 

Seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) wird das Rechtsinstrument der Verordnung im Sinne eines einheitlichen Rahmens positiv gesehen. Weniger Zustimmung findet der Vorschlag der Kommission, die Datenschutzbehörde als eine für alle Fragen zuständige Behörde zu installieren. Das könnte einem ungerechtfertigten Eingriff in die nationale Behördenorganisation gleichkommen und dem Subsidiaritätsprinzip wiedersprechen, gab Bundesminister Jörg Leichtfried zu bedenken. In Österreich werden Rechtsfragen, die nicht mit dem Datenschutz in Zusammenhang stehen, beispielsweise von den Fernmeldebehörden behandelt. Die Zuständigkeit der einzelnen Behörden sollten daher der innerstaatlichen Entscheidung vorbehalten bleiben. Einzelne Bestimmungen seien auch dahingehend zu überprüfen, ob sie nicht übermäßige und unverhältnismäßige Belastungen für Unternehmen mit sich bringen, sah der Minister im Ausschuss noch einigen Diskussionsbedarf auf EU-Ebene.

Als einen besonders wichtigen Punkt bezeichneten die Abgeordneten im Einklang mit dem Minister den Schutz vor unerbetenen Nachrichten. Als Problem wurde jedoch die bereits jetzt geltende Bestimmung gesehen, wonach sich jemand strafbar macht, der ein Mail an mehr als 50 Personen sendet. Bundesminister Jörg Leichtfried gab in diesem Punkt Georg Vetter (V) recht, dass man hier nachbessern müsste, denn wenn sich ein Bürger bzw. eine Bürgerin an die 183 Abgeordneten im Nationalrat wendet, so handle es sich dabei um den Ausdruck eines politischen Anliegens. Ebenso hält er den Einwand von Vetter sowie von Michael Bernhard (N) im Hinblick auf den allzu hohen Strafrahmen für berechtigt. Dieser orientiere sich in erster Linie an Großunternehmen, angewendet auf Klein- und Kleinstunternehmen könnte eine derartige Strafandrohung existenzgefährdend sein. Vetter hatte zuvor angeregt, angemessene und verhältnismäßige Strafrahmen festzulegen, denn vieles passiere beim ersten Mal aus Unwissenheit.

Der Grüne Verkehrssprecher Georg Willi thematisierte mit kritischem Blick das mögliche Sammeln von Bewegungsprofilen und unterstrich in diesem Zusammenhang den notwendigen Schutz vor elektronischer Überwachung. Derartige technische Möglichkeiten lehne er nicht pauschal ab, replizierte darauf Minister Leichtfried. Es gehe vielmehr darum, eine vernünftigen Weg zu finden. Wenn Betroffene zustimmen, müsste ein solches Bewegungsprofil möglich sein. Leichtfried nannte zur Illustration den Test für die Jahreskarte der ÖBB, welche für eine App am Handy hochgerüstet werden soll. Die App analysiert die unterschiedlichen Wege der Fahrgäste, registriert Wegstrecke, CO2-Verbrauch und dokumentiert das gebrauchte Verkehrsmittel - das aber selbstverständlich nur auf freiwilliger Basis, stellte Leichtfried klar.

EU-Pläne zur Modernisierung im Kommunikationsbereich

Die EU-Kommission schlägt auch eine grundsätzliche Modernisierung der zuletzt 2009 aktualisierten EU-Vorschriften für den Telekommunikationsbereich vor und hat dazu im September ein Paket zur Reform des Telekommunikationsrahmens vorgelegt. Kernpunkt dabei ist der Richtlinienvorschlag über den "europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation". Damit werden die bisherigen Richtlinien – Rahmen, Zugang, Genehmigung und Universaldienst – zusammengeführt und überarbeitet.

Ziel des Kodex ist es, geeignete Rahmenbedingungen für einen echten Binnenmarkt zu schaffen, mehr Wettbewerb zu ermöglichen, eine bessere Planbarkeit für Investitionen sicherzustellen, Investitionsanreize zu schaffen und den Binnenmarkt sowie die Verbraucherrechte zu stärken, wie die Kommission dazu in einer Presseaussendung festhält. Dies soll unter anderem durch ein Binnenmarktkonzept für die Frequenzpolitik und Frequenzverwaltung erreicht werden, mit der Stoßrichtung, unionsweite Unterschiede in der Regulierungspraxis, besonders im Bereich der Funkfrequenzen abzubauen. Der Kodex sieht lange Lizenzlaufzeiten vor, verbunden mit strengeren Auflagen für die tatsächliche und effiziente Nutzung der Frequenzen. Zudem wird etwa auch eine bessere Abstimmung der Frequenzpolitik in der EU mit dem Ziel einer flächendeckenden Drahtlos-Netzanbindung in der EU angestrebt.

Kritik an zu großen Eingriffsrechten der EU in nationale Belange

Österreich wie auch andere Mitgliedstaaten sehen die geplante europaweite Harmonisierung mit weitgehenden Einflussmöglichkeiten der Kommission auf die nationalen Frequenzvergabeverfahren kritisch und betrachten etwa die geplante Verpflichtung, nationale Vergabeverfahren vorab einer europäischen Kontrolle zu unterziehen, als Einmischung in nationale Kompetenzen. Ebenso hält das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) die vorgeschlagene Mindestvergabedauer für Frequenzen von 25 Jahren im Hinblick auf die technologische Entwicklung für wenig zielführend.

