Parlamentskorrespondenz Nr. 666 vom 07.06.2017

Nationalrat: Stöger wirbt um Unterstützung für Aktion 20.000

Vorwahlkampfdebatte über Bürokratieabbau, Bildungsreform und Sozialpolitik

Wien (PK) – Das von der SPÖ gewählte Thema "Arbeit für Österreich – Beschäftigung und Ausbildung im Fokus" stand heute im Mittelpunkt der Aktuellen Stunde im Nationalrat. Neben dem Beschäftigungsbonus, der ab Juli in Kraft treten soll, warb Sozialminister Alois Stöger um Unterstützung vor allem für die Aktion 20.000 für ältere Arbeitslose, durch die jährlich etwa 20.000 Jobs in Gemeinden und gemeinnützigen Trägervereinen geschaffen werden sollen. Die ÖVP signalisierte grundsätzliche Zustimmung, wollte jedoch noch über die konkrete Ausgestaltung der Förderrichtlinien diskutieren.

Nicht ganz überraschend warf der auch kommende Wahlkampf seine Schatten voraus. Vor allem die Ankündigung von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, bis zu 14 Mrd. € einsparen zu wollen, sorgte für einige kritische Kommentare. Eine solche Summe könne nur dann erzielt werden, wenn es zu massiven Einschnitten im Sozial- und Gesundheitssystem, im Bildungsbereich und bei den Pensionen kommt, befürchtete etwa SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Die Grünen warfen der ÖVP Steuerpopulismus vor, weil die Gegenfinanzierung völlig unklar sei.

SPÖ: Aktion 20.000 ist Meilenstein im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit

Die SPÖ will in den kommenden Monaten noch Maßnahmen in den Bereichen Arbeit, Beschäftigung, Wirtschaft und Bildung vorantreiben, unterstrich Andreas Schieder (S). Österreich stehe derzeit zwar gut da -  das Wirtschaftswachstum liegt erstmals seit Jahren wieder über den Werten der Euro-Zone und auch beim großen Sorgenkind Arbeitsmarkt gibt es eine Trendumkehr -, dennoch sei es für ältere Menschen noch immer sehr schwer, eine Beschäftigung zu finden. Aus diesem Grund hat Sozialminister die Aktion 20.000 ins Leben gerufen, die nun endlich beschlossen werden sollte. Ein weiteres wichtiges Instrument ist der Beschäftigungsbonus, der mit insgesamt zwei Mrd. € dotiert ist und eine 50%ige Refundierung der Lohnnebenkosten bringt. Er sei froh, dass diese wichtige Maßnahme nun ab 1. Juli 2017 umgesetzt werden kann. Auch SPÖ-Mandatar Josef Muchitsch (S) erinnerte an die zahlreichen sozialpolitischen Aktivitäten der Bundesregierung, die Menschen von jung bis alt in Beschäftigung bringen sollen. Diese reichen von der Ausbildungsgarantie bis hin zur Forcierung der Investitionen in den Gemeinden. Man sollte daher nicht alles schlecht reden, meinte Ulrike Königsberger-Ludwig, die Bilanz könne sich durchaus sehen lassen. Schließlich machte sich Schieder noch für die Bildungsreform stark, die für Modernisierung, für mehr Autonomie und Flexibilität steht. Darüber habe man jahrelang verhandelt; der Koalitionspartner ÖVP sollte sich daher zum vorliegenden Ergebnis bekennen und eine Umsetzung nicht zu verhindern, appellierte Schieder.   

Stöger: Langzeitarbeitslosen soll durch Aktion 20.000 ihre Würde zurückgegeben werden

Bundesminister Alois Stöger skizzierte eingangs seinen grundsätzlichen Zugang zur Sozialpolitik. Im Gegensatz zu Tendenzen wie in den USA, wo gerade unter dem Deckmantel der Freiheit den Ärmsten der Armen die Krankenversicherung gestrichen wird, stehe er für einen Staat, der Arbeitsplätze, gerechte Einkommen, Ausbildung, soziale Absicherung und ein solidarisches Pflegesystem garantiert. Auch wenn dies von manchen als Vollkaskomentalität verunglimpft werde, so sei er überzeugt davon, dass weniger Sicherheit nicht automatisch mehr Freiheit bedeutet. Die Politik hat die Verantwortung, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Vielzahl an Talenten, unterschiedlichen Stärken und Potentialen, die es in einer Gesellschaft gibt, gerecht zu werden, unterstrich Stöger. Aus diesem Grund habe man etwa die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre und die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre beschlossen, die junge Menschen vor einem hohen Arbeitslosigkeitsrisiko bewahren sollen. Für Erwachsene wurde wiederum das Fachkräftestipendium ins Leben gerufen. Weitere wichtige Impulse liefern das kommunale Investitionspaket, der Beschäftigungsbonus oder das Arbeitsmarktintegrationsgesetz.

Eine Gruppe, die es aber noch immer sehr schwer auf dem Arbeitsmarkt hat, sind Menschen über 50 Jahre, merkte Stöger an. Um diesen Personen, die wirklich arbeiten wollen und oft schon hunderte Bewerbungen geschrieben haben, wieder ihre Würde zurückzugeben, wurde das Programm Aktion 20.000 entwickelt. Damit soll die Arbeitslosenrate innerhalb dieser Gruppe langfristig halbiert werden. Er hoffe daher, dass es noch im Juni zu einem Beschluss kommt. All diese Investitionen zahlen sich nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht aus, sondern stärken das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie, war Stöger überzeugt.

ÖVP will besseren Zugang von Landgemeinden zur Aktion 20.000

August Wöginger (V) freute sich über die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, die in allen Bundesländern zu festzustellen ist. Dennoch gebe es noch immer fast 400.000 Menschen, die keinen Job haben; dies sei zu viel. Um die Wirtschaft noch weiter anzukurbeln, habe sich die Regierung daher auf den Beschäftigungsbonus geeinigt, der ab 1. Juli eine Halbierung der Lohnnebenkosten über einen Zeitraum von drei Jahren vorsieht. Seine Fraktion unterstützt auch grundsätzlich die Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose, konstatierte Wöginger, über die  konkrete Ausgestaltung werde jedoch noch diskutiert. Für ihn wesentlich sei dabei, dass Landgemeinden einen Zugang zu diesem Programm bekommen. Was die Vorschläge von Sebastian Kurz bezüglich der Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40% betrifft, so habe er klar gesagt, wie man das erreichen kann, erklärte Wöginger, nämlich durch eine Durchforstung der Förderungen, eine treffsichere Gestaltung der Sozialleistungen, einen Abbau der Bürokratie und eine Eindämmung der Steuerflucht. Angelika Winzig (V) konzentrierte sich in ihrer Wortmeldung auf den Bildungsbereich, in dem die Regierung viel weitergebracht habe. Als Beispiele führte sie die Ausbildungsgarantie, die Einführung von 71 neuen Lehrberufen oder das Coaching von schwächeren Jugendlichen an.

FPÖ übt Kritik an der Arbeitsmarktpolitik und lehnt Gesamtschule ab

Bernhard Themessl (F) zeigte sich verwundert über die Wortmeldung von SPÖ-Klubobmann Schieder, wonach seine Partei nun den Fokus auf Beschäftigung und Ausbildung legen will. Viele ÖsterreicherInnen werden sich da wohl die berechtigte Frage stellen, was die Sozialdemokraten die letzten zehn Jahre gemacht haben. Allein der hervorragenden Arbeit der österreichischen UnternehmerInnen sei es zu verdanken, dass trotz schlechter Rahmenbedingungen der Konjunkturmotor wieder angesprungen ist. Es sei zudem müßig, über Maßnahmen zu sprechen, die noch nicht einmal beschlossen sind, meinte Themessl unter Bezugnahme auf den Beschäftigungsbonus. Außerdem wäre dies seiner Ansicht nach sowieso nur ein "Bürokratiemonster". Wenig erfolgreich war seiner Meinung nach auch die Einführung der Ausbildungspflicht, zumal tausende Lehrstellen in der Praxis fehlen, bemängelte Themessl. Wenn es nicht entsprechende Anreize für die Firmen gibt, junge Menschen auszubilden, dann werde sich auch in Hinkunft daran nichts ändern. Außerdem ist es nach Ansicht von Wendelin Mölzer (F) wichtig, generell das Image von Lehrberufen aufzupolieren. Was die Bildungspolitik betrifft, so müssten vor allem die Mittel effizienter eingesetzt, die LehrerInnenausbildung verbessert und die Deutschkenntnisse verpflichtend nachgewiesen werden, um am Regelunterricht teilnehmen zu können. Negativ stehen die Freiheitlichen der Gesamtschule gegenüber.

Grüne werfen ÖVP Vertrauensbruch in Sachen Bildungsreform vor und drängen auf Einführung des Mindestlohns

Wenn man seriös über das Thema Beschäftigung reden will, dann müsse man beim Thema Schule beginnen, waren Albert Steinhauser und Birgt Schatz (beide G) überzeugt. In den Bildungsinstitutionen entscheide sich, wie der weitere Lebensweg aussieht und welchen Platz man in der Gesellschaft einnimmt. Aus diesem Grund haben sich die Grünen sehr ernsthaft an der Debatte über das Schulautonomiepaket beteiligt und am vorigen Donnerstag auch eine Einigung erzielt. Steinhauser zeigte sich daher sehr überrascht darüber, dass sich die ÖVP nun von diesem "Ergebnis entfernt" und neue Junktimierungen verlangt. Dies sei ein klarer Vertrauensbruch, warf der G-Mandatar der ÖVP vor. Da die Schule allein nicht alle Probleme lösen kann, brauche es natürlich eine aktive Arbeitsmarktpolitik, bekräftigte auch Abgeordnete Birgit Schatz. Wichtig seien dabei Investitionen in Zukunftsbranchen sowie eine entsprechende Unterstützung der Risikogruppen. Skeptisch zeigten sich die Grünen gegenüber dem Beschäftigungsbonus, da die Gelder womöglich in die Schaffung von Jobs fließen, die ohnehin entstanden wären. Außerdem drängten sie auf eine rasche Umsetzung des Mindestlohns, denn dies sei man den BezieherInnen der untersten Einkommen schuldig.

NEOS: Beschäftigungspolitik zeichnet sich durch falsche Anreize und zu viel Bürokratie aus

Gerald Loacker (N) bezeichnete Maßnahmen wie die Aktion 20.000 oder den Beschäftigungsbonus als "rot-schwarze Aufteilungspolitik der ganz alten Schule", weil dadurch sowohl SPÖ als auch ÖVP in ihren jeweiligen Reichen "nach Herzenslust Steuergeld verblasen können". In den österreichischen Kommunen sind die Rasen gemäht, die Bäume geschnitten und die Plätze gekehrt, dennoch werden zusätzlich 780 Mio. € ausgeschüttet, um den 75.000 GemeindemitarbeiterInnen weitere 20.000 zur Seite zu stellen. Da es sich dabei um Posten ohne Arbeit handle, könne man nur von einer Demütigung dieser Menschen sprechen. Außerdem komme dadurch niemand in den ersten Arbeitsmarkt, war Loacker sicher. Wichtiger wäre es angesichts der Rekordzahl an offenen Stellen, auf Bildung und Qualifizierung zu setzen. Außerdem gebe es durch die derzeitige Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe zu wenig Anreiz, einen Job anzunehmen. Ein Problem stellt nach Auffassung von Loacker auch die Zuverdienstgrenze dar; hier müsste es eine Einschleifregelung geben. Sein Fraktionskollege Josef Schellhorn (N) forderte abermals flexiblere Arbeitszeiten sowie eine deutliche Entlastung der heimischen UnternehmerInnen, denn sie seien es, die die Jobs im Land schaffen. Den Ankündigungen von Kurz konnte er wenig abgewinnen, diese Versprechen könne niemand mehr glauben. Negativer Beweis dafür sei die Blockadepolitik der ÖVP in Sachen Bildung.  

Team Stronach fordert Entlastung der Unternehmen und zukunftsorientiertes Bildungssystem

Die Debattenbeiträge zeigen deutlich, dass sich die Parteien bereits voll im Wahlkampf befinden, urteilte Waltraud Dietrich (T). Statt sich mit der Lage in den USA zu beschäftigen, sollte der Sozialminister lieber Probleme in Österreich angehen, die nicht gerade klein sind. So gebe es etwa 1,3 Millionen armutsgefährdete Menschen, darunter viele AlleinerzieherInnen und PensionstInnen. Auch die Situation am Arbeitsmarkt sei nicht besonders erfreulich, da noch immer 400.000 Menschen einen Job suchen. Ein riesiges Problem stellen vor allem die Langzeitarbeitslosen dar, deren Zahl allein im letzten Jahr um 8% gestiegen ist. Wenn nicht endlich die UnternehmerInnen entlastet, die Lohnnebenkosten gesenkt und die bürokratischen Hürden abgebaut werden, werde auch der leichte Wirtschaftsaufschwung wieder zum Erliegen kommen, zeigte sich Leopold Steinbichler (T) besorgt. Was die geplante Aktion 20.000 angeht, so sei dies nicht der richtige Ansatz, weil die Menschen einen Job bekommen, den es eigentlich gar nicht gibt.

Abgeordneter Gerhard Schmid (o.F.) wies auf die hohen Kosten der geplanten Beschäftigungsmaßnahmen der Regierung hin, während Rupert Doppler (o.F.) das Programm für ältere Langzeitarbeitslose begrüßte. (Fortsetzung Nationalrat) sue