Diskutiert wird auch die Behandlung der so genannten "over the top"-Dienstanbieter (OTT), die mit den herkömmlichen Telekommunikationsbetreibern in Konkurrenz stehen und eine breite Palette von Anwendungen und Diensten – beispielsweise über das Internet – anbieten. Der derzeitige Rechtsrahmen ist nur auf klassische Kommunikationsdienste anwendbar, was zu einer gewissen Schieflage und Ungleichbehandlung führt. Die österreichische Position zielt darauf ab, vergleichbare Regeln für vergleichbare Dienste festzulegen, außerdem drängt man auf klarere Definitionen entsprechend der technischen Entwicklung. 

Darüber hinaus sollen sämtliche Marktteilnehmer gleiche Ausgangsbedingungen vorfinden, die Kommission strebt daher auch eine Deregulierung an. Durch entsprechende Maßnahmen wird es kleineren Akteuren erleichtert, sich an Investitionsprojekten zu beteiligen. Die Planbarkeit für diejenigen, die als erste das Risiko eingehen, Netzinvestitionen in weniger rentablen, beispielsweise ländlichen Gebieten zu tätigen, soll verbessert werden. Es geht vor allem auch um die Schaffung von Anreizen für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze.

Sehr kritisch wird von heimischer Seite auch die angestrebte Vollharmonisierung der Konsumentenrechte gesehen, was darauf hinausliefe, dass national keine weitergehenden Schutzregelungen festgelegt werden könnten. Man könnte auch auf neu auftauchende Probleme nicht mehr rasch genug reagieren, führen die Skeptiker ins Treffen. Grundsätzlich strebt die Kommission an, es den Endnutzern zu erleichtern, den Anbieter zu wechseln, wenn sie Bündelverträge unterschrieben haben (Pakete, in denen Internet, Telefon, Fernsehen, Mobilfunk usw. zusammengefasst sind). Schutzbedürftige Gruppen (wie ältere oder Menschen mit Behinderung oder Sozialhilfeempfänger) erhalten einen Anspruch auf erschwingliche Internetanschlüsse. Bestimmte Vorschriften werden auf neue Online-Akteure ausgeweitet, die Dienste anbieten, die denen herkömmlicher Betreiber gleichwertig sind, um den Sicherheitsanforderungen auch hier Geltung zu verschaffen.

Thema war bei diesem Punkt vor allem der Breitbandausbau. Waltraud Dietrich (T) sieht darin eine Chance für den ländlichen Raum, Georg Willi (G) geht der Ausbau viel zu langsam. Der Minister wies in diesem Zusammenhang auf eine Analyse der OECD zum Digitalisierungsgrad Österreichs hin, die im Juni vorliegen wird. Dabei schneidet Österreich im wirtschaftspolitischen Bereich sogar sehr gut ab. Nachholbedarf gibt es dabei noch bei den Klein- und Mittelbetrieben, weshalb die Regierung dafür 20 Mio. € aus der Breitbandmilliarde abgespalten hat. Die Industrie 4.0 betrifft die ganze Produktionskette, fügte Leichtfried erklärend hinzu, und das müsse funktionieren.

Was die Ausschreibungen für Frequenzen betrifft – eine Frage von Abgeordneter Angelika Winzig (V) – stellte Leichtfried klar, dass eine Koordinierung notwendig sei. Ebenso unerlässlich sei aber, nationale Besonderheiten einzubauen.

Ausschuss gegen neue EU-Agentur

Die Kommission plant darüber hinaus, die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden und des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) zu stärken, indem die Aufgaben, die Kapazität und die Entscheidungsbefugnisse des Gremiums ausgeweitet werden, um eine größere Kohärenz und Berechenbarkeit der bislang uneinheitlichen Anwendung der Vorschriften im digitalen Binnenmarkt zu erreichen. GEREK soll nun mit dem erweiterten Mandat in eine Agentur umgewandelt werden.

Das BMVIT begrüßt grundsätzlich die Bündelung des Fachwissens der nationalen unabhängigen Regulierungsbehörden sowie den Ansatz der stärkeren Einbeziehung in Telekom-relevante europäische Entscheidungen. Eine Institutionalisierung in Form einer neuen Agentur wird jedoch abgelehnt, heißt es in der Information des Ministeriums und der Minister fügte im Ausschuss hinzu, das wäre mit mehr Bürokratie und Kosten verbunden.

Diesen Befund schlossen sich auch die Abgeordneten Angelika Winzig (V), Rainhard Eugen Bösch (F), Michael Bernhard (N) und Waltraud Dietrich (T) an. Sollte so eine Agentur eingerichtet werden, dann dürften dort die Entscheidungen keinesfalls mit einfacher Mehrheit gefällt werden, sondern sollten einem erhöhten Quorum unterliegen, bemerkte Bernhard.

Das GEREK sorgt dafür, dass EU-Rechtsvorschriften einheitlich angewendet werden und die EU über einen funktionierenden Binnenmarkt für elektronische Kommunikation verfügt. Dabei berät es auf Anfrage oder eigene Initiative die europäischen Institutionen. Das GEREK setzt sich aus dem sogenannten Regulierungsrat zusammen, in dem die Leiter (oder benannten hochrangigen Vertreter) der nationalen Regulierungsbehörden aller EU-Länder vertreten sind. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan